Angeklagt wegen eines Tweets: Prozess gegen Päivi Räsänen geht in die dritte Instanz

Seit sechs Jahren wird die ehemalige finnische Innenministerin Päivi Räsänen strafrechtlich verfolgt – wegen eines Tweets mit einem Bibelzitat. Doch die Staatsanwaltschaft gibt keine Ruhe: Nun wird das Verfahren in letzter Instanz vor dem Obersten Gerichtshof Finnlands verhandelt. Auf dem Spiel steht das Recht auf freie Meinungsäußerung in Europa.

picture alliance/dpa/Lehtikuva | Antti Aimo-Koivisto

Am 30. Oktober muss sich die ehemalige finnische Innenministerin Päivi Räsänen zum dritten Mal vor Gericht verantworten. Die praktizierende Christin, die mit einem lutherischen Pastor verheiratet ist, hatte 2019 in einem Tweet ihre Überzeugungen zu Ehe und Sexualität zum Ausdruck gebracht und ein Foto eines entsprechenden Bibelzitats angefügt. Tichys Einblick berichtete mehrfach.

Im Zuge der daraufhin erfolgenden Ermittlungen untersuchte die Polizei auch eine Broschüre, die Räsänen bereits 2004 für ihre Kirche verfasst hatte. Diese Kleinschrift mit dem Titel „Als Mann und Frau schuf er sie“ befasste sich ebenfalls mit Sexualität und Ehe aus christlicher Sicht.

Räsänen, die bereits seit 1995 für die finnischen Christdemokraten im Parlament sitzt, wurde schließlich im April 2021 zusammen mit dem lutherischen Bischof Juhana Pohjola wegen „Hassrede“ angeklagt. Diesem wurde die Veröffentlichung der Broschüre zur Last gelegt. Nach einstimmigen Freisprüchen in erster und zweiter Instanz legte die Staatsanwaltschaft neuerlich Berufung ein und zog mit dem Fall vor den Obersten Gerichtshof Finnlands.

Die Staatsanwaltschaft fordert eine Geldstrafe in Höhe von mehreren Zehntausend Euro und verlangt, dass Räsänens Veröffentlichungen zensiert werden.

Räsänen wird damit nunmehr seit sechs Jahren strafrechtlich verfolgt. Die Menschenrechtsorganisation ADF International (Alliance Defending Freedom) koordiniert die Verteidigung Räsänens. Sie sieht in dem Verfahren einen Präzedenzfall:

„Der Fall Päivis (…) verdeutlicht die Risiken, die durch die aktuellen Bestimmungen zu ‚Hassrede‘ in Finnland entstehen.“, heißt es in einer Stellungnahme der Organisation. „Wie dieser Strafprozess zeigt, machen zu weit gefasste Gesetze gegen „Hassrede“ Bürger anfällig für jahrelange Ermittlungen und Gerichtsverfahren, weil sie ihre Überzeugungen friedlich zum Ausdruck gebracht haben. Gesetze, die Aufstachelung zu Hass oder Gewalt verhindern sollen, dürfen niemals auf friedliche Meinungsäußerungen ausgedehnt werden (…).“

ADF International fürchtet darüber hinaus, dass dieses Vorgehen gegen unliebsame Meinungen in anderen Ländern Europas Nachahmer finden könnte und dass so der Raum für freie Meinungsäußerung weiter „drastisch“ eingeschränkt würde: In der gesamten EU häufen sich Fälle der strafrechtlichen Verfolgung von Äußerungen, die dem Recht auf freie Meinungsäußerung entsprechen.

Menschenrechtsorganisationen wie ADF weisen darauf hin, dass es hier nicht zuletzt darum ginge, ein Exempel zu statuieren und über einen „chilling effect“ Selbstzensur zu befördern. Der zermürbende medienwirksame Prozess gegen eine bekannte Persönlichkeit schüchtert Bürger ein, die daraufhin nicht mehr wagen, ihre Freiheitsrechte in Anspruch zu nehmen.

„Die Meinungsfreiheit ist einer der Grundpfeiler der Demokratie. Die Entscheidung des finnischen Generalstaatsanwalts, diese Anklage gegen Dr. Räsänen zu erheben, schafft eine Kultur der Angst und Zensur. Wenn engagierte Personen des öffentlichen Lebens wie Päivi Räsänen strafrechtlich verfolgt und vor Gericht gestellt werden, weil sie ihre tiefsten Überzeugungen äußern, hat dies eine abschreckende Wirkung auf das Recht aller auf freie Meinungsäußerung“, so Paul Coleman, Geschäftsführer von ADF International.

Räsänen selbst zeigt sich zuversichtlich. Nach zwei Freisprüchen habe sie keine Angst vor der Anhörung. Sie erhofft sich, durch einen dritten Freispruch „einen noch stärkeren positiven Präzedenzfall für das Recht aller auf freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit“ zu schaffen.


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Kommentare ( 35 )

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mediainfo
1 Monat her

Der zermürbende medienwirksame Prozess gegen eine bekannte Persönlichkeit schüchtert Bürger ein, die daraufhin nicht mehr wagen, ihre Freiheitsrechte in Anspruch zu nehmen.

Mal sehen wie das mit Norbert Bolz ausgeht.

ChrK
1 Monat her

Auf der einen Seite ist es beruhigend zu wissen, daß es auch andernorts, sagen wir mal, Übergeschnappte gibt. Die Finnen und Finninnen (zehnmal schnell sagen!) werden sich diese Zustände wohl auch selbst gewählt haben.

Auf der anderen Seite fragt man sich schon, wohin sich eigentlich der normale Menschenverstand zurückgezogen hat…sollte es ihn realiter je gegeben haben!

Casa Done
1 Monat her

Wer unterzeichnen möchte: es gibt eine Petition für Frau Räsänen.

Vor Gericht wegen eines Bibelverses: Verteidigen Sie die Meinungsfreiheit in Finnland

Polit-Legastheniker
1 Monat her

Wandel des Wahnsinns: In der Geschichte gab es immer Menschen die für die Gesellschaft nicht zu bieten hatten, ausschließlich mit sich selbst beschäftigt und unzufrieden waren, und dringend eine neue Identität brauchten um ihre innere Nutzlosigkeit mit Inhalt aufzufüllen. Diese „Identität” war immer thematisch mit dem Zeitgeist gebunden. Im Mittelalter haben die sich als Jesus, Maria oder Papst ausgegeben. Ergebnis: häufig landeten sie auf einem Scheiterhaufen oder im enem dunklen Loch. Im 19. Jahrhundert haben sie sich als Napoleon oder König ausgegeben. Ergebnis: sie landeten meistens in einer geschlossenen Anstalt für Jahrzehnte. In den 70 Jahren des letzten Jahrhunderts: haben… Mehr

Walter81
1 Monat her

Willkommen bei der SOROS-WEF Mafia.

Mausi
1 Monat her

Die Staatsanwaltschaft sollte sich mal mit dieser Intensität mit Aussagen „woker“ Politiker beschäftigen. Vieles ließe sich von der Staatsanwaltschaft durchaus als verfassungsfeindlich einstufen. Aber anscheinend will sie nicht – und zumindest in D darf sie nicht.

Last edited 1 Monat her by Mausi
siebenlauter
1 Monat her

Mich macht niemand zum Meinungseunuchen.

Deutscher
1 Monat her

Weiß ja nicht, wie die Finnen so drauf sind, aber in Deutschland wäre es auf jeden Fall hilfreich, statt der Bibel den Koran zu zitieren.

Last edited 1 Monat her by Deutscher
Unglaeubiger
1 Monat her

Wo bleiben eigentlich die wissenschaftlichen Beweise/Nachweise über die schon über 100 unterschiedlichen Geschlechter? Wo ist der Mann, von dem behauptet wurde er könne ein Kind gebären? Oh. sorry, Wissenschaft ist weder Debatte, Diskurs oder Streit, sie ist nur mehr politisch angeordnet! Na dann gute Nacht, der Menschen Vorfahren waren ja die Affen, gehen wir halt einfach wieder zurück. Bin nur leider zu alt und zu gebrechlich um mich noch von Baum zu Baum zu schwingen. Macht nix, im nächsten Leben dann, ganz bestimmt, oder doch nicht?

Walter81
1 Monat her
Antworten an  Unglaeubiger

Es handelt sich um den organisierten Wahnsinn des real existierenden Marxismus, finanziell unterlegt durch Oligarchen wie SOROS und WÜRTH.

Salvian
1 Monat her

Angenommen, auch die dritte Instanz entscheidet in diesem Fall (zufällig, bin ich versucht zu sagen) vernunftgemäß nach Recht und Gesetz – könnte man in Finnland dann eigentlich die Staatsanwälte anzeigen, die ihr Amt erwiesenermaßen und wiederholt dazu missbraucht haben, um die Religions- und Meinungsfreiheit zu sabotieren und normale Bürger einzuschüchtern? Jedenfalls bestätigt dieser Fall aufs neue, dass die LGBTQxyz-Bewegung schon seit vielen Jahren auf allen Ebenen freiheitsfeindliche, totalitäre Ziele verfolgt.