Cem Özdemir: Zuwanderer treten Gleichberechtigung von Frauen mit Füßen

Nachdem Christian Lindner mit dem Abbruch der Jamaika-Verhandlungen den Traum vom türkischstämmigen deutschen Außenminister zunichte machte, redet Cem Özedemir Tacheles.

© Carsten Koall/Getty Images

Enttäuschung als Elexier der Wahrheit: Cem Özdemir wollte so gerne Außenminister werden. Sein erster Besuch als AM in der Türkei wäre sicher hochspannend geworden. Stattdessen macht es nun erst einmal weiter Sigmar Gabriel. Und der hatte gerade seinen türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu zu Besuch in der Kaiserpfalz im heimischen Goslar.

Çavuşoğlu nannte seinen Noch-Amtskollegen einen „Freund“. Bei Cem Özedmir wäre ihm das schwerer über die Lippen gekommen. Aber der nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen um die Krönung seiner Karriere gebrachte Özdemir wäre wohl näher dran gewesen an der türkischen Seele. Hätte den Kollegen besser „lesen“ können.

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Den Tee-Jungen, wie es Gabriel tat, jedenfalls hätte er nicht gegeben, wie Özdemir gerade spöttisch gegenüber der FAZ kommentierte, als Fotos des Tee einschenkenden geschäftsführenden Außenminister Gabriel in der Türkei für große Heiterkeit sorgten: „Wenn ich Deutschland repräsentiert hätte, hätte ich sicherlich nicht mit einem türkischen Teeservice dem amtierenden türkischen Außenminister Tee serviert und mich dabei fotografieren lassen.“ Aber nicht nur um Tee ging es Özdemir, angesichts des Treffens äußerte er Sorge vor „schmutzigen Deals“. Man dürfe den Türken keine Panzerfabrik bauen, wolle man Deniz Yücel, die „persönliche Geisel“ Erdogans frei bekommen.

Nun sprechen auch die viel höheren Beliebtheitswerte des anatolischen Schwaben mehr für den 52-Jährigen gebürtigen Bad Uracher, als für Gabriel. Ein Mann, eine erstaunliche Erfolgsgeschichte: Cem Özdemir stellte mit 16 Jahren einen Einbürgerungsantrag und irritierte damit zunächst seine Familie, die sich ihrerseits schwer vorstellen konnte, ihren türkischen Pass abzugeben. Özdemir ist seit dem also auch offiziell einer von uns. Und manch einer mag ihm gerne bescheinigen, er benehme sich deutscher als viele, die hier schon deutsche Eltern haben. Als Schwabe hat er Leitkultur mit der sprichwörtlichen Muttermilch aufgesogen: Ohne Fleiß kein Preis. Von der „fünf“ in Deutsch in der Grundschule in der schwäbischen Kleinstadt zum deutschen Parteichef der Grünen.

Nun aber erst einmal Ende im Berliner Gelände: Jamaika gescheitert und für den Parteivorsitz in freudiger Erwartung des Außenministeramtes leider keine neue Kandidatur angemeldet.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) nutze die Gelegenheit, den zukünftig „nur noch“ einfachen Bundestagsabgeordneten im einsamen Zimmer der Enttäuschungen zu besuchen. Zunächst gab man Cem Özedmir aber Raum, mit dem Verursacher des Karriereknicks, mit dem Parteivorsitzenden der FDP und Jamaika-Abbrecher Christian Lindner, abzurechnen.

Aber viel bemerkenswerter wurde, wie hart dieser Cem Özdemir dann mit seinen Grünen ins Gericht ging: Einen guten Satz Faulpelze gäbe es in der Partei, verriet uns Özdemir: „Ich habe vielleicht aufgrund meiner Biografie weniger Probleme mit dem Leistungsbegriff als Teile meiner Partei.“ Seiner Co-Vorsitzenden Simone Peters bescheinigt er gegenüber der FAS mal eben im Vorübergehen, ihre Zeit wäre abgelaufen: „Ich glaube es ist Zeit für neue Ideen“ (Mittlerweile ist sie tatsächlich zurückgetreten). Boris Palmer, das Enfant terrible der Grünen, hätte zwar in vielem Recht, findet Özdemir, aber obwohl Palmer in Deutsch immer Schulnote eins gehabt hätte, überziehe der zu häufig „durch seine Wortwahl und seine blöden Facebook-Einträge.“

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Nun interessiert ja am meisten, wie und ob der Migrantensohn Cem Özdemir sich gegenüber der Massenzuwanderung neu positioniert. Also wie er wirklich darüber denkt, jetzt, wo er aus der Enttäuschung heraus aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr machen mag. Und Özdemir liefert tatsächlich ab. Mehr fast, als man erwarten durfte. So sprichr er auf  die Frage, ob er mit alten Mustern auch diese grüne Schwärmerei von der Willkommenskultur abzulegen bereit sei, von „Reflexen in unserer Partei, die Realität nicht genau wahrzunehmen.“ Und Cem Özdemir bringt die aktuelle Studie über die hohe Kriminalität von Migranten ins Spiel. Speziell der Maghrebiner. „Das können auch die Grünen nicht wegdiskutieren.“ Umgedreht heißt das also, der Parteivorsitzende der Grünen tut hier kund, dass seine Partei eben das gerne macht und gemacht hat.

Also fragt die FAS nach. Die Partei täte aber genau das, wirft nämlich Journalist Rainer Hank ein und Özdemir liefert ab, was wir hier im Wortlaut zitieren wollen:

„Meine Frau kommt aus Südamerika und berichtet von unangenehmen Erfahrungen in der U-Bahn in Kreuzberg mit solchen Jugendlichen. Ihre Freundinnen, die Ähnliches erleben, würden nie und nimmer zu uns Grünen gehen mit ihren Erlebnissen, weil sie glauben, mit uns kann man über diese Realität nicht sprechen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und nicht reflexartig alles abwehren. Wenn die Gleichberechtigung von Frauen mit Füßen getreten wird, dann macht es für mich keinen  Unterschied, wem diese Füße gehören. Da kann es keine doppelten Standards geben. Wer hier keine Bleibeperspektive hat, muss das Land so schnell wie möglich verlassen.“

Das alles erzählt ein frustrierter Cem Özdemir, der noch Anfang 2016 kurz nach den massenhaften Gewalttaten in der Kölner Silvesternacht forderte: „Dass mehr Personal, auch mit Migrationshintergrund, notwendig ist, drängt sich auf.“ Und dessen Grüne sich auf die Fahnen schreiben: „Wir Grünen stehen wie keine andere Partei dafür, Menschen, die einwandern, mit Rechten auszustatten. Wir wollen ihnen wirksame Angebote machen, damit sie möglichst schnell an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gleichberechtigt und mit eigener Stimme teilhaben können.“ Oder dessen Ex-Partnerin im Spitzenduo zur Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt (KGE) angesichts der Massenzuwanderung bei Anne Will über die Maßen ins Schwärmen geriet,  was Özdemir freilich nicht davon abhielt, mit KGE im Schlepp zu versuchen, das Außenministerium zu entern. Nun wurde er abgestraft und drehte für die FAS einmal seine Weste auf weiß. Interessant. Mehr aber auch nicht.

Katrin Göring-Eckardt bei Anne Will:

„Dieses Land wird sich verändern. Und es wird sich ziemlich drastisch verändern. Und es wird ein schwerer Weg sein, aber dann glaube ich, können wir wirklich ein besseres Land sein. Und daran zu arbeiten, das mit Begeisterung zu machen, die Leute mitzunehmen, auch die, die Angst haben (..) das ist eigentlich die historische Chance in der wir sind. Das ist wahrscheinlich sogar noch mehr als die deutsche Einheit, was wir da erreichen können. Was die Kanzlerin gemacht hat, ist eine große Idee davon, was es heißt, dieses Land neu zu denken. (…) Die Arbeitgeber scharren längst mit den Füßen und sagen: Wir brauchen diese Leute. (..)

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Kommentare ( 197 )

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Mozartin
5 Jahre her

Mein Gott was für ein Niveau. Ein Politiker, der sich schon als Aussenminister sah, rechnet Boris Palmer seine 1 in Deutsch vor und Frau KGE hofft auf ein besseres Deutschland mit Merkels Politik. Sie hätte sich dergestalt gerne in der DDR profilieren können, wie auch Frau Merkel.
Wenn Herr Trittin glaubt, dass z.B. ich mit Grünen auf so einem Niveau irgendetwas gemeinsam machen möchte, dann hat er einen politischen Traum geträumt.
Hatten die Grünen eigentlich einmal politisches Niveau?

Jürgen J. G.
6 Jahre her

Ein Schmerzhafter Lernprozess hat bei den Grünlingen eingesetzt. Aber es gibt immer noch 15% Wähler die dieser Illusionistentruppe nachlaufen. Ein Boris Palmer könnte gut in einer FDP oder CDU zu finden sein. Nicht aber Traumtänzer wie Roth, Hofreiter oder Göring-Eckhardt. Vom Kindergarten ins Parlament.

Jens Frisch
6 Jahre her

„Çavuşoğlu nannte seinen Noch-Amtskollegen einen „Freund“.“
Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Dieses Bild hier, sagt mehr als 1000 Worte:
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kritik-an-gabriel-oezdemir-haette-cavusoglu-keinen-tee-serviert-15380308.html

Volker Kek
6 Jahre her

Ich hoffe doch das einige hier begreifen was hinter dieser Wende bei Cem Ö. steckt. Der will der Nachfolger von Kretschmann werden….mit den linksgrünen Plattitüdenhat er in BW keinerlei Chancen auf dieses Amt. Also es kann doch jeder nachvollziehen wohin der Hase läuft!

Frank Stefan
6 Jahre her

Nein, Herr Wallasch, so geht das nicht! Es ist unerträgliche Pauschalierung, das, was der eine Teil von Cem gesagt hat auf den gesamten Cem zu übertragen! Das in der FAS Gesagte war lediglich ein…? Einzelfall! Den ganzen Cem aber nun unter Generalverdacht stellen hieße diffuse Ängste zu schüren, Wasser im Öl der Mühlen zu verbrennen, ja, den falschen Applaus von der Seite zu bekommen. Und die Forderung Cem’s, rauszuwerfen, wer sich nicht an unsere Regeln hält hat mit PEGIDA-Abschaum, Dunkeldeutschland und kruden AfD-Thesen Sarrazins aber gaaar nichts zu tun. Ernst beiseite: alle die, die den FAS-Artikel gelesen haben, geschweige denn… Mehr

Dagmar N.
6 Jahre her
Antworten an  Frank Stefan

Danke für den Kommentar, der einige Fakten deutlich herausarbeitet. Auch ich befürchte , genau wie Sie, dass wir bei den von Ihnen angeführten Themen für dumm verkauft werden. Aber leider nicht NUR von den Grünen!

Gerhart
6 Jahre her

Auf den Herr Özdemir einhauen, mach hier keinen Sinn mehr. Die Kanzlerpartei betreibt längst das Gleiche mich anderen mitteln

Karl
6 Jahre her

Ein deutscher Pass genügt nicht, um einer von uns zu sein.

Bismarck
6 Jahre her

Zuerst kommt die (Selbst-)Täuschung, dann kommt die Ent – Täuschung.

Wolfsohn
6 Jahre her

Herr Özdemir, gerade Ihre Partei ist es doch, die sich gegen Abschiebungen wehrt! Sie sind als Parteimitglied in den oberen Rängen mit dafür verantwortlich, dass die Grenzen offen bleiben, dass Täter mit Migrationshintergrund weder genannt, noch verfolgt, noch angemessen bestraft werden – ein Hohn für jedes Opfer – und dies alles aus Gründen des „Persönlichkeitsschutzes“ des Täters – haben Sie mal darüber nachgedacht, welchen „Schutz“ die Opfer hatten? Was Sie jetzt sagen, hat die AfD längst gesagt – und wurde nicht zu letzt von IHRER Partei dafür übelst beleidigt. Dass Sie jetzt „Tacheles“ reden kann nur eines bedeuten: Die Neuwahlen… Mehr

Till Eulenspiegel
6 Jahre her
Antworten an  Wolfsohn

Das hat alles mit der zunehmenden Stärke der AfD zu tun! Ähnliche (unehrliche) Stimmen hört man jetzt auch in den anderen Parteien

Imapact
6 Jahre her

„Interessant. Mehr aber auch nicht.“ Herr Wallasch hat Recht. Wer bei den Grünen so hoch aufgestiegen ist, dem nimmt man solche Bekenntnisse nicht ab. Zu sehr durchdrungen vom (Un-)Geist dieser Partei. Aber der Mann denkt weiter. Für´s erste sind seine Aspirationen gescheitert, Lindner sei Dank, aber er ist ja noch verhältnismäßig „jung“ und kann später einen weiteren Anlauf nehmen. Was Gabriel anbelangt: das altbekannte appeasement gegenüber dem hofierten „Orient“. Türkisches Teeservice, dem türkischen Außenminister, in diesem Falle also dem Entsandten des neuosmanischen Diktators höchstselbst den Tee servierend. Wie lange ist es her, daß dessen Chef wieder und wieder Deutschland geifernd… Mehr