Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages schmetterte heute den Einspruch des BSW ab. Trotzdem hängt Merz’ Koalition weiter am seidenen Faden: Es geht um 9.529 Stimmen.
picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopr
Bundesweit 9.529 Stimmen oder 0,019 Prozentpunkte – so viel trennte das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ im Februar 2025 vom Bundestagseinzug. Die mit einem Ergebnis von 4,981 Prozent gescheiterte Partei forderte deshalb schon unmittelbar nach der Wahlnacht eine exakte Auszählung. Denn die wenigen Zehntelprozent, um die es hier geht, liegen im Bereich der sogenannten Fehlertoleranz, also der unabsichtlichen Falschauszählung in Wahllokalen. Fast überall, wo ein Ergebnis tatsächlich noch einmal Stimmzettel für Stimmzettel überprüft wird, so die Erfahrung, kommt etwas anderes heraus als beim schnellen Zähldurchgang am Wahlabend.
Meist handelt es sich bei einer nachträglichen Korrektur nur um einige wenige Voten auf oder ab, die für das Gesamtergebnis in aller Regel nichts bedeuten. Aber in diesem Fall geht es gerade um diese hauchdünnen Abweichungen, und sie bedeuten sehr viel. Nicht nur für das BSW, sondern für den gesamten Bundestag und die Regierungskoalition in Berlin. Wenn das BSW per Nachzählung doch noch über die Fünfprozenthürde und ins Parlament käme, würde sich dort die gesamte Sitzverteilung verschieben – und zwar so, dass die schwarz-rote Allianz von Friedrich Merz auf einmal ohne Mehrheit dastünde.
Der designierte BSW-Vorsitzende Fabio De Masi weist in einem Beitrag für die WELT auf statistische Auffälligkeiten im Wahlergebnis hin, die eine Neuauszählung nahelegen: Etwa 60 Prozent aller im vorläufigen Wahlergebnis bereits nachträglich korrigierten Stimmen, so der Europaabgeordnete, seien im Februar auf das BSW entfallen – mehr als auf alle anderen Parteien zusammen. Statistisch sei aber zu erwarten, dass die meisten Korrekturen die stärksten Parteien betreffen. So verhielt es sich auch bis 2021. Als Ursache vermutet De Masi, dass in den meisten Bundesländern die Kleinstpartei „Bündnis Deutschland“ auf dem Wahlzettel direkt über dem BSW stand.
Etliche Wahlhelfer, so seine Vermutung, hätten bei der Auszählung die ähnlich klingenden und nah beieinander platzierten Parteien verwechselt. Dafür spricht, dass in einigen Wahllokalen mehr Stimmen auf das „Bündnis Deutschland“ als auf das BSW entfielen, obwohl das „Bündnis Deutschland“ bundesweit gerade 76.000 Stimmen erhielt, das BSW aber 2,5 Millionen. Das BSW nahm selbst eine Stichprobe von 50 Nachzählungen vor, bei denen durch eine nachträgliche Kontrolle 15 zusätzliche, zunächst übersehene oder falsch gewertete Stimmen für das BSW dazukamen. De Masis Argument: Hochgerechnet auf das gesamte Bundesgebiet würde das einem Plus von 28.000 Stimmen für das BSW entsprechen – also mehr als genug für einen Bundestagseinzug.
Eine Reihe von Publizisten und Juristen von konservativ bis links fordern die Neuauszählung mit dem Argument, dass alle Zweifel an der Legitimität der Sitzverteilung im Bundestag ausgeräumt werden müssten. Zu den Unterstützern zählen die Publizistin Franziska Augstein, der Politikwissenschaftler Johannes Varwick, der Staatsrechtler und ehemalige sächsische Verfassungsrichter Christoph Degenhart, der ehemalige Bundesrichter Wolfgang Neskovic, der Ex-Vizepräsident der EU-Kommission Günter Verheugen, der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel und der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse. Im Bundestag selbst sprach sich bisher die AfD für eine Überprüfung der Wahlzettel aus.
Außerdem seien die lokalen Kreiswahlausschüsse unabhängig, die Bundeswahlleiterin könne keine Überprüfung anordnen. Nur: Nach dieser Logik bräuchte es gar keine zentrale Feststellung und damit auch keinen Bundestags-Wahlprüfungsausschuss. Die Bundeswahlleiterin kann zwar formal nichts anordnen – allerdings, sollte der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages zu dem Ergebnis kommen, dass berechtigte Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses bestehen, die Kreiswahlleiter ihrerseits um eine Neuauszählung bitten. Dem würde sich wohl wegen des öffentlichen Drucks kaum einer der Verantwortlichen verweigern können.
Gegen die Ablehnung des Einspruchs kann das BSW beim Bundesverfassungsgericht klagen. Diesen Schritt kündigte die scheidende Vorsitzende Sahra Wagenknecht schon an. Eine Frist für die Entscheidung in Karlsruhe gibt es nicht.
In Berlin musste die Abgeordnetenhauswahl von 2021 wegen massiver Wahlfehler wiederholt worden – gegen den Widerstand der damaligen Regierungsparteien. Dazu hatten die Recherchen von TE zu starken Unregelmäßigkeiten und Manipulationen bei der Stimmauswertung entscheidend beigetragen. Das Bundesverfassungsgericht verfügte auch eine Teilwiederholung der Bundestagswahl in einigen Berliner Stadtteilen, die zweieinhalb Jahre nach dem ursprünglichen Wahltermin in der Hauptstadt stattfand.
Dieses Risiko einer späteren Gerichtsentscheidung, die das gesamte wacklige Regierungskonstrukt von Union und SPD umstoßen würde – auch wenn es nicht um Neuwahl, sondern nur um ein neues Durchzählen geht – , hängt ab heute über der Kanzlerschaft von Friedrich Merz.




Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
„Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten“ Kurt Tucholsky
In Amerika haben die was verändert.
Und würden die Nix verändern, müsste eine Alternative nicht bis aufs Blut bekämpft werden.
Nun, die Alternative müsste aber auch erst einmal beweisen, dass sie nicht nur etwas verändern will, sondern auch etwas verändert.
Auch wenn ich AfD wähle bin ich mir nicht sicher, dass, wenn sie die Möglichkeit dazu hätte, sie auch das ganz große Rad drehen würde.
„Wenn sie könnte“ ist das Problem. Die Altparteien haben so viel Unsinn ins GG geschrieben, Gesetze erlassen, Souveränität an die EU, die WHO und sonstige demokratisch nicht legitimierte Institutionen abgegeben, internationale Verträge unterzeichnet, das alles rückgängig zu machen, dürfte auch für die AfD, selbst bei absoluter Mehrheit schwierig bis unmöglich sein, und wenn, dann würde es länger dauern, als ein oder zwei Legislaturperioden. Das dürfte das Hauptproblem der AfD (oder einer anderen Partei) werden, wenn sich die Machtverhältnisse ändern. Dazu kommt die systemkonforme Besetzung von Schlüsselpositionen, sei es das BVerfG, Verwaltungsgerichte, Rundfunk/Rundfunkrat, Medien etc., bis hin zu kleinen Angestellten in… Mehr
Wie sollen denn die Manipulationen bei der letzten Auszählung wieder rekonstruiert werden? Eine Neuauszählung können die Lügner gar nicht riskieren, würde dann doch vielleicht ein völlig anderes Ergebnis insgesamt rauskommen, und damit die Manipulationen bestätigen.
Es wird dabei bleiben, keine Neuauszählung, wo kämen wir denn hin, wenn diese Regierung in Nöte geraten würde. Demokratische Regeln sind doch längst abgeschafft!
Die Verzögerung der Beschwerde durch den Wahlausschuß ist eine offensichtliche Demokratieverachtung durch die Unsere Demokratie- Blockpartei. Sollte die Klage des BSW vor dem BVG erfolgreich sein und wider Erwarten zeitnah erfolgen, müßte sich Merz von den Grünen oder der SED-Linken erneut zum Kanzler wählen lassen und eine Dreier-Koalition eingegehen. Viel unangenehmer wäre es aber für die Union und die SPD, wenn dann mit den Stimmen von AfD und BSW ein Untersuchungsausschuß zu den Corona-Verbrechen installiert würde, der die derzeitige Laber-Kommision ablösen würde.
.
Sollte das BSW beim Bundesverfassungsgericht klagen, ist zu befürchten, daß genau dasselbe passiert wie bei der Abwahl von Kemmerich durch den Verstoß von Merkel gegen die Neutralitätspflicht. Denn die vermutlich erfolgreiche Klage des BSW wird erst dann verkündet werden, wenn der Amtsinhaber nicht mehr im Amt ist.
Wenn das BSW klagt, werden die Parteibuchrichter des links-grünen Altparteienkartells in Karlsruhe sicherlich lange genug beraten, damit das Urteil auf jeden Fall erst nach der nächsten Wahl feststeht und sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Wäre doch gelacht, wenn „unsere Demokratie“ auch noch auf demokratische Spielregeln achten müsste. Wo kommen wir denn hin, wenn jede Partei auf faire Behandlung besteht? 🙂
Ich glaube, sollte dieses Bundesverfassungsgericht zu einer vernünftigen Entscheidung kommen, muss Mutti wieder mal ein Essen springen lassen, und es erneut einnorden.
Unabhängige Gerichte !
Was kommt als Nächstes ?
Abgeordnete, die nur ihrem Gewissen verpflichtet sind ?
Parlamentarier, die vom Bürger direkt gewählt werden ?
Gar, daß der Bürger – Der blöde Plebs hat die Fresse zu halten und zu arbeiten ! – auch noch die Partei wählt, den er will ?
Liebe TE Redaktion. Ihr redet aber nicht von exakt dem Bundesverfassungsgericht, daß auch seit Monaten über das extrem knifflige Problem nachdenkt, ob der zweitgrößten Fraktion des Bundestags, auch der zweitgrößte Sitzungssaal des Bundestags zusteht ?
Ich mein, alleine die Komplexität dieser zu treffenden Entscheidung ?
Zweitgrößte und ….., man halte sich fest, … zweitgrößte !
Tja, liebe Sarah. Wenn du dich nach den vielen Gründen fragst, warum es mit dem Einzug in den Bundestag nicht geklappt hat, schau mal von dir aus gesehen, nach links.
Exakt !
Warum sollte der Wähler sein Vertrauen in dieses abgehalfterte, verbohrte Personal legen ?
Ich wiederhole mich zwar, aber egal: Ich bin kein Fan des BSW. Ich halte deren Politik, deren Ideologie und deren Vorgehensweise für falsch, schlecht und surreal und ich freue mich wie ein Schnitzel, wenn die Partei nicht an die Macht kommt oder aus den Parlamenten fliegt. Jetzt kommt das große Aber. Eine Wahl muss immer korrekt ausgezählt werden. Es darf dabei keinen Verdacht auf einen Fehler geben. Eine Partei oder eine Parteiengruppe die eine nachträgliche Auszählung verhindern will, besonders bei einer so geringen Abweichung zum Einzug in den Bundestag, bekämpft nicht den politischen Gegner, sondern die Demokratie und den Bürger.… Mehr
Da bin ich absolut Ihrer Meinung. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Falschauszählung besteht – hier ja absolut möglich, alleine durch die sprachliche Nähe zum „Bündnis Deutschland“ – muss zeitnah neu ausgezählt werden, völlig unabhängig welches Ergebnis rauskommen könnte. Alles Andere ist ein Verrat an dem Souverän. Nur noch zwei weitere Anmerkungen, die nicht im Widerspruch zu dem Erstgesagten stehen. Erstens: Ein BSW wäre solide 2stellig in den Bundestag eingezogen, wäre die gute Sarah strategisch klüger, ihr Länderpersonal 2024 nicht so dumm, nicht so gierig, nicht so kurzsichtig gewesen. Zweitens: Seit der BT-Wahl dümpelt das BSW konstant bei nur 4%. Es ist… Mehr
In diesem Staat wird man mit formalen rechtsstaatlichen Mitteln nichts, aber auch nichts mehr erreichen. Das Land ist unter die Herrschaft von sozialistischen Kaderparteien gefallen, die von der Gemeindeverwaltung bis zum Bundespräsidenten reicht. Alles ist abgeschottet, hermetisch verschlossen. Kein Eindringen von außen mehr möglich. Und sollte, z.B. bei Wahlen dennoch etwas schief gehen, wird halt das Ergebnis im Nachhinein korrigiert bzw. ggf. bereits im Vorfeld “ gefährliche “ Kandidaten per “ Mehrheitsbeschluss“ eliminiert. “ Unseredemokratie „, das Kartell der Machthaber ist nicht reformierbar, der Parteienstaat gehört abgewickelt und durch ein frei gewähltes, von Parteien nicht beeinflussbaren Staatswesen ersetzt. Keine Listen,… Mehr