Das Bundesministerium des Innern antwortet

Die Staatsanwaltschaft entscheidet nach eigenem Ermessen ohne justitiable Rechtsgrundlage darüber, welche Straftat als „Hasskriminalität“ gewertet wird und welche nicht. Ob dies mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates vereinbar ist, mögen Juristen erörtern.

Am 25. Februar hatten wir hier bei TE unter dem Titel „Wie Hasskriminalität den Rechtsstaat aushöhlt“ dargelegt, dass auf eine diese Thematik betreffende Anfrage beim Bundesministerium des Inneren lediglich einige Links auf allgemein zugängliche, wenig aussagekräftige Statistiken erfolgt waren.

Die Anfrage wurde daraufhin mit den bereits zugesandten Spezifizierungen wiederholt. Nachdem bis zum 7. März immer noch keine Antwort erfolgt war, wurde erneut nachgehakt mit Hinweis darauf, dass es doch eigentlich kein Problem sein könne, die aufgeworfenen Fragen konkret zu beantworten.

Am 10. März dann kam eine zumindest partiell differenzierte Antwort, die im Nachfolgenden unverändert widergegeben wird. Die bezüglichen Fragen sind kursiv eingestellt, um dem Leser die Erfassung des jeweiligen Kontextes zu erleichtern.
In der Bewertung dieses Straftatbestandes „Hasskriminalität“ hat sich durch die Beantwortung allerdings nichts geändert. Ganz offensichtlich liegt hier eine Art „Ermessensstraftat“ vor, da, wie vom Sprecher des Ministeriums dargelegt, es „unerheblich“ sei, welche Tatbestände verwirklicht sind. Mit anderen Worten: Die Staatsanwaltschaft entscheidet nach eigenem Ermessen ohne justitiable Rechtsgrundlage darüber, welche Straftat als „Hasskriminalität“ gewertet wird und welche nicht. Ob dieses mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates vereinbar ist, mögen Juristen bei passender Gelegenheit erörtern.

Bezüglich des Hinweises auf die Zuordnung zu „Unterthemen“ sei darauf hingewiesen, dass es Bundesländer gibt, die beispielsweise Straftaten gegen kirchlich-christliche Einrichtungen in ihren Kriminalstatistiken nicht ausweisen. Wie auf dieser Grundlage der Tatbestand „Hasskriminalität“ ernsthaft erfasst und betrachtet werden soll, entzieht sich der Vorstellungskraft.

Insofern bleibt auch nach den Darlegungen des CDU-geführten Ministeriums der Eindruck, dass mit dem Begriff „Hasskriminalität“ nach rund 130 Jahren erneut eine Form der politischen Justiz eingeführt werden soll – eingeführt worden ist. Die deutschen Demokraten von 1848 und 1869 würden sich vermutlich im Grabe umdrehen, stand in ihrem erfolgreichen, politischen Kampf doch die endgültige Abschaffung herrschaftlicher Willkürjustiz ganz oben auf der Agenda.

Doch genug der Vorrede. Es folgt die Darlegung des Pressesprechers des Bundeministeriums des Innern.

Sehr geehrter Herr Spahn,

mit der Bitte um Nachsicht für die verzögerte Beantwortung teile ich Ihnen als ein Sprecher des Bundesinnenministeriums zu Ihrer Anfrage Folgendes mit:

Zu 1. und 2. :

— 1.Nach welchen ermittlungstechnischen Kriterien erfolgt die Einordnung von Straftaten in die Rubrik „Hasskriminalität“? —
— 2. Welche Straftatbestände nach StGB sind unter dem Aspekt „Hasskriminalität“ zu berücksichten? —

Für die Erfassung als Hasskriminalität ist die Motivation des Täters maßgebend. Straftaten sind nach den Richtlinien des Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität dem Themenfeld Hasskriminalität zuzuordnen, „wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person, wegen ihrer/ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen
– Nationalität
– ethnischen Zugehörigkeit
– Hautfarbe
– Religionszugehörigkeit
– sozialen Status
– physischer und/oder psychischer Behinderung oder Beeinträchtigung
– sexuellen Orientierung und/oder sexuellen Identität
– äußeren Erscheinungsbildes
gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.“
Welche Tatbestände verwirklicht sind, ist für die Klassifikation als Hasskriminalität unerheblich.

Zu 3.:

— 3. Wie werden Angriffe gegen Einrichtungen von Religionsgemeinschaften im Zusammenhang mit Hasskriminalität bewertet?
3.a – Gibt es Differenzierungen nach Religionsgemeinschaften und wie erfolgt jeweils die Einordnung?
3.b – Wie erfolgt ggf. eine Unterscheidung zwischen „normaler“ Kriminalität gegen entsprechende Einrichtungen und „Hasskriminalität?
3.c – Gilt Vandalismus gegen religiöse Einrichtungen grundsätzlich als „Hasskriminalität“ – falls nein, warum nicht und nach welchen Kriterien erfolgt die Zuordnung? —

Bei entsprechender antireligiöser Motivation (vgl. Ausführungen zu 1. Und 2.) werden Straftaten gegen Religionsstätten den Unterthemen im Themenfeld Hasskriminalität „antisemitisch“ „islamfeindlich“, „christenfeindlich“ und (gegen) „sonstige Religionen“ zugeordnet. Auch für die die Unterscheidung von „normaler“ Kriminalität und „Hasskriminalität“  sind die Ausführungen zu den Fragen 1 und 2 maßgebend.

Zu 4 .und 5.:

— 4. Wie schlüsseln sich die veröffentlichten Zahlen zur Hasskriminalität nach Realdelikten, Tätergruppen und Zielobjekten auf?
5. Bitte um Zusendung der aktuellen Zahlen Stand 2016 (soweit derzeit verfügbar) und 2015/2014. —

Eine Aufschlüsselung nach Realdelikten, Tätergruppen und Zielobjekten ist nicht möglich. Angaben zum Aufkommen der Hasskriminalität in den Jahren 2014/2015 sind unter dem Ihnen bereits vorher übersandten Link veröffentlicht
(Zur Sicherheit hier nochmals: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteilungen/2016/05/pmk-2015-hasskriminalitaet.pdf?__blob=publicationFile
und
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteilungen/2016/05/pmk-2015-hasskriminalitaet-2001-2015.pdf?__blob=publicationFile).
Entsprechende Angaben zu 2016 liegen erst nach Veröffentlichung der Jahresfallzahlen (voraussichtlich Ende April ) vor.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Tobias Plate

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Kommentare ( 60 )

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Michel Rieke
7 Jahre her

Statistiken werden immer dann interessant, wenn man sie abgleicht.

Ausgewählte Straftaten „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) mit rechtsextremistischem und linksextremistischem Hintergrund (in Klammern) im Jahr 2013 (statista.com):

Versuchte Tötungsdelikte 4 (3)
Körperverletzungen 704 (606)

Hasskriminalität Gewalt 2013 laut BMI:

PMK rechts 522
PMK links 10

Bleibt nur noch die Frage, ob auch Gewalttaten aus Hass gegen einen anderen Fußballverein künftig als Hasskriminalität in den Statistiken erscheint. In der Saison 2013/14 wurden nämlich in der 1. und 2. Bundesliga 1.736 Körperverletzungen gezählt und damit mehr als bei der PMK links und rechts zusammen.

gmccar
7 Jahre her

Es ist aber ein Türke mit Grünem Mitgliedsausweis !

NoName
7 Jahre her

Mehr Hass als Ungläubiger (Untermensch) geht ja wohl kaum. Alle islamischen Geistlichen jetzt vor Gericht?

Und: Weiße, deutsche Männer dürfen aber weiter bepöbelt werden, oder?

Sabine Ehrke
7 Jahre her

Liebe Mitleser, nicht aufregen, Ihr braucht noch etwas Kraft, denn es wird noch sehr, sehr viel willkürlicher kommen für die, die hier schon länger anderer politischer Meinung sind als befohlen.

Hinrich Mock
7 Jahre her

„Anhaltspunkte“ dürften in keinem Fall ausreichend sein, um irgendeine seriöse Klassifikation zu begründen. Außerdem ist es nicht Aufgabe der Ermittlungsbehörden eine Tatmotivation abschließend und rechtsgültig festzustellen. Diese Zahlen zur „Hasskriminalität“ sind also für die Tonne. Ob ein Tötungsdelikt Totschlag oder Mord war, hängt entscheidend vom Motiv ab und wird allein durch das Gericht festgestellt, nicht durch die Polizei und auch nicht durch den Staatsanwalt. Eine valide Klassifikation nach Motiven müßte also die Gerichtsurteile zur Grundlage haben. Dies ist hier nicht der Fall. „Hasskriminalität“ ist ein unscharfer und emotional aufgeladener Begriff des politischen Marketings und hat in Amtsstuben nichts zu suchen.… Mehr

Michael Braun
7 Jahre her

Jesus Christus ist ein hervorragendes Beispiel für Hate Speech. Es gibt Kapitel in den Evangelien, in denen er mehrmals (bis zu 10x) die führende religion-politische Klasse als Heuchler, Schlangen- und Otternbrut bezeichnet hat. Er musste dafür am Kreuz sterben (zur Erlösung unserer Sünden). Irgendwie passt es, dass dieser Gesetzentwurf in die Passionszeit fällt. Ergo Sum: Hassreden, -kommentare hat es schon immer gegeben vor allem auch gegenüber den Führern eines Landes, sonst hätte es auch nie irgendwelche Revolutionen gegeben. Das ganze ist so was von schwachsinnig, aber unsere Bundesregierung fühlt sich ja wohl dabei ( vgl. die Handelungsweise der Pharisäer und… Mehr

F.Peter
7 Jahre her

Im Prinzip also Rechtsprechung nach Gutsherrnart!
Und die Zahlen von 2016 könnten bei Veröffentlichung ja die Landtagswahlen beeinflussen, daher arbeiten die Statistiker im „Beamtentempo“, damit die Zahlen erst nach den LTW veröffentlicht werden „können“.
Man kann nur hoffen, dass es alternative Erfassungen gibt, die vorher veröffentlicht werden und den Menschen damit die Information zukommen lassen, die sie eben auch für ihre Wahlentscheidung brauchen!

Cornelius Angermann
7 Jahre her

„In der Realität wird das nicht passieren.“.
Nein, das ist ja im entwurf bereits angelegt: der Staatsanwalt entscheidet, was Hasskriminalität ist. Wenn von linken Gewalttätern gegen „Rechte“ begangen, dann natürlich NICHT!
Übrigens: Staatsanwälte sind in Deutschland weisungsabhängig vom Justizminister. Soviel zur „Unabhängigkeit“ der Justiz!

hasenfurz
7 Jahre her

Wenn Chulz oder Merkel ans Ruder kommen, geh ich in definitiv mit voller Kraft den Widerstand, dann gibts kein Pardon mehr. Und ich weiß schon, wer da alles mitgeht. Wenn die Regierung Krieg gegen ihr Staatsvolk führen will und jedes gültige Recht verbiegt, privatisiert oder sonst aussitzt oder umgeht und dabei die Leute verfolgt, was ist denn das anderes als eine Junta. Und eine Junta gehört abgesetzt und verurteilt, egal ob Merkel oder Schulz da vorne steht, ist soweiso alles deep state Gauner, Inc. . Ich habe mich immer gefragt, wie ’33 – ’45 stattfinden konnte. Ich werde nicht tatenlos… Mehr

Pe Wi
7 Jahre her
Antworten an  hasenfurz

Na, na, na … eine kleine Widerstandsgruppe. Sowas hat in Deutschland ja schon immer bestens funktioniert.

gmccar
7 Jahre her
Antworten an  hasenfurz

Wie konnte das passieren ? hieß es nach 45. Na, wie gerade jetzt wieder.
Als Afdler sehe ich nur, wie schleppend sich die Menschen zu einer Mitarbeit bewegen lassen und vor Allem, welch ein Polit- und Filz-Dickicht von den Etablierten auf wirklich ALLEN Ebenen geschaffen wurde oder gewachsen ist.
Leute wie Soros haben seit mehr als dreißig Jahren ihre NGOs installiert, die bis jetzt alle ihnen vorgegebenen Aufgaben zur Destabilisierung von Strukturen und Finanzen in diversen Ländern mit Bravour erfüllten. Die Schulz-,G-E und Merkel-Parteien arbeiten folgsam dabei mit.

YGunter Zimmermann
7 Jahre her

Vielen Dank, Herr Spahn, für Ihre Beharrlichkeit und Ihr unermüdliches Insistieren. Die Antwort aus dem Bundesinnenministerium mach natürlich klar, dass wir uns immer mehr von den Normen eines Rechtsstaats entfernen. Ein Skandal, dass die MSM das ohne jede Kommentierung hinnehmen.

Pe Wi
7 Jahre her
Antworten an  YGunter Zimmermann

Tja, deshalb heißen sie ja auch Mainstream-Medien. Keiner darf Konkurrenz sein. Sie wollen es uns zusammenfassend erklären. Niemand sonst.