Ein Schlag gegen die Meinungsfreiheit

EU, Kommission und Parlament beurteilen nun, was schützenswerte und weniger schützenswerte kreative Leistung ist. Zensur.

Frederick Florin/AFP/Getty Images
Wenn Schüler die Welt retten wollen, sind die Regierenden dabei, wenn es darum geht, die Rechtsordnung der EU wieder ein bisschen chinesischer zu gestalten, dann stimmt eine Mehrheit von 348 Abgeordneten dem hoch umstrittenen Vorschlag zum Urheberrecht im EU-Parlament zu: gegen die Meinungsfreiheit. Gerade einmal 274 Abgeordnete stimmten dagegen bei 36 Enthaltungen: für die Meinungsfreiheit.

Der Antrag, noch Änderungen zu einzelnen Artikeln zu erlauben, wurde schon im vorhinein mit knapper Mehrheit zwar, aber regelrecht abgebügelt. Die so beschlossenen Richtlinien müssen nun von allen Mitgliedstaaten in nationale Gesetze gefasst werden. Passieren sollte das innerhalb der kommenden zwei Jahre.

Nun erinnert der Spiegel zu Recht daran, dass, was gerade für alle EU-Staaten verbindlich beschlossen wurde, im Koalitionsvertrag der GroKo explizit abgelehnt wurde. Dort heißt es quasi in Vorausplanung:

„Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Uploadfiltern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu ‚filtern‘, lehnen wir als unverhältnismäßig ab. Negative Auswirkungen auf kleinere und mittlere Verlage müssen vermieden werden.“

Der Spiegel kommentiert: „Trotz dieses klaren Neins zu Uploadfiltern soll Kanzlerin Angela Merkel (CDU) entschieden haben, den Weg für die Reform frei zu machen – auch auf Druck von französischer Seite hin.“

Bei der EU-Wahl sehen wir uns wieder
Ein schwarzer Tag für die Netzfreiheit, vor allem durch schwarze Stimmen
Eine der Konstrukteurinnen dieser EU-staatlichen Lobbyarbeit für die so genannten Leitmedien soll das Justizministerium von Katarina Barley (SPD) gewesen sein, die „in Brüssel federführend an der Reform mitverhandelt (…) und stellvertretend für die Bundesregierung dem umstrittenen Vorschlag zur Reform des Urheberrechts zugestimmt“ haben soll. Nun ist Barley SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl Ende Mai. Sie fühlte sich allerdings bemüßigt, auf Twitter zu betonen, sie hätte sich in der regierungsinternen Debatte für eine Streichung des umstrittenen Artikels 13 eingesetzt.

Ehrlich, wie muss man sich so etwas vorstellen? Wird das ebenfalls abgesprochen? Wird Barley also quasi hinter vorgehaltener Hand empfohlen, dass es besser aussehen würde für den EU-Wahlkampf, wenn sie sich vorsorglich distanziert?

So applaudieren die Regierenden in der EU gerne Schülerinnen und Schülern, die Freitags die Schule schwänzen, auf die Straße gehen, um für so etwas wie eine Verschärfung von Angela Merkels Umweltaganda zu demonstrieren, während der Protest von Fachleuten, von Wissenschaftlern aus dem Fachgebiet Urheberrecht und weiteren einhunderttausend Menschen alleine in Deutschland abgewatscht wird unter aktiver Mithilfe der Bundesregierung, die nebenbei Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag mit Füßen tritt – alles nicht so wichtig.

— Psychodoll (@1991_mirage) March 23, 2019

Den Schaden haben nun vor allem kleinere Plattformen, deren innovative Ideen wie zukünftig digital kommuniziert wird, durch diese Urheberrechtsreform empfindlich geknebelt werden. Die Frankfurter Allgemeine geht in ihrer Empörung sogar noch weiter, wenn die Zeitung ein Gerücht transportiert, dass in Berliner Digitalkreisen schon länger debattiert wird: „Demnach soll Deutschland auch deshalb den Kompromiss mittragen, weil diese Haltung mit einem vollkommen anderen Projekt verknüpft wurde, nämlich mit einem Zugeständnis Frankreichs im Streit um die Nord-Stream-2-Gaspipeline. So schätzt es jedenfalls ein mit der Sache befasster Beamter ein.“

Das ZDF erklärte heute in einem sehr sachlichen Kommentar noch einmal, um was es überhaupt geht, was das EU-Parlament da eigentlich genau verbockt hat: „Die Reform besagt, dass sich große Internetplattformen wie YouTube künftig bei Urhebern die Genehmigungen einholen müssen, bevor sie mit deren Musik zum Beispiel Geld verdienen. Wie sie das genau machen, legten die Abgeordneten nicht fest.“ 

Ein Kernsatz: „… mehr Schutz für Urheber und Bewahrung der Meinungsfreiheit? Wird es nicht geben, Inhalte werden einfach rausfliegen, statt besser vergütet zu werden.”

Das Urteil der öffentlich-rechtlichen Kommentatorin fällt vernichtend aus: „Die Arroganz, mit der manche Politiker die Kritiker, die fünf Millionen Unterzeichner einer Online-Petition gegen die Reform und die Zehntausenden Demonstranten vom vergangenen Wochenende behandeln, machen sprachlos.“

In den Social Media heißt die Losung: #niewiedercdu und #niewiederspd.


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