Deutscher General: „Im Pentagon ist für mich niemand mehr erreichbar“

Die Kommunikation mit dem US-Verteidigungsministerium sei "cut off", berichtet Generalleutnant Christian Freuding aktuell in einem Interview mit "The Atlantic". Die Bundeswehr sei auch von der Einstellung von Waffenlieferungen an die Ukraine überrascht worden.

IMAGO / Bernhard Herrmann

Generalleutnant Christian Freuding (54) ist seit dem 1. Oktober 2025 der Inspekteur des Heeres, seine Entscheidungen beeinflussen wesentlich die Sicherheit Deutschlands – und damit ganz Mitteleuropas. Die Aussagen Freudings im aktuellen Interview mit dem US-Medium „The Atlantic“ sind in der derzeitigen geopolitischen Lage alles andere als beruhigend.

Generalleutnant Freuding beschreibt eine deutliche Verschlechterung der Kommunikation mit den US-amerikanischen NATO-Partnern. Früher sei ein direkter Austausch „Tag und Nacht“ möglich gewesen; heute sei der Kontakt „total abgeschnitten“. Zitat aus dem Interview: „Freuding had once been able to text American defense officials “day and night,” he said, but lately communication with his counterparts in Washington had been “cut off, really cut off.”

Als Beispiel dazu nennt Freuding die Suspendierung bestimmter Waffenlieferungen an die Ukraine durch die Trump-Administration, die ohne Vorwarnung an europäische Partner erfolgte. Informationen über die US-Politik würden nun über die deutsche Botschaft in Washington eingeholt, wo Mitarbeiter versuchten, wieder einen Kontakt zum Pentagon herzustellen.

Diese Entwicklung trifft Deutschland zu einem Zeitpunkt erhöhter Spannungen. Militärplaner in Berlin beobachten kontinuierlich die Truppenbewegungen Russlands an den NATO-Grenzen. Zentrale Fragen sind, ob Präsident Wladimir Putin bis Ende des Jahrzehnts einen Angriff auf ein NATO-Mitglied befehlen könnte und ob die USA in einem solchen Fall Artikel 5 des Nordatlantikvertrags aktivieren würden.

„Wir verlieren einen wahren Freund“

Freudings Einschätzung: „Nicht nur ein Feind pocht an die Tür, sondern wir verlieren auch einen wahren Verbündeten und Freund.“ Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung eine umfassende Aufrüstung eingeleitet. Milliarden Euro fließen in die Beschaffung moderner Waffensysteme, darunter Kampfpanzer, Luftabwehr und unbemannte Systeme. Zivile Industriezweige werden auf Rüstungsproduktion umgestellt.

Auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird intensiv diskutiert. Die Bundeswehr soll zur stärksten konventionellen Streitmacht Europas ausgebaut werden – ein Ziel, das Kanzler Friedrich Merz wiederholt bekräftigt hat. Erstmals seit 1945 stationiert Deutschland dauerhaft Truppen außerhalb seiner Grenzen, etwa in Litauen im Rahmen der NATO Enhanced Forward Presence.

Diese Schritte markieren einen Paradigmenwechsel in der deutschen Sicherheitsdoktrin. Lange Zeit galt die enge Anbindung an die USA als Grundpfeiler der Verteidigungspolitik. Die aktuelle Unsicherheit zwingt Berlin jedoch zur Autonomie. Frühere Bedenken internationaler Partner gegenüber einer stärkeren deutschen Militärpräsenz sind weitgehend verstummt – im Gegenteil: Die EU und NATO-Mitglieder begrüßen die deutsche Initiative als notwendigen Beitrag zur kollektiven Verteidigung.

34.500 US-Soldaten aktuell in Deutschland stationiert

Die US-Militärpräsenz in Deutschland bleibt trotz der aktuellen Spannungen ein zentraler Bestandteil der europäischen Sicherheitsarchitektur: Aktuell sind etwa 34.500 US-Soldaten in der Bundesrepublik stationiert. Diese Zahl umfasst aktive Truppen und stellt ein Drittel aller in Europa dislozierten US-Streitkräfte dar. Die Soldaten sind auf etwa 40 Militärbasen verteilt, die bekannteste davon ist die Luftwaffenbasis Ramstein (Sitz des US European Command und des Allied Air Command). Ramstein allein beherbergt mehr als 16.000 Personen, einschließlich ziviler Mitarbeiter und Familienangehöriger.

Die Kaiserslautern Military Community ist mit 56.000 Personen die größte US-Militärgemeinde außerhalb der Vereinigten Staaten. Diese Präsenz dient nicht nur der bilateralen Zusammenarbeit, sondern auch der Abschreckung gegenüber Russland. Gemeinsame Übungen, geteilte nachrichtendienstliche Kapazitäten und logistische Infrastruktur unterstreichen die operative Verzahnung. Gleichzeitig wird in Berlin zunehmend gefordert, dass Europa eigene Fähigkeiten aufbaut, um auf einen möglichen Rückzug der USA vorbereitet zu sein.

Militärexperten warnen, dass ein dauerhafter Vertrauensverlust in die US-Führung die Allianz langfristig schwächen könnte. Die deutsche Politik verfolgt daher einen doppelten Ansatz: Stärkung der eigenen Kapazitäten bei gleichzeitiger Bemühung um verlässliche transatlantische Strukturen. Bis 2030 plant die Bundesregierung, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO dauerhaft zu erfüllen und die Bundeswehr auf 203.000 Soldaten aufzustocken. Ob diese Transformation gelingt, hängt von politischem Konsens, industrieller Leistungsfähigkeit und der internationalen Lage ab.

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Kommentare ( 199 )

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Winnetou
11 Tage her

„…wir verlieren auch einen wahren Verbündeten und Freund.“ Dummes Geschwafel eines Wichtigtuers. Die USA werden ein verlässlicher Partner bleiben. Mark my words!

Monostatos
12 Tage her

Wenn ich diesen lächerlichen Lauch nur sehe. Er taugt nicht mal für eine Führungsaufgabe beim Pfadfinderklub Fähnlein Fieselschweif. Solche Etappenwallache machen Deutschland Inder ganzen Welt lächerlich.

Bernd Schulze sen.
13 Tage her

Ein ungarischer Politiker sagte, 2030 will die EU kriegstauglich gegen Russland sein. Nur glaube ich, daß bis 2030, die EU Länder bis auf Ungarn wenn sie den Irrsinn nicht mitmachen, endgültig Pleite sein dürften. Zudem dürften in etlichen Ländern die sozialen Spannungen extrem zugenommen haben. Vor allem die südlichen Länder sind fix bei der Sache, außer Deutschland, da schläft man weiter und wo man zuckt, schickt man das Kampfgeschwader aus Gießen. Doch warum beklagt sich der General, Deutschlands Generäle haben bei der Nato nichts zu melden, die dürfen den Kaffee holen. Da kann mann sich noch so als großer Feldherr… Mehr

joe limburger
13 Tage her

Diese Befehlston und Georsam gewohnten lamettabehängten Camouflagefeldherren, ebenbürtige Kopien der Ministerialen Riege aktueller und verflossener germanischer Wichtigtuer im Verteidigungsamte wollen ebensowenig die Bedeutungslosigkeit der bunten Truppe akzeptieren wie es die gesamten Versagerriege der Regierenden tut. Der große Traum dieser Melange aus Sofa-Strategen, TV-Generälen und Worthülsengrenadieren, selbst frech unter dem Tisch hervorbellen zu wollen, um sich im Ernstfall unter den Rock von Onkel Donnis Militärprofis zu flüchten, muß einerseits erheiten, andrerseits ob der infantilen Naivität der Protagonisten erschrecken. Das die schon lange und gerade in Zeiten des letzen amerikanischen Wahlkampfs vielgeschmähten Amerikaner keine Lust mehr haben, sich einerseits von den Moralindurchtränkten… Mehr

Last edited 13 Tage her by joe limburger
Wilhelm Rommel
13 Tage her
Antworten an  joe limburger

Danke für den trefflichen Kommentar! Mir fällt zu dieser ‚Sorte Mäuse‘ immer wieder „Der General“ des seligen Georg Kreisler ein: „Der arme Mensch ist General, es ist wahrhaftig ein Skandal. Er hätte wirklich – und dafür wird er noch brennen! – auf seine Mutter etwas Rücksicht nehmen können! Er geht umher und tut sich groß mit einem Streifen auf der Hos‘! Die Mutter weint, die Augen blind; Er spielt Soldat, als wär er noch ein kleines Kind… Macht Leuten Angst und schreit Krawall, damit man merken soll: Er ist ein General.“ Im Pentagon wird man längst wissen, dass man es… Mehr

Klaus Uhltzscht
13 Tage her

Soso. Die NATO schiebt sich seit 1999 bis an die russische Grenze und jammert dann, dass hinter der russischen Grenze russische Aktivitäten stattfinden.
Und dieser General da mag vielleicht denken, daß Inspekteur des Heeres ein toller Beruf ist. Aber das dachten andere Inspekteure vor ihm auch, unter Ursula von der Gorch Fock, und dieser Anderen (Name vergessen).
Ansonsten soll er bei seinen weiträumigen Strategieplanungen gegen seinen russischen Feind erstmal abgrenzen, wo überhaupt „ganz Mitteleuropa“ liegt.
Und die USA mögen bitte aufpassen, daß er dabei möglichst im Sandkasten verweilt.

Haba Orwell
13 Tage her

Neulich hat Putin vor dem Volkssport gewarnt, wieder mal Richtung Moskau zu marschieren: https://anti-spiegel.ru/2025/wenn-europa-einen-krieg-beginnt-koennte-es-niemanden-mehr-geben-mit-dem-wir-verhandeln-koennen/

> „… Die europäischen Politiker sollten nicht darauf hoffen, dass sie ihre Soldaten in einem Krieg gegen Russland verheizen können, während sie selbst weiter ihr gewohntes Leben führen. …“

Das gilt vermutlich genauso für Generalende:innen, die bitte mit dem Spinnen aufhören sollten.

Konservativer2
13 Tage her
Antworten an  Haba Orwell

„…Richtung Moskau zu marschieren.“ Das können die dezimierten europäischen Armeen nicht; das wissen wir, das wissen die Russen. Da muss man nicht drüber diskutieren. Mich wundert, dass es hier immer wieder kolportiert wird – wer in die Geschichte schaut, sieht, dass hier ganz andere Personalstärken gefragt wären.

Deshalb wiederhole ich auch hier: Mund halten, Verteidigungsfähigkeit stärken.

Last edited 13 Tage her by Konservativer2
Andreas Bitz
13 Tage her

Solche Zustände öffentlich zu bejammern ist symptomatisch für den Zustand der Truppe. Klar, Biden-Bewunderer und Kriegstreiber werden von Trump mit Missachtung gestraft. War der werte heutige Herr Generalleutnant nicht zu U. vdLeyens woker Ministerzeit nicht ihr Aktenträger = Adjutant?

Winnetou
11 Tage her
Antworten an  Andreas Bitz

Ja, war er.

Endlich Frei
13 Tage her

Wenn Europa, insbesondere Paymaster Deutschland komplett bedeutungslos wäre, würde Putin dann kurz vor dem Meeting mit Wittkow so nervös toben und Europa/Deutschland drohen? Er weiß natürlich ganz genau, das Europa der große „Störfaktor“ ist, weil es die Ukraine finanziell im Krieg hält. Und Putin weiß, dass ihm militärisch in diesem Abnutzungskrieg die Zeit (…und das Geld…) davon rennt. Es hängt eben nicht allein davon ab, ob Donald Trump – den Putin mit „Deals“ recht leicht um den Finger wickeln konnte, Selensky den Geldhahn abdreht oder nicht: Am Ende kommt das Geld, dass Kiew für die Fortsetzung seines Kampfes braucht, ersatzweise… Mehr

Last edited 13 Tage her by Endlich Frei
Michael Palusch
13 Tage her
Antworten an  Endlich Frei

Ökonomisch den längeren Atem?! Da wo ich lebe, mitten in Deutschland, sehe ich Verfall und Niedergang. Hier sehe ich ruinierte Staats- und Kommunalfinanzen, sehe ich rundum Städte mit Haushaltssperre, sehe ich eine desolate öffentliche Infrastruktur, Strassen genannte Schlaglochpisten, Brücken, die nur noch mit begrenzterGeschwindigkeit und Last passiert werden können, sehe ich Bauprojekte, die sich über Jahre hinziehen und deren Kosten explodieren, spüre ich steigende Energiepreise, höre ich von besorgniserregend niedrigen Gasspeicherständen, sehe ich, wie sich Deutschland vom einstigen Nettostromexporteur in einen Importeur verwandelte der schon mit den Zähnen klappert, wenn in Frankreich ein KKW heruntergefahren wird, sehe ich flaschensammelnde Rentner… Mehr

Last edited 13 Tage her by Michael Palusch
Noergel Jo
13 Tage her

„die Luftwaffenbasis Ramstein (Sitz des US European Command“

Das ist nicht richtig. Sondern:
„hat seinen Sitz in den Patch Barracks (ehemals Kurmärker Kaserne) in Stuttgart-Vaihingen “
https://de.wikipedia.org/wiki/United_States_European_Command

Last edited 13 Tage her by Noergel Jo
Wolfgang Richter
13 Tage her

„Freudings Einschätzung: „Nicht nur ein Feind pocht an die Tür, sondern wir verlieren auch einen wahren Verbündeten und Freund.“ – Von wechselnden politischen Gegebenheiten und wechselnder Ausrichtung von „GeoStrategie“ hat er offenbar noch nix gehört, naiv oder eher unehrlich? Der Spruch „Wer soche Freunde hat, braucht keine Feinde“ gilt nicht nur für „Parteifreunde“, offenbar.