Alte sind in Deutschland stärker von Armut bedroht als in anderen EU-Ländern

Senioren in Deutschland leiden eher unter Armut als die in anderen europäischen Staaten. Diese Entwicklung ist neu und ein Ergebnis der Jahre unter Angela Merkel – in dieser Zeit wuchs das Risiko um rund 40 Prozent.

IMAGO / Michael Gstettenbauer
Symbolbild

Derzeit findet in Frankreich ein Kulturkampf statt. Die Grande Nation wehrt sich gegen das von Präsident Emmanuel Macron verordnete Renteneintrittsalter von 65 Jahren. Für Arbeiter und Arbeitnehmer in Deutschland gehört ein Renteneintrittsalter von 65 Jahren zur guten alten Zeit. Längst gilt hierzulande 67 Jahre als Beginn des Ruhestands. Und die Politik schraubt schon an der nächsten Anhebung.

Das ist ein Zeichen dafür, dass sich die Situation in Deutschland für alte Menschen verschlechtert hat. Zahlen der Bundesregierung belegen diese These. Veröffentlicht hat sie diese als Antwort auf eine Anfrage der AfD-Abgeordneten Gerrit Huy, René Springer und Ulrike Schielke-Ziesing. Demnach gelten in Deutschland 28,1 Prozent aller Personen als armutsgefährdet. Im EU-Schnitt sind es 27,4 Prozent. In den westlichen Nachbarländern sind die Werte noch deutlich niedriger: Frankreich 19,1 Prozent, Belgien 17,4 und Luxemburg 9,3. Was das Armutsrisiko für Senioren betrifft, gehört Deutschland nun zu Osteuropa.

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 Die Zahlen für 2022 fehlen europaweit noch. Die Politik der aktuellen Bundesregierung lässt sich auf dieser Datenbasis folglich noch nicht bewerten. Doch der Vorgängerregierung unter Angela Merkel (CDU) sprechen die Zahlen ein verheerendes Zeugnis aus: Nach ihrer Kanzlerschaft ist Deutschland ein Problemkind im Bereich der Senioren-Armut – davor war es ein Vorzeigestaat.

Im Jahr 2005 lag das Risiko der Armut für Menschen ab 65 Jahren in Deutschland noch bei 19,8 Prozent. Es ist also unter Merkel um 8,3 Prozentpunkte gestiegen, was einem Wachstum von rund 40 Prozent entspricht. Mit Ausnahme von Luxemburg lagen die Staaten, die heute vor Deutschland stehen, damals noch dahinter: Frankreich mit 21,3 Prozent und Belgien mit 27,7.

Während die deutschen Nachbarn also das Problem der Altersarmut allmählich in den Griff bekommen haben, wuchs es in Deutschland unter Merkel rasant. Besonders beschämend fällt der Vergleich mit Spanien aus: Die Iberer hatten 2005 noch ein Risiko für Altersarmut von 43,4 Prozent. Heute sind es noch 27,7 Prozent. Besser als Deutschland. Was aber nicht mehr schwer ist.

Nun relativiert die aktuelle Bundesregierung in ihrer Antwort den Armutsbegriff: „Die Armutsrisikoquote ist eine strategische Maßgröße für die Einkommensverteilung.“ Das heißt: Weil in Deutschland die Arbeitnehmer mehr verdienen, wächst auch die Gefahr, als arm zu gelten. Das kann bedeuten, dass in Deutschland ein Rentner 200 Euro mehr hat als in Spanien, aber damit hier als arm gilt, in Spanien aber nicht.

"5 vor 12"
Rente im Streckbetrieb
Das ist richtig. In der Theorie. In der Praxis steigen mit den Löhnen aber auch die Lebenshaltungskosten. Wenn sich der spanische Rentner ein Dach über dem Kopf und Essen leisten kann, darf sich der deutsche Rentner trösten: Zwar kann er in den letzten Tagen des Monats nicht mehr einkaufen gehen, aber dafür sind ihm 200 Euro mehr durch den Geldbeutel gewandert als dem spanischen Rentner. Eine aktuelle Insa-Umfrage hat gezeigt, dass genau dieses Phänomen unter deutschen Senioren zunimmt.

Deutschlands Sozialstaat ist zwar unter Angela Merkel ausgewuchert. Nach vorläufigen Berechnungen beträgt der deutsche Sozialetat 163 Milliarden Euro, etwa dreimal so viel wie der des Bundesgesundheitsministeriums – der nächst höhere. Doch in diesem Sozialstaat fallen die Senioren ab. Deutschland gibt weniger als 40 Prozent dieses Etats für die Bereiche Alterssicherung und Versorgung von Hinterbliebenen aus. Im Schnitt der EU sind es über 44 Prozent. In manchen westlichen und nördlichen Ländern liegt der Anteil sogar bei 60 Prozent – Deutschland ist unter Angela Merkel im Osten Europas angekommen.

Die Abgeordneten der AfD, deren Anfrage diese Zahlen öffentlich gemacht hat, fordern eine Reform des Sozialstaats: Die „monetäre“ Absicherung der Menschen müsse kritisch in den Blick genommen werden. Gerade angesichts des Umfangs des deutschen Sozialstaats: Innerhalb der EU zahlen die Deutschen anteilig die zweithöchsten Steuern, Alleinstehende zahlen sogar die höchsten Abgaben in die Sozialversicherung, zu der auch die Rentenkasse gehört. Nur bei den Rentnern kommt davon nicht genug an – weswegen wir hierzulande allmählich über Rente mit 70 reden. In Frankreich müsste sich die Politik dafür warm anziehen – deshalb haben deren Alten aber auch ein deutlich niedrigeres Armutsrisiko.

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Kommentare ( 40 )

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Endlich Frei
11 Monate her

Armut in Deutschland wird oft ignoriert. In deutschen Amtstuben wird autochthonen Hilfsbedürftigen generell böse Absicht unterstellt. Ich kenne einen älteren Menschen, der aufgrund schwerer Krankheit arbeitsunfähig und sozialbedürfig ist: Die Tatsache, dass er plötzlich Teil einer Erbengemeinschaft geworden ist, reichte aus, dass ihm so gut wie jede Unterstützung vom Amt entzogen worden ist. Dies war der Startpunkt einer Elendsspirale, die man in Deutschland kaum für möglich hält – aber leider Realität ist. Ungeachtet der allgemein bekannten Tatsache, dass Erbauseinandersetzungen – auch bei Zwangsversteigerung – etliche Jahre dauern können, fiel der Mann fortan durch alle Raster. Den Beamten auf den Behörden… Mehr

Digenis Akritas
11 Monate her

Die Rentner, die ich sehe, erfreuen sich eines munteren Ruhestandes. Schon zu 9,-Euro-Ticket-Zeiten füllten rüstige Radgruppen komplette Regionalzüge. Bin selbst Pendler und gehöre zur Minderheit der Arbeitenden aus der „freien“ Wirtschaft.
Mit Verlaub, es soll niemand für seinen Jahrgang bzw. seine Lebensleistung angegriffen werden, doch aktuell in Dtl. geht es Rentnern und Migranten richtig gut!
Es mag Ausnahmen geben und mit absoluter Sicherheit gilt das Beschriebene für den „Ruhestand“ meiner Generation…

vinkd
11 Monate her
Antworten an  Digenis Akritas

Mit welchem Hintergrundwissen vergleichen Sie eigentlich Rentner mit Migranten? Ich sehe Unmengen von alten Flaschensammlern, Bürger z.B. in München, die als Rentner nicht mehr die Miete leisten können, Betagte als Tafelbesucher in NRW,…..All das betrifft keine Migranten und war in der letzen Generation kaum für Rentner der Fall.

Micky Maus
11 Monate her
Antworten an  Digenis Akritas

Schämen Sie sich nicht für ihre Darstellung? Was ermächtigt Sie, sich so über Rentner zu äußern? Ich kenne viele Rentner, die jeden Monat über die Runden kommen müssen, und dabei schon auf bestimmte Annehmlichkeiten (z.B. unfreie Medikamente, Kinobesuch, Eisbecher etc.) verzichten müssen, weil sie ihre Fixkosten irgendwie begleichen müssen, von einer mickrigen Rente, obwohl sie 45 Jahre gearbeitet haben ? Ich stimme ihnen aber vollkommen zu, dass es Migranten sehr gut geht. Diese ungern Gesehenen (aber von einigen Regierungsmitgliedern als Migranten bezeichnet) brauchen sich über Bezahlung von Miete, Strom, Heizung usw. keine Gedanken machen, dafür hat der Staat Milliarden parat,… Mehr

Philokteta
11 Monate her
Antworten an  Digenis Akritas

„ Denn die einen sind im Dunkeln Und die andern sind im Licht. Und man siehet die im Lichte Die im Dunkeln sieht man nicht. “ ― Bertolt Brecht

thinkSelf
11 Monate her

Geliefert wie auch von der aktuellen Rentnergeneration mit Begeisterung und ständig wiederholt bestellt. Mein Mitleid hält sich in sehr engen Grenzen.

Aegnor
11 Monate her

Schwieriges Thema. Der vorletzte Absatz zeigt ja, wie die anderen EU-Staaten die Alterarmut drücken. Indem sie einfach mehr Geld dafür ausgeben, was sie de facto auch nicht haben. Dabei verlassen sie sich auf die deutsche Bonität zur Verschuldung oder gleich direkt auf EU-Zahlungen. Das kann also auch keine dauerhafte Lösung sein – für Deutschland mit seinem Millionenheer an künftigen Rentnern (Bayboomer) schon gar nicht. Es ist auch leicht immer zu behaupten, wir müssten nur aufhören die ganze dritte Welt zu uns einzuladen und Geld an andere Länder zu verschenken und schon wäre alles in Butter. Das stimmt natürlich nicht –… Mehr

Geezer
11 Monate her

Man diskutiert ja auch darüber die große Witwenrente zu reduzieren bzw. deren Bezugsdauer zu beschränken. Viele ältere Pflegebedürftige (wegen der Lebenserwartung vorallem Frauen) die heute in Pflegeheimen sind, könnten sich ohne die Witwenrente den Eigenanteil gar nicht leisten und wären Sozialfälle. Wie man hier mit alten Menschen umgeht ist beschämend, was sich auch sehr gut bei der Corona Politik widergespiegelt hat. Dabei bekommt jeder Ukrainer oder Familiennachzögler, der das Rentenalter erreicht hat, hier Grundrente, obwohl er nie in die Rentenkasse eingezahlt hat. Die Rentenanwartschaften für Hinterbliebene wollen die Linksgrünen aber beschränken. Deutschland wird in absehbarer Zeit das Armenhaus Europas werden,… Mehr

ChristianFuelle
11 Monate her

Leider sind die Rentner auch die, welche Angela Merkel durch ihr Wahlverhalten 16 Jahre im Amt gehalten haben. Sie waren die eindeutig größte Wählergruppe die ihr Kreuz bei der Merkel-CDU gemacht haben. Die Quittung dafür wird gerade präsentiert. Und das ist erst er Anfang. Die Merkel-Jünger arbeiten mit Hochdruck daran das es noch viel schlimmer wird. Eingeschränkte medizinische Leistungen da kein Geld mehr da ist. Angriff auf Ihr Vermögen und Ihre Wohnsituation, (Häuser, große Wohnungen), leere Rentenkassen (hier wird ein Rentenkürzung kommen – ganz sicher) und galoppierende Inflation. Und wenn das noch nicht reicht. Die Alte Menschen treten in Zukunft… Mehr

Sonny
11 Monate her

Es ist wirklich kein Wunder, dass die Deutschen mit stetig steigender Tendenz die Lust am Arbeiten verlieren. Der Sinn, arbeiten zu gehen, verschwindet immer mehr, es bleibt eh kaum noch was übrig vom erschufteten Geld. Die Steuerzahlungs- und Abgabenverpflichtungen sind total ausgeufert, die Preise explodieren, die Energieknappheit verschärft alles zusätzlich, ebenso wie die Millionen von Sozialhilfeempfängern, die jedes Jahr über unsere praktisch nicht existente Grenze schwappen. Der Reformstau ist erdrückend, die Infrastruktur marode und bei der Verarmung des Großteils der Menschen in diesem Land kann man praktisch mit der Kamera zuschauen. Die Bildung ist nur noch ideologisch beeinflusst und hat… Mehr

LiKoDe
11 Monate her

„Senioren in Deutschland leiden eher unter Armut als die in anderen europäischen Staaten.“ Diese Entwicklung begann ab 1973 als wegen weltpolitischer Änderungen [Ölpreiskrise] in Deutschland eine Rezession einsetzte und die Anwerbung von Kontraktarbeitern aus Nicht-EWG-Staaten gestoppt wurde. Denn der dann einsetzende massenhafte Armutszuzug in die deutschen Sozialsysteme über die ‚Familienzusammenführung‘ wurde bis heute nicht nur nicht gestoppt sondern stetig beibehalten und ab 2015 durch CDU/CSU+SPD(+Grüne+Linke+FDP+Medien+Kirchen+Migrantenlobbygruppen …] massiv verstärkt. Deshalb titelte bereits der Spiegel [ 31/1973 vom 29.07.1973] u.a. folgendes: »Die Türken kommen – rette sich, wer kann« ‚Fast eine Million Türken leben in der Bundesrepublik, 1,2 Millionen warten zu Hause auf die… Mehr

JamesBond
11 Monate her

Es geht um Unabhängigkeit der Menschen, diese soll von den Blockparteien zerstört werden!

Teiresias
11 Monate her

Das niedrigere Armutsrisiko z.B. in Südeuropa basiert auf der Subventionierung durch Schuldenvergemeinschaftung mit Deutschland.
Die absehbare Pleite Deutschlands wird das Armutsrisiko im Süden angleichen.
Lediglich die höhere Eigenheimquote und die klimatisch bedingt niedrigeren Energiekosten ewrden einen Unterschied machen, falls die Eigenheimbesitzer im Süden nicht genauso politisch bekämpft werden wie in Deutschland.