Die panische Wand

Kulturstaatsminister Wolfram Weimar sieht sich in der „European“-Affäre als Opfer einer ‚rechten Kampagne‘. Diese Abwehrtechnik gehört in Brandmauer-Deutschland zur Routine: wer „Angriff von rechts“ ruft, will sich die Argumente sparen.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Bei der so genannten Spanischen Wand handelt es sich um einen Raumteiler, der Sichtschutz bietet und außerdem „gegen unangenehmen Luftzug“ abschirmt, wie es in der Definition für die französische Variante heißt, den Paravent. In der deutschen Politik heißt der große Raumteiler bekanntlich Brandmauer. Sie erfüllt ihre Schutzfunktion ausweislich der Wahlumfragen offenbar immer schlechter. Daneben gibt es noch eine kleinere Ausführung der Brandmauer: die panische Wand. Hier geht es, siehe oben, vor allem darum, etwas dem Blick zu entziehen, was sich nicht schnell genug forträumen lässt.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer beispielsweise braucht die Dienste der panischen Wand in diesen Tagen sehr dringend. Zu seinem bei genauerem Hinsehen doch sehr kleinen „Verlagsimperium“ gehört auch die Plattform „The European“, die, wie sich jetzt herausstellte, jahrelang Texte prominenter und teilprominenter Zeitgenossen ohne deren Wissen veröffentlichte, etwa von AfD-Chefin Alice Weidel, dem früheren Papst Benedikt XVI und Brad Pitt, aber auch Publikationen des österreichischen Plagiatsforschers Stefan Weber.

„The European“ veröffentlichte die Texte nicht nur, sondern gab deren Urheber, die von ihrem Glück nichts ahnten, obendrein als seine Autoren aus, und kapitalisierte die Beute, indem er Sponsoren vormachte, er würde über ein großes und bedeutendes Autorennetzwerk verfügen.

Für diese Praxis trägt Weimer als Verleger die Verantwortung, auch wenn er nie als Chefredakteur des „European“ amtierte. Der gleiche Wolfram Weimer hielt nun auf der Frankfurter Buchmesse eine Flammenwerfer-Ansprache gegen die großen Techplattformen; sein Vorwurf lautete, sie würden das geistige Eigentum von anderen zu ihrem finanziellen Nutzen ausbeuten. Diese Praxis nannte der Kulturstaatsminister „geistigen Vampirismus“.

Dieses dumme Zusammentreffen von eigenem Geschäftsmodell und Polterrede bringt den Politiker nun in eine erhebliche Zwicklage.

Hier kommt nun die panische Wand zum Einsatz, und zwar folgendermaßen: Die unautorisierte Nutzung fremder Texte durch Weimers Verlag deckte der Journalist Alexander Wallasch auf, in der Folge schrieben auch TE und Nius über die Affäre. Diese Medien stehen zweifellos nicht links. Außerdem findet auch Alice Weidel ihre Deklaration als Gratisautorin des „European“ nicht komisch. Folglich handelt es sich um einen rechten Angriff. Darin besteht die einzige Funktion der panischen Wand: Sobald die Kritik von rechts durchdringt, entfällt für denjenigen, der in einem selbst eingebrockten Schlamassel steckt, jede Notwendigkeit, irgendein Verteidigungsargument in der Sache vorzubringen. Denn von rechts kommt nie Kritik, sondern immer nur ein Angriff beziehungsweise eine Kampagne, die dem Angegriffenen automatisch einen Opferstatus verleiht.

In der Erklärung der „European“- Redaktion klingt das dann so: „Es wirkt auf uns wie eine Kampagne rechter Kreise aufgrund von Wolfram Weimers Kritik an den amerikanischen Tech-Konzernen auf der Buchmesse.“ Also: eigentlich schlagen hier Mark Zuckerberg und Elon Musk zu; dass der „European“-Redaktion früher, ehem, räusper, „handwerkliche Fehler“ beim Umgang mit dem Urheberrecht unterlaufen sind, „die wir bedauern“, hat mit der ganzen Chose nichts, aber auch gar nichts zu tun. Die taz, die Weimer bis eben noch als erzkonservativen Gottseibeiuns malte, springt dem Minister bei, indem sie ihren Text über die Affäre des Ministers und Verlegers mit der Überschrift versieht: „Druck von rechts“. In gewissen Grenzen funktioniert die panische Wand also.

Vor Wolfram Weimar benutzten schon viele andere das Abwehrgerät. Beispielsweise die gescheiterte SPD-Verfassungsgerichtskandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Ihre Auffassung, dass dem ungeborenen Leben keine Menschenwürde zukommt, gab sie zwar selbst zu Protokoll, genauso wie ihr Plädoyer zur Abschaffung des Ehegattensplittings und für geschlechtsquotierte Wahllisten. Mit allen Punkten steht sie objektiv quer zum Grundgesetz und zu Verfassungsgerichtsurteilen. Damit setzten sich vor allem liberal-konservative Medien kritisch auseinander, also die üblichen Verdächtigen. Flugs stand die panische Wand: Angriff von rechts. Auch noch auf eine Frau. Also volle Solidarität; wer die nicht subito zeigte, enttarnte sich damit automatisch als Teil der Verschwörung. Die ZDF-Nachrichtenfrau Dunja Hayali behauptete in einem nicht als Kommentar gekennzeichneten Kommentar gleich zu Beginn der heute-Sendung, über das Opfer Brosius-Gersdorf würden „unzählige Falschbehauptungen“ kursieren, und blendete dazu Screenshots der Medien Tichys Einblick, Apollo und Nius ein. Auch auf Nachfrage konnte sie nicht beantworten, um welche Falschbehauptungen es sich ihrer Meinung nach handeln sollte.

Apropos Hayali und ZDF: als sie und ihr Kollege Elmar Theveßen unbelegte beziehungsweise nachweislich falsche Behauptungen über den ermordeten Charlie Kirk ausstreuten und sich damit breite Kritik zuzogen, hieß es vom ZDF umgehend, man werde „von rechts“ angegriffen, sei also Opfer, und hätte sich deshalb nichts vorzuwerfen. Das trifft nämlich ausnahmslos auf alle zu, die hinter einer panischen Wand sitzen. Das Universalmöbel stellte seinerzeit auch die Wahlkämpferin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auf, als die – ja was wohl – rechten Publizisten Hadmut Danisch und Don Alphonso den Blick auf den zurechtgesponnenen Lebenslauf der Politikerin lenkten. Dann kam noch die Sache mit ihrem Buch dazu, das ihr Ghostwriter mit Plagiaten vollstopfte. Auch hier handelte es sich selbstredend um eine rechte Kampagne, einen Angriff, eine Verschwörung, um eine starke linke Frau zu Fall zu bringen.

Über bestimmte Themen schreiben nun einmal nur Medien, denen linke Journalisten das Etikett ‚rechts‘ verpassen. Keine ARD, keine „Süddeutsche“, kein SPIEGEL hätte von sich aus über den aufgeplusterten Baerbock-Lebenslauf geschrieben, genauso wenig, wie sie ein kritisches Wort über Brosius-Gersdorf vorgebracht sendeten oder druckten. Da nur die „rechten“ Medien bestimmte Themen überhaupt aufgreifen, schließt sich der Zirkel, beziehungsweise es erhebt sich die panische Wand jedes Mal ganz von selbst.

Es gibt nur ein Problem mit dieser Abwehrtechnik. Sie erzeugt zwar eine Solidarisierung der ohnehin Überzeugten. Ausnahmsweise funktioniert sie auch bei einem Kulturstaatsminister, den die Grünen jetzt gegen „den rechten Angriff“ verteidigen, wofür er sich dankbar und dann irgendwann auch erkenntlich zeigen dürfte.

Die panische Wand weist aber auch darauf hin, dass jemand etwas verstecken will. Sie markiert also das Versteck, die Größe des Schutzschirms verrät außerdem ungefähr das Ausmaß des Misthaufens, der dahinter liegt.

Von dort her dringt auch der unangenehme Luftzug in die Öffentlichkeit. Da würden selbst drei hintereinander gestaffelte Wände nichts nützen.

Ganz nebenbei: was heute als „Angriff von rechts“ gilt, nannte sich früher einmal Wächterfunktion der Medien. Jedenfalls vor der zweiten deutschen Teilung durch die Brandmauer.

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Kommentare ( 42 )

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Peter Pascht
1 Monat her

Kulturstaatsminister Wolfram Weimar – „Professor Unrat“ – Heinrich Mann Eine bissige Satire der kleinbürgerlichen Lügen-Doppelmoral Aber die Fassade der kleinbürgerlichen Doppelmoral ist dreckig und rissig, „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“ Gymnasialprofessor „Unrat“ tyrannisiert seine Schützlinge, wo er nur kann, was ihm seinen Spitznamen einträgt. Um einen aufmüpfigen Schüler bloßzustellen, folgt er einem verführerischen Hinweis in ein zwielichtiges Vergnügungslokal. Dort verfällt er selbst einer jungen Tänzerin aus dem dunkellicht Millieu.. Da wird die Fassade der kleinbürgerlichen Doppelmoral rissig und das Ende des Tyrannen beginnt. »Professor Unrat« ist neben dem »Untertan« Heinrich Manns schärfster satirischer Angriff auf die damalige… Mehr

Peter Pascht
1 Monat her

Brandmauer ? Mit Trennmauern kennen die Kommunisten sich bestens aus.
Nach 35 Jahren schon wiede eine Trennmauer ?
„Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“

Mein Name ist Lohse
1 Monat her

Herr Weimer ist eine Randnotiz in der Weltgeschichte….warum sitzt Frau Merkel noch nicht im Gefängnis?

hansgunther
1 Monat her

Man fragt sich immer wieder. Wie funktioniert die gezielte „Schlechtauswahl“ der Zinker, Täuscher und Propagandagranaten in der Politik? Jeder Regierungswechsel spült die nächsten korrupten Falsch- und Hütchenspieler und Idioten nach oben, so als wären sie schon immer das Fundament dieses Staates gewesen. Mit der Selbstverständlichkeit eines Esels, der die angebundene Mohrrübe vor seiner Nase nicht erreichen kann, tauchen diese subversiven, geldgeilen und absolut nichtssagenden Gestalten auf und bilden sich ein, eine Regierung für ein 80-Millionen-Volk leisten zu können. Was sie können, ist Destruktion und Zerstörung, als angeborenes Versagertalent sonst nichts. Wie finden die Roßtäuscher ganz oben die faulsten Eier der… Mehr

Last edited 1 Monat her by hansgunther
Franz Reinartz
1 Monat her

Was soll man zu einem Minister sagen, der sich als Lichtgestalt bürgerlicher Wohlanständigkeit aufspielte, damit kokettierend, mal bei WeLT und Cicero gearbeitet zu haben und in keiner Partei zu sein? Im Gegenlicht zur bunten Paradiesvogelgestalt seiner Amtsvorgängerin erschien er verläßlich. Dass sein Haus nur äußerst zögerlich vom offenen Antisemitismus ließ, mochte man noch der Trägheit des Apparates zuschreiben. Dass sich die Finanzströme immer noch reichlich über die Linke ergießen, ist nun nicht mehr nur mit langfristigen Verträgen zu erklären, sondern scheint Methode zu haben. Vollends unglaubwürdig die Philippika wider die US-Tech-Konzerne als „Vampire“ am Kulturgut des Geistes. Und das von… Mehr

bfwied
1 Monat her

Was haben die bloß für ein Personal, dabei hochbezahlt und privilegiert, Lügner, Betrüger, Nichtskönner, nicht alle, aber viel, sehr viel zu viele. Und die oberste Hochstapelnde dieser gesamten linksgrünen Blase und unverdrossen Angeberische merkt – naturgemäß – nicht im Entferntesten, wie furchtbar peinlich für jeden denkenden Deutschen ihr Benehmen und ihre „Geistesblitze“ sind.
Angesichts der anhaltende Misere kommt man nicht umhin, zu kräftigen, unschönen und unhöflichen Worten zu greifen, denn es ändert sich gar nichts, die machen weiter, immer dreister und brutaler im Einsatz ihrer Macht.

Guzzi_Cali_2
1 Monat her

Es war vielleicht nur die drittbeste Idee von Weimer, sich ausgerechnet bei dem Plagiatsjäger Weber sowie bei Alice Weidel zu bedienen.

Haeretiker
1 Monat her

Wird Weimer der erste Merzgefallene? Es bleibt auf alle Fälle spannend.

Digenis Akritas
1 Monat her

Bis jetzt wurde noch jeder enttarnt! Auch vermeintlich konservative Hoffnungsträger.

Hueckfried69
1 Monat her

Ich wage mal eine steile These: Immer mehr Wähler mögen Kampagnen „von rechts“ und wollen eigentlich mehr davon. Hauptsache, es trifft die Richtigen.