A 45: Rahmede-Talbrücke nach Rekordbauzeit wieder befahrbar

Nach mehr als drei Jahren Sperrung ist die Talbrücke Rahmede auf der Sauerlandlinie (A45) seit heute wieder für den Verkehr freigegeben. Damit endet eine der folgenreichsten Infrastruktursperrungen in Nordrhein-Westfalen, die den Verkehr rund um Lüdenscheid massiv belastet hatte. Ein Nadelöhr von vielen ist beseitigt.

picture alliance/dpa/Revierfoto | Revierfoto
Freigabe der Talbrücke Rahmede am 22.12.2025 in Lüdenscheid, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder und Bundeskanzler Friedrich Merz, 22.12.2025

„Die Not war groß in der Region“, gab NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst auf der neu gebauten Rahmedetalbrücke zu. Selbst kurze Strecken seien schlecht zu kalkulieren gewesen, so Wüst weiter. Die Lüdenscheider seien durch Lärm, Unfälle und Stau stark belastet worden. Doch jetzt – nach für deutsche Verhältnisse erfreulich kurzer Bauzeit – kann seit heute die Brücke wieder befahren werden, zuerst nur auf einer Seite, aber immerhin die gute Nachricht: Der Verkehr muss sich nicht mehr durch enge Ortsdurchfahrten quälen oder weiter Umwege über Köln nehmen.

Mit der Wiedereröffnung der Talbrücke Rahmede kehrt ein zentrales Nadelöhr der Sauerlandlinie zumindest teilweise in den Normalbetrieb zurück. Nach vier Jahren Vollsperrung wird ab heute die erste Hälfte des Neubaus für den Verkehr freigegeben – früher als ursprünglich geplant. Für Lüdenscheid und die gesamte Region ist das eine Zäsur: infrastrukturell, wirtschaftlich und politisch.

Die Brücke war am 2. Dezember 2021 ohne Vorwarnung gesperrt worden. Wie TE damals mehrfach berichtete, war es seinerzeit ein Schock. Den Brückenexperten müssen die Knie geschlottert haben, als sie auf der Autobahn A 45 die Talbrücke Rahmede genauer inspiziert hatten: Bei einem Laserscan des Brückenbauwerks entdeckten sie starke Verformungen im Überbau und sprachen anschließend von einem sehr labilen Zustand. So labil, dass die Tragsicherheit nicht mehr garantiert werden könne. Sie ließen sofort die Brücke in beiden Fahrtrichtungen sperren.

Es handelte sich jedoch nur um den nächsten Brückengau im deutschen Autobahnnetz: Nach der Salzbachtalbrücke bei Wiesbaden in Hessen war mit Rahmede nun auch die A45 unterbrochen – eine der wichtigsten Nord-Süd-Achsen Deutschlands.

Die Folge: Die Sauerlandlinie war abrupt blockiert, Alternativrouten fehlten, der Verkehr wurde durch das Stadtgebiet von Lüdenscheid gezwungen. Schon damals war klar, dass dies den ohnehin überlasteten Kölner Raum zusätzlich treffen würde – über Ausweichrouten wie A3 und A1, während zugleich andere Rheinbrücken nur eingeschränkt nutzbar waren.

Der schlechte Zustand der Rahmedetalbrücke war seit Jahren bekannt. Probleme hatten sich bereits lange vor 2021 abgezeichnet, doch der Ersatzneubau, bereits seit 2014 (!) geplant, wurde von der Politik immer wieder verschoben. Man hatte entschieden, andere Brücken vorzuziehen und den Verkehr auf der Rahmede-Brücke auf je eine Spur zu begrenzen – eine Entscheidung, die Verantwortliche später selbst als Fehler einräumten. „Aus heutiger Sicht war das nicht richtig“, hieß es damals aus der Autobahnverwaltung. Der Neubau hätte unter normalen Umständen acht bis zehn Jahre gedauert.

Mit der Vollsperrung begann für Lüdenscheid eine jahrelange Tortur. Statt zuvor rund 238 nicht ortsgebundener Lastwagen rollten täglich bis zu 7.500 Lkw und mehr als 10.000 zusätzliche Pkw durch Wohngebiete. Anwohner berichteten von Staus, Lärm, beschädigten Straßen und gefährlichen Situationen – erst 2023 wurde ein Durchfahrtsverbot für ortsfremde Lkw eingeführt. Pendelzeiten explodierten, Wege zum Supermarkt konnten eine Stunde dauern.

Auch wirtschaftlich traf die Sperrung die Region hart. Eine Analyse des Softwarehauses Datev zeigt, dass die Umsätze der Unternehmen im Märkischen Kreis nach der Sperrung deutlich langsamer wuchsen als im Bundesdurchschnitt – in den ersten Quartalen 2022 um vier bis sechs Prozentpunkte weniger. Besonders das Verarbeitende Gewerbe litt. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln beziffert den volkswirtschaftlichen Schaden auf rund 1,5 Milliarden Euro, verursacht durch Staus, Umwege, Umsatzverluste, höhere Transportkosten und Probleme bei der Fachkräftegewinnung. Viele Unternehmen verloren Mitarbeiter, andere verlagerten Teile ihres Geschäfts. Das zeigt, wie wichtig funktionierende Infrastruktur ist.

Hehre Worte heute also bei der Wiedereröffnung mit Bundesverkehrsminister Schnieder und NRW-Ministerpräsident Wüst, die als Beleg für ein neues „Deutschlandtempo“ gefeiert wurden. Sogar Kanzler Friedrich Merz wollte nach den Klatschen der letzten Tage mit aufs Foto, das wenigstens eine gute Nachricht vermittelt. Immerhin das Symbolband auf neuer Straße durchzuschneiden gelingt Merz noch. Dass die Brücke früher eröffnet als geplant, sei ein Geschenk. Das sagte mit Wüst der Mann, der auch mal Verkehrsminister in NRW war und nichts zur Beschleunigung getan hatte.

Tatsächlich ging der Neubau vergleichsweise schnell voran: 31 Monate nach der Sprengung der alten Brücke und 26 Monate nach der Grundsteinlegung steht die erste Hälfte. Möglich wurde das durch beschleunigte Genehmigungen und ein besonderes Bauverfahren, bei dem die Brückenteile von beiden Talseiten über die Pfeiler eingeschoben wurden. Zunächst trägt eine provisorische Fahrbahndecke den Verkehr; die zweite Brückenhälfte soll bis Ende 2026 folgen.

Der Neubau kostet rund 170 Millionen Euro, inklusive Abriss, Sprengung und Sanierungen summieren sich die Kosten auf etwa 270 Millionen Euro. Doch Rahmede ist kein Einzelfall. Entlang der A45 gibt es rund 60 Talbrücken aus den 1960er- und 1970er-Jahren, viele davon in schlechtem Zustand.
Deutschland rettet das Klima der Welt, leider gehört langweilige Infrastruktur wie Straßen und Brücken nicht dazu.

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Kommentare ( 43 )

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horrex
5 Stunden her

„Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln beziffert den volkswirtschaftlichen Schaden auf rund 1,5 Milliarden Euro, verursacht durch Staus, Umwege, Umsatzverluste, höhere Transportkosten und Probleme bei der Fachkräftegewinnung. Viele Unternehmen verloren Mitarbeiter, andere verlagerten Teile ihres Geschäfts. Das zeigt, wie wichtig funktionierende Infrastruktur ist.“ 270 Mio. (all inclusive) kostete die Neue. Mit Gequatsche von „einem Geschenk“ werfen sich die Herren auch noch in die nur eingebildete Heldenbrust. Ich fühle mich – inzwischen fast täglich – verkackeiert, verar… ! Über das hinaus wird – wieder einmal – deutlich klar warum die vereinigte grün-rot-knallrote Fraktion gegen sämtlichen Straßen- und Ausbau ist. Er… Mehr

Flaneur
5 Stunden her

Lt. Wikipedia wurde die Brücke 1965 komplett in DREI Jahren errichtet. Bananenrepublik Deutschland schafft 2025 eine Hälfte der Brücke in VIER Jahren und feiert das als große Leistung. Bin ich der Einzige, der das einfach nur lächerlich bis nah am Schwachsinn findet?

Rasio Brelugi
5 Stunden her

Das Band, das die da in de Händen halten, ist schwarz-rot-gold!
Ist der Staatsschutz schon verständigt?

Dieter Blume
5 Stunden her

Eine Erfolgsmeldung jagt die andere. Ich habe soeben im Volksempfänger gehört, dass der Kartoffelsalat dieses Jahr günstiger ist als im letzten Jahr. Da könnte man doch glatt die täglichen 80 Messerangriffe vergessen.

Harry Hirsch
5 Stunden her
Antworten an  Dieter Blume

Dass statt 1kg nur noch 750g in der Packung sind, haben sie natürlich nicht dazugesagt.

Mausi
5 Stunden her

Man soll bekanntlich den Tag nicht vor dem Abend loben: Mal schauen, wann die zweite Hälfte fertig wird.

verblichene Rose
4 Stunden her
Antworten an  Mausi

Etwa zu dem Zeitpunkt, zu dem die erste Hälfte wieder baufällig ist.

alter weisser Mann
6 Stunden her

Was haben die Typen mit den Scheren damit zu tun, dass die Brücke jetzt halbfertig ist?

Dieter Blume
5 Stunden her
Antworten an  alter weisser Mann

Die freuen sich darauf, diese verhasste Band in den Nationalfarben schwarz/rot/gold zu zerschnippeln.

schmidttom1966
6 Stunden her

Jetzt sollen wir wohl zum Dank für die neue Brücke die Partei lobpreisen, die über 20 Jahre die Infrastruktur verkommen lassen hat. Armes Deutschland. Wenn man ins Ausland fährt, egal welche Richtung, sieht man erst, wie tief wir gesunken sind.

Thomas Blobel
6 Stunden her

Wenn ich richtig rechne, könnte der Bund für eine Steinmeier-Wohnung (Entschuldigung: Residenz) vier Talbrücken bauen.

Deutscher
6 Stunden her

Passendes Detail: Sie zerschnippeln das Land wie das Band.

eisenherz
7 Stunden her

Es sei bezüglich der Bauzeit von deutschen Großobjekten an den Stuttgarter Bahnhof und den Flughafen in Berlin erinnert.
Von den Kosten dieser modernen unvollendeten Königsgräber wie im alten Ägypten erst gar nicht zu schreiben.

verblichene Rose
4 Stunden her
Antworten an  eisenherz

In Deutschland stehen noch gut erhaltene Römische Viadukte. Und in Ägypten kann man Königsgräber immer noch bestaunen.
Was konnten die Menschen damals, was die Leute in Deutschland heute nicht können? Vielleicht war es die Drohung, daß die Baumeister bei einem Versagen gevierteilt werden…?