Tichys Einblick
Neues Kapitel der Skandal-Wahl

Berlin-Wahl: Wie befangen ist die Verfassungsrichterin Ludgera Selting?

Am 28. September soll das Berliner Verfassungsgericht darüber entscheiden, ob und wie die Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus und zur Bundestagswahl nachgeholt werden soll. An der Neutralität der Vorsitzenden gibt es jedoch erhebliche Zweifel.

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin; am 28. September wird hier über die Gültigkeit der Berliner Wahlen 2021 verhandelt

IMAGO / imagebroker
Ludgera Selting heißt die von der SPD nominierte Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichtshofs. Selting fällt am 28. September eine bedeutende Rolle zu. Das Berliner Wahlchaos, in dem manipulierte und verlorene Stimmzettel eine weitaus bedeutendere Rolle spielten, als die etablierten Medien zuerst zugeben wollten, steht dann auf der Tagesordnung. Es ist ein Skandal, den TE von Beginn an begleitet, recherchiert, thematisiert und in die Öffentlichkeit getragen hat.

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Die Berliner Wahl, die fast auf den Tag ein Jahr her ist, wurde im Verlauf unserer Berichterstattung immer mehr zur Metapher für die Dysfunktionalität der real existierenden Bundesrepublik. Dasselbe Land, das keine Möglichkeit auslässt, Ländern wie Polen oder Ungarn Demokratiemängel vorzuwerfen, erwies sich als Bananenrepublik. Der Wahlgang mutierte zur Groteske, die vielleicht in späteren Zeiten den Ausdruck „Berlinage“ salonfähig machen könnte. Hatte man sich bei der US-Wahl 2000 über die Menschenschlangen an der Urne mokiert, so wiederholten sich exakt dieselben Bilder, als Tausende Berliner in den Wahllokalen anstehen mussten.

Auch Selting verbindet etwas mit der Wahl. Nämlich eine – sagen wir – unglückliche Begegnung mit einem Mitarbeiter, der die Protokolle der Berlin-Wahl auswertete. In einer Kooperation mit Marcel Luthe, der als Erster Einspruch gegen die Wahl eingelegt hatte, war das TE-Team in die Vorgänge involviert.

Unser Nachwuchsjournalist berichtet, dass er und seine Kollegin bei der Digitalisierung unter strenger Beobachtung gestanden hätten. Eine Kommunikation mit der Kollegin sei kaum möglich gewesen, ohne dass die Anwesenden etwas mitbekommen hätten. Laut einem Gedächtnisprotokoll sei beiden schnell bewusst geworden, dass das Ziel der Aktion darin bestanden hätte, „uns möglichst stark an unserer Arbeit zu hindern und uns einzuschüchtern“. Man habe ein Klima der Ablehnung im Raum gespürt.

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Die Verfassungsrichterin Selting sei demnach in den Raum „gestürmt“ und habe „in einem angreifenden, spürbar aggressiven Ton“ laut festgestellt, dass die Mitarbeiterinnen auf ihre Anweisung hier sitzen würden. Es sei „unglaublich, was hier passieren würde“. Sie sei in einer Lautstärke fortgefahren, die „einem Schreien ähnelte“. Die Kollegin habe daraufhin Selting unterbrochen und entgegnet, dass sie „noch nie so schlecht behandelt worden sei, obwohl sie nur ihre Arbeit“ täte. Selting sei daraufhin aus dem Raum stolziert, habe „verachtungsvoll gegrinst“, um beide danach „hörbar auszulachen“.

Luthe nahm den Vorfall zum Anlass, die Neutralität Seltings infrage zu stellen – schließlich hatte die Richterin zwei investigative Mitarbeiter, die einem rechtlich einwandfreien Vorgang nachgingen, anlasslos beschimpft. Luthe lehnte die Verfassungsrichterin wegen Befangenheit ab. Doch Selting stellte die Situation komplett anders dar: Im Gegenteil sei es die Mitarbeiterin gewesen, die Selting „in unangemessener Weise angeschrien“ habe. Daraufhin habe Selting gesagt, dies sei „ungeheuerlich“.

Pikant: Für die Prüfung der Befangenheit ihrer Kollegin sind die anderen Verfassungsrichter verantwortlich. Doch in Berlin wollte man von einer möglichen Befangenheit nichts wissen.Und die lehnten den Ablehnungsantrag wegen Befangenheit geschlossen ab – ohne die Gegenseite anzuhören. Stattdessen glaubte man vorbehaltlos der Aussage Seltings. Zitat:

„Die Äußerung der Präsidentin am 20. Mai 2022 rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht. Es handelt sich dabei nicht um eine Reaktion auf die Veröffentlichung der Wahlniederschriften, sondern um die Reaktion auf ungebührliches Verhalten einer der Akteneinsicht nehmenden Person. Das ergibt sich aus der dienstlichen Stellungnahme der Präsidentin, der der Verfahrensbevollmächtigte des Einsprechenden nicht substantiiert entgegengetreten ist.“

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Ein Transkript sowie eine Audioaufnahme, die beide TE vorliegen, bestätigen den Ablauf aus der Sicht des Mitarbeiters. Der Vorwurf hat also im Gegenteil durchaus Substanz. Und der Vorgang nährt den Verdacht, dass Selting offenbar die Unwahrheit gesagt hat, um nicht nur Position und Ansehen zu retten, sondern auch ihren möglicherweise entscheidenden Einfluss auf das Urteil am 28. September zu behalten. Die Eskapaden bezüglich der Berlin-Wahl wären damit um ein vielsagendes Beispiel reicher.

Luthe ist deshalb vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Der ehemalige Abgeordnete fasst das Geschehen zusammen: „Sollte Selting […] also eine Falschaussage gemacht haben, wäre das nicht nur persönlich, disziplinar- und strafrechtlich fatal, sondern würde auch dem Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat massiven weiteren Schaden zufügen. Nach dem Motto: darf eine Lügnerin über Betrug entscheiden.“

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