EU-Botschafter legen den Kurs fest

Am heutigen Mittwoch treffen sich die Botschafter der Europäischen Union, um das weitere Vorgehen bei der privaten Chatkontrolle zu konkretisieren. Ohne breite öffentliche Debatte versucht die EU-Kommission von Ursula von der Leyen, den nächsten Pfeiler des EU-Zensurapparats zu errichten.

picture alliance/dpa | Thierry Monasse

Ursula von der Leyen hat großes Interesse daran zu erfahren, was Sie in ihrem privaten Umfeld umtreibt. Der Vorstoß der EU-Kommission, über eine obligatorische digitale Identitätsprüfung und eine private Chatkontrolle tief in die Privatsphäre der Bürger einzugreifen, steht heute auf dem Programm der EU-Botschafter. Ziel der EU-Kommission ist es, mit Hilfe des vorgeblichen Kampfes gegen Kinderpornografie ein fundamentales Bürgerrecht zu schleifen.

COREPER als Vorstufe des Überwachungsprojekts

Im Komitee der Ständigen Vertreter (COREPER) soll heute vorverhandelt werden, was später im EU-Ministerrat und im EU-Parlament abgenickt wird. Stoßen uns diese sogenannten Botschafter der Nationalstaaten über die zivilisatorische Klippe und geben dem Spitzelstaat ein gefährliches Instrument zur Kontrolle der Privatsphäre an die Hand?

Oder reicht der Widerstand der Opposition aus, um diesem Drachen die Zähne zu ziehen?

Der Widerstand geht weiter
Chatkontrolle rückt näher: Heute nicken die EU-Botschafter ab – ohne Diskussion
Offiziell federführend ist derzeit die dänische Ratspräsidentschaft. Deren Vertreter erklärten, dass der Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und Ausbeutung im Internet höchste Priorität habe. Und tatsächlich plant Dänemark, Anbieter von Chat-Programmen zu verpflichten, KI-gestützte Filter direkt auf Endgeräten zu installieren, die Nachrichten vor dem Versenden auf potenzielle Missbrauchsdarstellungen überprüfen sollen – Dänemark liegt damit exakt auf der Linie der EU-Kommission.

Unklar bleibt die Position Ungarns. Die Regierung fordert eine klare, verpflichtende Regelung, um nach bekannten Straftaten im Individualfall private Chats überwachen zu können. Eine streitbare Position, deren Berechtigung man anerkennen kann, die jedoch ebenso zwingend das grundsätzliche Recht auf Privatheit und den wachsenden Autoritätsgewinn von Überwachungsbehörden abwägen müsste. Nicht zuletzt böte sich der Politik die Gelegenheit, Fälle zu fingieren, um unangenehme Opposition mit diesem Instrument kaltzustellen.

Bliebe noch die Slowakei, die bislang jede Form der Chatkontrolle ablehnte, sich jedoch verhandlungsbereit zeigte.

Grundsätzlich scheint in EU-Europa ein verhängnisvoller Geist zu herrschen, der der Überwachungslogik einen Vorrang einräumt – und damit das hochheilige Recht auf Privatheit zunehmend an den Rand drängt.

Deutschlands weiche Linie und die „freiwillige“ Kontrolle

Die deutsche Position in dieser Frage war wie üblich wachsweich. Zwar blockierte die deutsche Delegation die Maximalforderung der EU-Kommission, Messenger-Dienste zum Scannen privater Dokumente und Inhalte vor dem Versand zu zwingen, doch scheint man sich heute auf eine zunächst weiche Variante zu einigen.

Es soll eine freiwillige Version der Chatkontrolle geben, bei der die Nutzer der Dienste selbstverständlich nicht darüber informiert werden, ob tatsächlich ihre Inhalte gescannt wurden. Es ist eine Hintertür zur Hintertür, die weitergehende Überwachung in der Zukunft offenhält.

Neubesetzung der Faeser-Taskforce:
Dobrindt will Islamismus stärker in den Blick nehmen
Innenminister Alexander Dobrindt von der CSU hat sich aus der Debatte weitestgehend herausgehalten – ein Armutszeugnis der deutschen Politik, das zugleich erkennen lässt, dass man der aufgeweichten Variante der Chatkontrolle wohl grünes Licht geben dürfte.

Netzvertreter wie der Chaos Computer Club appellierten vergeblich an Dobrindt, sich klar gegen die Chatkontrolle zu positionieren und im EU-Rat an einer Sperrminorität zu arbeiten. Doch der Minister schwieg – und ließ damit jene im Stich, die noch an echte digitale Grundrechte glauben.

Datenschützer warnen insbesondere vor dem sogenannten „Client-Side-Scanning“. Dieses untergräbt das Grundrecht auf vertrauliche Kommunikation massiv. Allein die Tatsache, dass es nicht gelungen ist, diesen Übergriff in unsere Privatsphäre vollständig zu blockieren und final zu ersticken, ist mehr als alarmierend.

Denn im Zusammenspiel mit der geplanten digitalen Identität, bei der Sie Zugang zu bestimmten Internetangeboten nur noch über die Vorlage eines Ausweisdokuments erhalten werden, was im Übrigen Messenger-Dienste einschließen könnte, hätte die EU-Kommission bereits ihr Ziel erreicht.

Die Juncker-Lösung

Wir werden also aller Wahrscheinlichkeit nach eine typische EU-Lösung in der Frage der Überwachung privater Kommunikation erleben. Es ist das Juncker-Modell, bekannt geworden und gepärgt durch den ehemaligen EU-Kommissionpräsidenten Jean-Claude Juncker: Oppositionelle Stimmen werden ignoriert oder mit einem Trojanischen Pferd kalt gestellt, bis das Interesse der Öffentlichkeit abgeflaut ist, und man seine Ziele widerstandslos umsetzen kann.

Der Vorschlag einer freiwilligen Kontrolle privater Chats öffnet die Tür, die Anbieter von Messengern wie WhatsApp oder Signal unter fadenscheinigsten Gründen unter Druck zu setzen und unter der Androhung von Strafen bis hin zum Bann in das Compliance-Schema der EU zu zwingen.

Dass sich Brüssel nicht davor scheut, seinen Überwachungsfetisch materiell durchzusetzen, zeigt der anhaltende Streit mit amerikanischen Kommunikationsplattformen wie X oder Meta. Diese sehen sich regelmäßig massiven Rechtsstreitigkeiten und Strafandrohungen durch die EU-Behörde ausgesetzt, da sie sich weigern, die Zensurregeln des Digital Services Act umzusetzen – ein Konflikt, der längst die höchste diplomatische Ebene zwischen Washington und Brüssel erreicht hat.

Keine öffentlichen Debatten

Was in den vergangenen Tagen vor der Abstimmung sehr auffällig war, ist das dröhnende Schweigen in den Staatsmedien und im staatsaffinen Mediensektor in dieser Frage. Es ist offensichtlich, dass man unter allen Umständen eine breite öffentliche Debatte und mögliche Proteste der Bürgerrechtsgruppen vermeiden will.

Es liegt nun mehr denn je am Einzelnen, technische Vorkehrungen zu treffen und sich auf die wahrscheinlich nicht mehr abwendbare Bespitzelung durch EU-Behörden vorzubereiten. Die Anbieter von VPNs und verschlüsselter Kommunikation dürften schon bald auch in der EU eine Sonderkonjunktur erleben, sollte der EU-Spitzelstaat tatsächlich Wirklichkeit werden. Noch besteht ja die Hoffnung, wie bei der offensichtlich überkomplexen Einführung des digitalen Kontrollgeldes, das die fußlahme EU-Bürokratie über ihre eigenen Beine stolpert und auch dieses Projekt im Sande verläuft.

Machen Sie dennoch Gebrauch vom Instrumentenkasten, der uns vor den EU-Schlapphüten schützen kann. Zeigen Sie dem Zensor die rote Karte. Sie sind in dieser Frage kein Einzelkämpfer.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 12 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

12 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Silverager
18 Tage her

Wer, bitte, sind diese ominösen „Botschafter der EU“? Ich höre zum ersten Mal von derartigen „Botschaftern“.
In welchen Ländern sind diese „Botschafter“ tätig? Seit wann gibt es diesen eigenartigen Beruf und wie viele sind es überhaupt? Was machen die den ganzen Tag?

Gottfried
18 Tage her

Mit Demokratie und Rechtsstaat hat das alles nichts mehr zu tun.

pcn
18 Tage her

Hier tut sich ein Markt auf für Sicherheitssoftware und Anti-Spy-Software gegen solche Spitzel, wie die v.d.Leyen in die Schranken weisen werden. Die Chat-Kontrolle wird damit zu einer Waffe, die nach hinten losgeht, sollte diese Frau die Spitzelwaffe triggern. Das Schöne an der Digitaltechnik ist, dass sie auch herrschsüchtigen Kreaturen ohne Ansehen der Funktion und Person ziemlich zusetzen kann. Denn sie hat unendliche Möglichkeiten, die nur noch durch findige Softwareunternehmen heraus gekitzelt werden müssen. Man muss sich das einmal vorstellen, ein junges Paar postet ein ganz privat adressiertes Foto von ihrem jüngsten Nachwuchs auf Signal oder WhatsApp, und schon steht das… Mehr

Britsch
18 Tage her

Wie kann es sein, daß eigentlich die Angestellten des Volkes, die Rechte des Volkes einschränken können?
Eigentlich ist doch Deren Aufgabe zu machen was das Volk will und nicht umgekehrt
Zeit für Aufstand, Revolution

Last edited 18 Tage her by Britsch
Iso
18 Tage her

„Ursula von der Leyen hat großes Interesse daran zu erfahren, was Sie in ihrem privaten Umfeld umtreibt.“ Diese Aussage könnte man schon als Satire werten. Über alle Portale hinweg, gab es schließlich Milliarden von Beiträgen, die einfach gut waren. Allerdings wurde nur das umgesetzt, was die Gesamtsituation nur negativ beeinflusst hat. Mit der EU gewinnt man bestimmt keinen Preis für Fortschritt und was die Leute so schreiben, ist im hohen Maße eine Art Gratisexpertise, die auf eine Textur geistiger Ignoranz trifft.

Lesterkwelle
18 Tage her

Wieder eines der Beispiele vom perfiden Vorgehen der EU-Kommission getreu Junckers Devise „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter.“ Heimlch, still und leise, die Regierungen machen mit und dann klappt die Falle zu. Weil die meisten nicht begreifen, weil die Mainstream-Medien das Thema nicht anruehren, weil die breite Information fehlt und die fatalen Auswirkungen nur wenigen bekannt sind. Das ist EU-Demokratie! Gegen die vorgeblichen „Werte“ der… Mehr

wackerd
18 Tage her

Auch das Schlupfloch der VPNs wird irgendwann geschlossen. China ist schon lange der heimlich bewunderte Vorreiter von unbegrenzten Bürgerkontrollen und sogenannten Social Credits, mit denen ein autoritärer Staat mit seinen Bürgern machen kann, was er will. Dazu dann noch die Abschaffung des Bargelds und das war es dann. Man muss keinen missliebigen Bürger mehr einsperren. Es reicht, wenn er nicht mehr online kommunizieren kann, nicht mehr einkaufen kann und er seine Anstellung verliert. Fahrerlaubnis und Restaurantbesuche, Kinobesuche werden ihm verboten. Das alles ist heftiger als Knast. Orwell scheint die Lieblingslektüre der EU-Beamten zu sein.

Boudicca
18 Tage her

Frau von der Leyen ist halt auch sehr sensibel.

Sanijo
18 Tage her

Die Europäische Union hat keinen EU Botschafter zu stellen, die EU ist kein Land! Nur Länder haben einen Botschafter!

Wuehlmaus
18 Tage her

Als Bürger hätte ich eher ein Interesse daran, das Amtsträger SMS- und Emails nicht löschen können, vor allem nicht, wenn dort Verträge ausgehandelt wurden.
Man wird ja noch träumen dürfen.