EU-Asylreform: Neuer Familienbegriff bringt noch mehr „Flüchtlinge“

Thorsten Frei, stellvertretender Vorsitzender CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Migrationsexperte, warnt vor dem Entwurf der Asylreform, wie er von der EU vorgelegt wurde. Insbesondere ein neuer Familienbegriff könnte noch mehr „Flüchtlinge“ nach Deutschland bringen.

imago Images/Christian Spicker

Alexander Wallasch: Was glauben Sie, wie mehrheitsfähig innerhalb der Union bzw. der GroKo-Regierung ist Ihre in wichtigen Punkten kritische Haltung gegenüber dem Konzeptpapier zur EU-Asylreform?

Thorsten Frei: Ich glaube, es besteht in unserer Fraktion Konsens, dass eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems kein Selbstzweck ist. Am Ende ist für uns nur etwas zustimmungsfähig, was den Status quo verbessert.

Es ist ja nicht so, dass Sie hier und da etwas am Papier kritisieren, Sie befürchten sogar eine generelle Verschlechterung, sollte die Reform wie vorgeschlagen umgesetzt werden. Was würde sich konkret ohne Nachbesserung verschlechtern?

Inhaltlich enthält der Kommissionsvorschlag Licht und Schatten. Sehr zu begrüßen ist, dass die Kommission einen Schwerpunkt auf an den Außengrenzen durchzuführende Asylverfahren und das Thema „Rückführungen“ legt. Nachbesserungsbedarf erkenne ich vor allem beim erweiterten Familienbegriff und bei der Bekämpfung der illegalen Binnenmigration, unter der Deutschland wie kein zweiter Staat in Europa leidet.

Glauben Sie überhaupt noch daran, dass eine illegale Migration nach Deutschland zukünftig zu stoppen bzw. auf legalem Wege zu steuern sein wird?

Ein ganz eindeutiges: Ja! Die Möglichkeiten politischer Gestaltung werden oft unterschätzt. Nur zwei Dinge auf dieser Welt sind – um mit Benjamin Franklin zu sprechen – unabwendbar: Der Tod und die Steuer. Alles andere ist gestalt- und damit politisch beinflussbar. Wenn dies im von uns bevorzugten europäischen Rahmen nicht gelingt, bleiben nationale Möglichkeiten.

Was hat es mit dem laut Konzeptpapier so genannten „erweiterten Familienbegriff“ auf sich?

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll künftig bei der Beantwortung der Frage, „welches Land ist in Europa für die Bearbeitung des Asylverfahren zuständig?“, ein Familienbegriff zugrunde gelegt werden, der auch volljährige Geschwister einschließt. Angesichts der hohen Zahl an Schutzbedürftigen, die Deutschland seit 2015 aufgenommen hat, steht zu befürchten, dass wir für einen großen Teil der in Europa gestellten Asylanträge von Antragstellern mit guter Bleibeperspektive zuständig werden würden. Gegen eine faire Lastenteilung unter allen europäischen Staaten ist nichts einzuwenden, aber dieser Vorschlag der Kommission ist inakzeptabel.

Wie bewerten Sie die wachsende Einflussnahme der Nichtregierungsorganisationen, der Kirchen und bis hin beispielsweise zum Deutschen Anwaltsverein, der Anwälte nach Lesbos schickt, die dort mit großem Aufwand und in großer Zahl Asylbewerber vertreten und Abweisungen verhindern?

Ich sehe diese Form der Rechtsberatung kritisch. Von den Grünen wird gar die Finanzierung der von NGOs in anderen EU-Staaten durchgeführten Rechtberatung aus dem Bundeshaushalt gefordert. Dazu kann ich nur sagen: In einer solchen Finanzierung würden unsere EU-Partner zu Recht eine Infragestellung ihrer Rechtstaatlichkeit und deutsche Bevormundung erblicken. Mit CDU und CSU wird es so etwas nicht geben.

Wenn Sie als Migrationsexperte der Union an dieser Stelle so konkret zum Mahner werden, wie unruhig muss der Bürger sein, was da in den nächsten Jahren auf ihn zukommt?

CDU und CSU haben den Menschen das Versprechen gegeben, dass sich 2015 nicht wiederholen darf. National haben wir dafür gesorgt, dass Migration geordnet, gesteuert und begrenzt wird. Die Zahlen belegen dies eindeutig. Dafür, dass das Prinzip von ‚ordnen, steuern und begrenzen‘ auch im europäischen Rahmen greift, arbeiten wir mit ganzer Kraft. Jede Reform der gemeinsamen europäischen Asylpolitik wird von unserer Fraktion deshalb daran gemessen werden, ob sie zu einer fairen Lastenteilung in Europa führt.

Vor allem in den sozialen Medien sind immer wieder Stimmen zu hören, die für die illegale Migration alleine die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hohe deutsche Grundsicherung verantwortlich machen. Stimmt das? Und wäre hier ein einheitliches europäisches System der Grundsicherung überhaupt machbar, um das abzuwenden? Allerdings sind die Lebenshaltungskosten nun mal nach wie vor unterschiedlich innerhalb der EU …

Art und Umfang der Sozialleistungen sind sicherlich einer unter mehreren Faktoren, die die illegale Binnenmigration beeinflussen. Um sie einzudämmen, sollten Aufnahmeleistungen für Asylsuchende grundsätzlich nur vom für das Verfahren zuständigen Mitgliedstaat zur Verfügung gestellt werden. Im unzuständigen Staat darf es höchstens noch eine Rückfahrkarte geben. Wenn wir EU-Bürgern, die zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen, Hartz-IV verweigern können, warum sollte das dann nicht auch im Falle von Asylbewerbern möglich sein, die bereits in einem anderen EU-Land einen Antrag gestellt haben?

Werden wir zukünftig um unangenehme Bilder noch herumkommen, so Abschiebungen tatsächlich in viel größerer Zahl durchgeführt werden sollen? Da gibt es ja im vorliegenden Konzept nach wie vor viele Unbekannte.

Rückführungen sind für alle Beteiligten unangenehm, doch wir werden diese Bilder aushalten müssen. Wenn wir es hinnehmen, dass geltendes Recht nicht vollzogen wird, werden wir das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat untergraben. Bei den Rückführungen geht es um ein eindeutiges Signal, ohne das eine Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung nicht möglich ist. Nur in dem Maße, in dem ausreisepflichtige Ausländer unser Land und Europa verlassen, wird deutlich: Wer nicht schutzbedürftig ist und gleichwohl einen Asylantrag stellt, hat keine Aussicht auf einen Aufenthalt und sollte sich am besten erst gar nicht erst auf den Weg in unser Land und nach Europa machen.

Was sind die wichtigsten Maßnahmen einen effektiveren Grenzschutz zu erreichen und wo sehen sie diese Maßnahmen bereits im vorliegenden Konzept zur EU-Asylreform?

Zu einem starken Außengrenzschutz gehört, dass niemand die europäischen Grenzen unbemerkt überschreitet; ein Asylverfahren direkt an der Außengrenze durchzuführen ist und im Falle einer festgestellten Nichtschutzbedürftigkeit die Person auch direkt von der Außengrenze zurückgeführt wird. Die Kommission macht hier mit den neuen Außengrenzverfahren einen wichtigen Schritt, setzt allerdings diesen Verfahren samt gerichtlicher Überprüfung eine 12-Wochen-Frist. In Griechenland sind solche Fristen bislang eine Illusion. Die Verfahren und der Rechtsschutz ziehen sich größtenteils über Jahre hin. Das gilt auch für andere Staaten. Die Kommission muss eine klare Antwort auf die Frage geben, wie die Einhaltung dieser Frist sichergestellt werden kann. Dazu gehört natürlich auch eine starke finanzielle und personelle Ausstattung von Frontex. Die ausgegebene Zielmarke von 10.000 Mitarbeitern bis 2027 reicht dazu bei weitem nicht aus.

Wie muss man sich konkret den Abstimmungsprozess der Union vorstellen, wie wird dieses Konzept diskutiert, wird es eine Art Gegenentwurf geben? Wie wird da die Zusammenarbeit mit den Fachleuten der Bundesregierung in der Sache laufen?

Die Union stellt mit Horst Seehofer den Innenminister, der unter der deutschen Ratspräsidentschaft die Verhandlungen zur gemeinsamen europäischen Asylpolitik führt. Mit ihm sind wir in allen Fragen zur gemeinsamen europäischen Asylpolitik bereits seit langem im Gespräch.

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Kommentare ( 141 )

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141 Comments
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Riffelblech
3 Jahre her

Was sich mir überhaupt nicht erschließt ,ist das Faktum ,das über die massenhafte Migration nach Europa und speziell Deutschland nicht weiter und tiefgründiger nachgedacht wird. Es ist doch kein Zufall ,das Bams 2012 ein Video hat produzieren lässt ,welches die Wege nach D. darstellt . Es ist doch kein Zufall ,das schon länger über die Aufweichung der politischen Stabilität in Mitteleuropa ,speziell D. , über die sog. Migrationswaffe ,oder Migrationskrieg ( Amerika. Denkfabrik) nachgedacht wird. Es ist auch kein Zufall ,das unter Mithilfe der UNO hunderte NGO ‚ s gebildet wurden ,die sich nur mit dem Migrationsziel Europa ,speziell D.… Mehr

Old-Man
3 Jahre her

„Migrationsexperte“,die Lachnummer schlecht hin!!.

Old-Man
3 Jahre her

Der Worte hör Ich viel,allein es fehlt der Glaube!. Bei mir verfängt sich dieses mit Kreide erzeugte Gesäusel nicht mehr,denn der Wolf der sich hier den Schafspelz überstülpt,der wird gar nichts bewegen,im Gegenteil,wenn es zum Schwur kommt,dann schwört er,aber für sein politisches Überleben an den von den Bürgern reichlich gedeckten Futtertrögen der Macht!!. Wir brauchen keine halbherzigen Reden,sondern absolutes Handeln,und zwar so,wie es vom Bürger erwartbar ist : kein weiterer Zuzug aus den arabischen und afrikanischen Slums,vom Hindukusch brauen wir auch keinerlei Bereicherung,konsequente Rückführung aller abgelehnten oder nur auf Zeit geduldeten,rigoroses Vorgehen gegen Schlepper,die sich als NGO-s ausgeben,Verbot der Beflaggung… Mehr

Old-Man
3 Jahre her
Antworten an  Old-Man

Herr Frei ist leider ein Beispiel dafür,wie eigentlich korrekte Politiker durch ein Machtstreben der Kollegen an ihrer Überzeugung gehindert,ja sogar zurück gepfiffen werden. Über Wolfgang Schäuble braucht man kein Wort mehr verlieren,er ist leider seit dem Attentat auf ihn nicht mehr derer einer,der sich für Einhaltung,sondern Aushöhlung des Rechtssystems stark macht,er ist zum primitiven Opportunisten verkommen,dieser einstmals so brillante Kopf , der früher einmal meine hohe Achtung besaß!. Das Ermächtigungsgesetz hat der Bundestag doch freiwillig mit der Veränderung des Seuchenschutzgesetzes gegeben,alle waren daran beteiligt,bis auf die AfD,aber niemand der Abgeordneten will oder kann es nun zurück drehen,denn dann wackeln ihre… Mehr

Auswanderer
3 Jahre her

Es kann nur die australische Lösung geben! An der Aussengrenze rein ins Lager und Antrag stellen! Bei Ablehnung Rückkehr egal wohin, bei Annahme müsste man sehen, wo die Person am besten aufgehoben ist. Grundbedingung für alle: Ohne Papiere oder guter Zusammenarbeit kein Asyl-Antrag möglich! Gleichzeitig müsste sich ein Aussenminister auch mal mit den Herkunftsländern einigen wie die Rückführung durchzuführen ist. Unser derzeitiger AM fliegt ja am liebsten nach NY zur UNO oder in den Iran; zumindest hat man so den Eindruck!

Armin Reichert
3 Jahre her

Die mit Abstand dümmste Bevölkerungsgruppe in diesem Land sind die CDU-Wähler.

Dreiklang
3 Jahre her

Vorsicht Trickser und Täuscher unterwegs, traue niemandem aus CDU/CSU. Wir hatten da einen Seehofer – vollmundige Sprüche 2015, nichts davon wurde später wahr – nur der „Kampf gegen rechts“ blieb übrig! Ein Söder, der angesichts eines (relativ) starken Abschneidens der AfD bei einer Landtagswahl von einer „Nahtoderfahrung“ redete. CDU/CSU haben den UN-Migrationspakt unterschrieben und betreiben letztlich die ständige Einwanderung in unsere Sozialsysteme. Wer das dediziert nicht will, hat es bei der Auswahl einer passenden Partei schwer – es gibt nicht viele, es gibt wenn überhaupt nur eine.

G. J.
3 Jahre her

Zitat: “Jede Reform der gemeinsamen europäischen Asylpolitik wird von unserer Fraktion deshalb daran gemessen werden, ob sie zu einer fairen Lastenteilung in Europa führt.” Eine faire Lastenteilung – im Sinne von Verteilung der Migranten auf alle europäische Länder – ist utopisch, und das wissen die Herren Politiker mit Sicherheit. Man reitet zwar weiter darauf herum, um einen schwarzen Peter zu haben. Damit kann man dann, indem man die Osteuropäer zu bösen Buben abstempelt, das Versagen der eigenen Politik kaschieren. Und es ist nicht nur die hohe Grundsicherung in Deutschland, sondern auch die wirtschaftliche Perspektive, die in Deutschland deutlich besser als… Mehr

Aufgewachter
3 Jahre her

Herr Frei versucht den Eindruck zu erwecken das es in der CDU eine Art bürgerliche Mehrheit gibt die sich dem Wohl des Volkes widmet. Leider ist genau dass Gegenteil der Fall, die CDU hat, betrachtet man deren handeln, unserem Land nachhaltig geschadet. Egal ob Stromerzeugung, Wirtschaft oder innere Sicherheit und damit einhergehend der soziale Frieden, alles was unsere Werte betrifft unseren Wohlstand begründet wurde seitens der Unionsparteien sabotiert.

RauerMan
3 Jahre her
Antworten an  Aufgewachter

Die Aussagen von Herrn Frei sollen Unions-Wähler, welche sich ihrer zukünftigen Wahl nicht sicher sind, beruhigen.
Es gibt zwar in der Union Kritiker, sie spitzen den Mund zum Pfeifen, stimmen letztendlich doch wieder dem vorgegebenen Unions-Tenor zu.
Diese schon länger zu beobachtende Taktik zielt auf den Stimmenerwerb von gutmütigen Glauben-Wollende.

Lizzard04
3 Jahre her
Antworten an  Aufgewachter

Völlig richtig! Und Folgendes zur Ergänzung:
„Wenn wir EU-Bürgern, die zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen, Hartz-IV verweigern können, warum sollte das dann nicht auch im Falle von Asylbewerbern möglich sein, die bereits in einem anderen EU-Land einen Antrag gestellt haben?“ Diese Frage stelle ich mir als Bürger spätestens seit 2015. Und warum passiert es nicht, wenn doch die Partei von Herrn Frei die Kanzlerin und die meisten Kabinettsmitglieder stellt? Gut gebrüllt Löwe, aber der Bürger will Taten sehen und diesbezüglich hat die Union bei mir jeglichen Glaubwürdigkeitskredit verspielt!

Old-Man
3 Jahre her
Antworten an  Aufgewachter

Leider hat jeder das Recht jeden Unsinn zu glauben,und was Herr Frei da von sich gab war purer Unsinn.
Ein jeder der den Kopf nicht nur zum Haareschneiden trägt,der noch nicht ideologisiert ist,der sollte diesen Leimpinseln nicht auf selbigen gehen.
Seit Jahren wird gerade von der Unionsseite der Bürger belogen und betrogen,das es auf keine Kuhhaut geht!.
Die kleine Handvoll Politiker,die noch für den Bürger,für das Land arbeiten und denken,die sind ein so kleiner Punkt im Universum der deutschen Politik,absolut unbedeutend,und selbst Habbel würde sie in diesem Polituniversum nicht finden!!.

Iso
3 Jahre her

Wie schon beschrieben, bedeutet Familie das ganze Dorf. Über die Jahre hat man sich untereinander verkuppelt, ist verschwagert und verschwägert. Was nicht verheiratet werden kann, weil das Brautgeld fehlt, wird zur nächsten NGO geschickt, und die bucht in Kabul schon mal die Plätze auf der Alan Kurdi.

Dr. Michael Kubina
3 Jahre her

Es gibt nur zwei effektive Maßnahmen: a) „Entrechlichung“ des Asylverfahrens, d.h. Prüfung, Entscheidung, Widerspruchsmöglichkeit, danach Anerkennung oder Abschiebung b) Nur Sachleistungen während des Asylverfahren. Wahrscheinlich würde es schon reichen, das weltweit zu kommunizieren ….