Eine schlechte Note für ein Lokal oder einen Friseur ist bei Google Maps oft fast so schnell wieder gelöscht, wie sie gepostet wurde. Deutschland ist Weltmeister bei der Zensur von Rezensionen wegen angeblicher „Beleidigung“.
picture alliance/dpa | Jennifer Weese
Online-Bewertungen in Deutschland sind praktisch wertlos. Das liegt an einer unheilvollen Allianz zwischen der meinungsfeindlichen Gesetzgebung der EU und der hysterischen Überempfindlichkeit bei uns.
99,98 Prozent aller Posts, die in der gesamten EU wegen „Beleidigung/Verleumdung“ gelöscht werden, werden bei uns gelöscht.
Das Problem kennt so ziemlich jeder, der in Deutschland mal eine eher negative Bewertung zum Beispiel bei Google Maps hinterlegt hat: Wenn man weniger als vier Sterne gibt, bekommt man früher oder später – meistens früher – eine Benachrichtigung, dass der Post wegen „Beleidigung/Verleumdung“ („defamation“) gelöscht wurde.
Dabei spielt es gar keine Rolle, ob man tatsächlich eine richtige Rezension geschrieben – oder nur die Sterne-Bewertung gepostet hat.
In den meisten Fällen behaupten die Restaurants oder Boutiquen schon bei einer nur mittelmäßigen Bewertung, dass der Kunde in Wahrheit gar nicht da war und die Rezension frei erfunden ist. Wenn man auf Nachfrage keinen Beleg übermittelt, wird behauptet, dass es sich um „defamation“ handelt.
Dann ist die Plattform, auf der die Rezension veröffentlicht wurde, dazu gezwungen, den Post zu löschen. Das gilt für den unangefochtenen Marktführer Google Maps, aber auch für alle anderen wie eBay, Facebook, Trustpilot usw. – und es gilt nicht nur für Restaurantkritiken, sondern für alle Bewertungen, zum Beispiel auch für Ärzte, Autowerkstätten oder Nagelstudios. Für alles eben, was man online bewerten kann.
Das Problem explodiert förmlich am Schnittpunkt von zwei fatalen Fehlentwicklungen:
Zum einen hat die EU mit ihrem „Digital Services Act“ (DSA) ein Bürokratiemonster zur systematischen Meinungsunterdrückung geschaffen. Die Verordnung gilt für alle digitalen Dienste, die in der EU angeboten werden – zum Beispiel für die Sozialen Netzwerke, für Suchmaschinen und für Online-Marktplätze. Offiziell soll der DSA „die Internetnutzer schützen, illegale Inhalte und Desinformation auf Plattformen bekämpfen und die Grundrechte stärken, zum Beispiel die Meinungsfreiheit“.
In Wahrheit tut der DSA, wie so oft in der EU, das genaue Gegenteil.
Zum anderen wurde diese juristische EU-Missgeburt bei uns durch das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) in nationales Recht umgesetzt. In typisch deutscher Gründlichkeit haben wir dabei alles nur noch schlimmer gemacht. Die Brüsseler Geringschätzung der Meinungsfreiheit bildet nun mit dem zeitgenössischen deutschen Wesen eine absolut verhängnisvolle Allianz.
Die Katastrophe, die da angerichtet wird, lässt sich in zwei Zahlen zeigen.
Auf die von ihr ausgelösten Löschorgien im Internet ist die EU so stolz, dass sie penibel Buch darüber führt und sogar eine spezielle Website eingerichtet hat. Da kann jedermann jederzeit abrufen, wie viele Posts auf welcher Plattform in welchem Land aus welchem Grund gelöscht wurden.
In den vergangenen sechs Monaten wurden bei Google Maps zum Stichtag 23. September 2025 so viele Posts mit dem Grund „defamation“ (also Beleidigung/Verleumdung) gelöscht:
In der EU (ohne Deutschland): 396
In Deutschland: 1.197.096 .
Das ist kein Schreibfehler. Auf der entsprechenden EU-Website kann das jeder selbst überprüfen. Die Zahlen ändern sich ständig leicht, weil die Website fortlaufend aktualisiert wird. Aber das Zahlenverhältnis bleibt immer praktisch unverändert. Auch wenn man andere Plattformen wie eBay mit dazu zählt, erhöhen sich beide Zahlen, aber ihr Verhältnis ändert sich nicht.
Im Internet wird dieses Phänomen von Nutzern aus ganz Europa gerade heftig diskutiert. Als Erstes fällt dabei auf, dass buchstäblich unzählige Menschen selbst darüber berichten können, dass ihnen mindestens eine schlechte Bewertung irgendeines Geschäfts in Deutschland schon einmal gelöscht wurde.
Natürlich gibt es auch hier eine andere Seite der Medaille: Internet-Trolle, die tatsächlich unberechtigte schlechte Bewertungen abgeben. Wenn ein Restaurant einer sechsköpfigen Gruppe an einem Freitag- oder Samstagabend ohne Reservierung keinen Tisch mehr freimachen kann, dann ist es schon unverschämt, dem Lokal dafür aus Rache bei Google Maps nur einen Stern zu geben.
Aber in den allermeisten Fällen läuft es eben genau andersherum: Normale Bewertungen von Kunden, die auch nachweislich da waren, werden wegen angeblicher „defamation“ gelöscht – weil sich der Wirt selbst für besser hält als seine Gäste. Ein Ingenieur schreibt dazu auf der Plattform LinkedIn: „Deutschland ist nicht gut beim Service, und Deutschland ist nicht gut bei der Digitalisierung. Die Kombination von beidem ist vorhersehbar ein Desaster.“
Inzwischen hat sich rund um Online-Bewertungen eine eigene kleine Industrie gebildet. Ihr Geschäftsmodell besteht darin, negative Reviews gegen Bezahlung entfernen zu lassen. Nicht nur die FDP-Jugend hat erkannt, dass man Meinungsunterdrückung auch merkantilisieren kann.
Je mehr sich herumspricht, wie unzuverlässig das ganze System vor allem in Deutschland ist (weil hier so inflationär gelöscht wird), desto weniger Menschen wollen sich überhaupt noch auf Plattform-Rezensionen verlassen. Oder sie kreieren ihren ganz eigenen Algorithmus, so wie Steven Renwick. Der in Berlin lebende britische Unternehmer hat diesen Ansatz gefunden:
„Im Ergebnis sind die Restaurants mit einer Durchschnittsbewertung von um die vier Sterne am glaubwürdigsten. Da weiß man zumindest, dass der Laden nicht systematisch schlechtere Bewertungen löschen lässt.“

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Ich finde bei online-shops diese Aufforderungsmails, eine Bewertung abzugeben, überaus lästig. Oftmals kommen sogar noch „Erinnerungsmails“ hintennach.
Ich gebe keine Bewertungen und lese auch keine. Wenn es um mehr als 50 Euro geht, schau ich mir aber wohl das Impressum an, wer da Geschäftsführer ist, die Firmendaten bei Northdata seit wann der Laden existiert und die Beteligungen und wo der Geschäftssitz ist bei google maps. Reihenhaussiedlung geht schonmal gar nicht.
Mache ich genau so, bilde mir selber ein Urteil
Einzig richtiges Vorgehen.
Nach dem Lesen dieses Artikels habe ich direkt meine vor 2–3 Jahren bei „tripadvisor.de“ abgegebene Bewertung eines extrem schlechten Restaurants noch mal überprüft.
Und was muss ich feststellen? Die Bewertung wurde doch tatsächlich inzwischen komplett gelöscht, nachdem sie zunächst einige Monate online war.
Das betreffende Restaurant hat jetzt nur noch eine einzige halbwegs aktuelle Bewertung aus 2024, eine aus 2020 und dann nur noch welche aus 2016 und noch älter. Was für ein Nepp!
Also nahezu sämtliche Löschungen finden in Deutschland statt. Oder: Das Gesetz wird nirgendwo nennenswert angewandt, eigentlich nur in Deutschland.
Ursache? Wir halten uns an die Gesetze, die uns vorgegeben werden, selbst wenn sie nichts taugen. Hang zum Perfektionismus, auch bei der Bewertung von Meinungen – und da ist Perfektionismus eben absurd.
Schon mal eine Seife aus Italien gekauft und nachgesucht, welche Inhaltsstoffe da verwendet worden sind? Da steht ein bisschen Tallowat, Wasser und so oder auch gar nichts. Und? Klagt einer?
Danke für diesen informativen Artikel.
Wenn bei einem Produkt oder bei einer Dienstleistung keine schlechten Bewertungen dabei sind, dann sind die 4 und 5 Sternebewertungen kompletter Fake. Ausnahme: Es sind nur sehr wenige Bewertungen. Ein Inhaber, der schlechte Bewertungen löschen lässt, ist absolut unseriös. Ein guter Wirt kommentiert schlechte Bewertungen. Die Schlechtbewerter machen nämlich oft Fehler. Die waren dann in Frankreich Montags im Restaurant (dort ist wie hier Montags Ruhetag außer in der Hauptsaison in Touristengebieten und zwar viel konsequenter als bei uns, wo auch mal an anderen Tage Ruhetag ist), haben Dinge gegessen, die es dort gar nicht gibt oder waren mittags essen obwohl… Mehr
Ich nutze Bewertungen durchaus, um mir ein Bild zu machen, vor allem bei Hotelbuchungen. Da gibt es in den Kommentaren viele nützliche Hinweise, aus denen man einiges erfahren kann. Ist die Klimaanlage laut ? Kann das Fenster geöffnet werden.
Die schlechten Bewertungen von „Meckerfritzen“, die kaum zufrieden zu stellen sind, erkennt man i.d.R. schon an der Wortwahl und können unbeachtet bleiben.
Ich bewerte eher selten, eigentlich dann, wenn mir etwas gut gefällt und ich die Leistung überhaupt einordnen kann.
Diese Erfahrung konnte ich auch schon machen. Habe ein Restaurant mit 3 Sternen bewertet, im Text dagegen eine Lobeshymne verfasst. Das Essen war spitze, die Örtlichkeit phantastisch gelegen und die Toiletten sehr sauber. Kurz: eigentlich 5 Sterne. Aber die Portionen waren so klein, dass man nach dem Essen noch Hunger hatte. Und dafür war der Preis dann äußerst hoch. Genau das habe ich bei der Bewertung beschrieben. Ca. 4 Jahre später ließ der Betreiber die Bewertung mittels eines Rechtsanwalts bei Google löschen. Die Begründung war ulkig: Der Betreiber bezweifelt, dass ich überhaupt dort zu Gast gewesen bin. Ich solle das… Mehr
Man muss lernen damit umzugehen:
Wenn irgendwas keine begründeten kritischen Bewertungen oder 99% Höchtspunktzahl hat, dann kann man da nicht kaufen.
Die Bewertungen von Restaurants kann ich ohnehin nicht ernst nehmen. Da fotografieren Gäste ihr TK-Fertiggericht, wollen offensichtlich zeigen, dass sie es sich leisten können und schwärmen dann noch von der tollen Qualität. Ein wichtiger Schritt in Richtung Bewertbarkeit wäre eine Verpflichtung zur Ausweisung von Konservierungsstoffen und anderen Zutaten, die ein Gericht leicht als Convenience-Produkt erkennbar machen. Diese Produkte schmecken mittlerweile oft erstaunlich gut, aber es wäre doch schön zu wissen, dass z.B. der seit geraumer Zeit nahezu flächendeckend angebotene Kaiserschmarrn eben in vielen Restaurants weder frisch zubereitet, noch hausgemacht ist.
Ich habe in 2025 insgesamt 6 Bewertungen über Hotel-Gastronomie und Dienstleitungen ( es ist auch ein Arzt dabei) geschrieben. Bisher ist noch keine gelöscht worden, weil ich niemanden persönlich diffamiere sondern in der Lage bin Sachkritik zu üben. Mir scheint, dass zu viele Leute dies nicht auseinanderhalten können. Dies heißt natürlich nicht, dass ich nicht die eine oder andere Person, Inhaber oder Angestellter, für inkompetente Idioten gehalten habe – dies war aber nie Teil meiner Bewertung. Meine Bewertung bezieht sich nur auf die Leistung.
Mein -rein individuelles- Problem ist, daß ich mir bewusst bin, manche Dinge gar nicht beurteilen zu können.
Deshalb habe ich mir angewöhnt, persönlich mit meinen Mitmenschen zu sprechen. Und in den meisten Fällen stellte sich dann heraus, daß meine Kritik eher subjektiver Natur war. Und der sehr schöne Nebeneffekt dabei ist, daß ich dadurch eine deutliche Entschleunigung erfahren habe 😉
Das denken Sie. Mir ist es da schon anders ergangen. Restaurants beschäftigen sogar Anwälte, die Google dazu bringen, die Bewertungen zu löschen. Das Paradoxe dabei: Meine Bewertung war ausgesprochen positiv. Kritisch habe ich nur gesehen, dass man nach dem Essen noch Hunger hatte, da die Portionen äußerst klein waren. Bereits das führte zur Löschung.
Das ist keine Frage der Ausdrucksweise, sondern eine Frage, WEN sie da Bewertet haben.
Ich bin in der Lage, Kritik sachlich zu äußern und diese auch mit Bildern zu belegen – dennoch (oder gerade deswegen) wurden einige meiner Rezensionen gelöscht. Diese Löschung geht immer vom Betroffenen aus; das ihre bislang nicht gelöscht wurden, bedeutet entweder, dass sie gut bewertet haben (warum sollte man die dann löschen?) oder dass der Betroffene Kritik annehmen kann (oder keinen Anbieter kenn, der alles unter 5 Sternen für wenig Geld löschen lässt).
Eine kritische Bewertung einer Arztpraxis, aus sachlichen und wahrheitsmäßigen Vorkommnissen begründet, wurde bei mir nicht gelöscht, hatte aber zur Folge, dass meine Mutter (Alzheimer-krank) nun keinen Hausarzt mehr hat und auch keinen „neuen“ bekommt.
Insofern:
Gute Bewertungen sind zweifelhaft, weil ja kritische Bewertungen entweder gelöscht werden oder ernsthafte Folgen nach sich ziehen.
Das ganze System „Bewertungen“ hat sich damit selbst erledigt. Es hilft nur „Mund zu Mund“.
Woher weiß den ein Arzt von ihrer negativen Bewertung eines anderen Arztes?