„Mein politisches Lebenswerk liegt in Trümmern“

Es war ein Treffen von Bürgerrechtlern, Politikern, Journalisten, Unternehmern und Weggefährten: der 70. Geburtstag von Arnold Vaatz, immer wieder auch Autor von TE.

picture alliance/dpa | Christophe Gateau
Arnold Vaatz (CDU) bei der Vorstellung des neuen Buches «Wir schaffen das – Erläuterungen zum politischen Wunschdenken» von Thilo Sarrazin auf dem Podium, Berlin, 28.07.2021

Arnold Vaatz hat eine große politische Karriere hinter sich: vom Mathematiker und Theologen zum früheren Bürgerrechtler; nach der Wende zum Staatsminister in Sachsen und Bundespolitiker der CDU. Zu seinem 70. Geburtstag hielt der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber eine Rede aus Sicht der Bürgerrechtler und mit der Erfahrung eines Parlamentariers:

„Lieber Arnold, liebe Siggi, liebe Familie Vaatz, ganz lieben Dank für diese Einladung in sehr illustrem Kreis. Wir fühlen uns geehrt.

Meine Frau Christiane gab mir mit auf den Weg, den Jahrgang 1955 zu erwähnen. Ein besonderer Jahrgang, wie sie feststellt. Wir drei, Arnold, Christiane und ich, sind 1955er und somit nun 70er. Allein dieses Zusammentreffen zeugt vom Besonderen des Jahrgangs, oder?

Wir sind nun 70 und blicken auf eine interessante Lebensreise bis hierhin zurück. Inzwischen leben wir freiwillig in der Bundesrepublik etwas länger, als wir zwangsweise in der Zone aufwuchsen.

Vor der Zäsur 2015 hätte ich das mit Euphorie erwähnt. Leider geschah in den letzten Jahren zu viel Grässliches mit und in der Bundesrepublik – von unfähiger Menschenhand sozusagen menschengemacht.

Ich mache das an einigen grundsätzlichen Erscheinungen fest.

Im Herbst 1989 und im Verlauf des Jahres 1990 erreichten wir zusammen mit sehr vielen Zonenbürgern:

  • Demonstrationsfreiheit
  • Freiheit
  • Demokratie ohne eine Verfassung in einem ideologisch einschränkenden Zwangskorsett, euphemistisch sozialistische Präambel geziehen
  • keine Zensur mehr
  • keine informellen Mitarbeiter und keine Meldungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle mehr
  • keine Zersetzung mehr
  • keine politisch gesteuerte Existenzvernichtung mehr
  • die endgültige Befreiung von den Russen am 31. August 1994 – der letzte Russe verließ das heutige Ostdeutschland hinter Polen und hinter das Baltikum

Wir lernten die Welt kennen uvm.

Rund zwei Jahrzehnte später überkamen uns nachhaltige Kipppunkte:

2011 das Seebeben vor Fukushima, welches 8.750,20 km Luftlinie weiter westlich Deutschlands wirtschaftliche Fundamente durcheinander wirbelte;

2013 warf die Bundeskanzlerin die Deutschlandfahne weg. Seitdem suchen die Deutschen ihre Identität in der grünwoken Wühlkiste;

2015 der Bruch von Dublin III, die Völkereinwanderung erschüttert nicht nur Deutschland bis heute.

Seit 2015 stricken die GrünRotLinken, leider auch unter Einschluss der früher konservativen CDU und der früheren Frei-Demokraten der FDP, die Demokratie der Bundesrepublik in Unseredemokratie um.

Ich sage es mal so: Von der sozialistischen Demokratie dank der Friedlichen Revolution 1989/90 in die Demokratie und von dieser in Unseredemokratie. „Den Sozialismus in seinem Lauf, halten weder Ochs’ noch Esel auf!“ prophezeite ein Dachdecker am 15. August 1989.

Was ist denn nun Unseredemokratie:

  • Es wird wieder zensiert.
  • Es wird wieder gemeldet, dieses Mal sogar öffentlich. Es geht um Delikte unterhalb der Strafbarkeitsschwelle.
  • Politische Verleumdungskampagnen werden staatlich wohlwollend betrachtet.
  • Es werden wieder Existenzen aus politischen Gründen zerstört.

Wir stehen vor einem Grundgesetz mit einem klimasozialistischen Vorschaltgesetz, sozusagen eine grünsozialistische Präambel, plus der aktuellen Gefahr, das Bundesverfassungsgericht politisch grünsozialistisch zu zementieren.

Haben wir beide uns im Kreis gedreht und sind in einer um die Bundesrepublik vergrößerten DDR angekommen?

Diese Bundesrepublik ist nicht die DDR. Noch werden das Gelbe Elend und Hohenschönhausen nur museal erhalten. Was steht uns noch bevor?

Ich rate allen heutigen Gästen schon mal präventiv, den heutigen wunderbaren Abend ab morgen zu vergessen und die heutige Anwesenheit künftig gegen Jedermann in Unsererdemokratie abzustreiten. Was wir heute reden, kann alles ein Fall für die Meldestellen zum Sammeln von Delikten unterhalb der Strafbarkeitsschwelle sein. Streichen Sie besser gleich Ihre Erinnerungen an mich und meine heutige Rede.

Noch sind die letzten Bemerkungen spaßig bzw. satirisch gemeint. Doch wissen wir, wann der Spaß ernst wird? Sind wir noch in der Lage, dieses mögliche Umkippen zu verhindern?

Lieber Arnold, hier und heute mit diesen Gästen in diesem wunderschönen Restaurant ist die Bundesrepublik von 1990 in ihren Schwarz-Rot-Goldenen Farben noch in Ordnung! Eine tolle gesamtdeutsche Personalschau.

Das ist dein Verdienst. Du, der junge Mann aus der Gruppe der 20, gehörst zu den Kronjuwelen der Bundesrepublik.

Ich bin gern dein Freund – im Politischen, mehr noch im Privaten! Für meine Frau Christiane, überhaupt für unsere Familie gilt das genauso.“

Arnold Vaatz reagierte mit dem Satz:

„Ich bin traurig und muss zugeben: Mein politisches Lebenswerk liegt in Trümmern.“

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Kommentare ( 72 )

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murphy
3 Monate her

Herr Vaatz sei getröstet: Es wurde auch Vielen – selbst einigen Wessis – klar was in Leben wichtig ist, wie grandios treffend Bärbel Bohley die Zukunft voraussah und wie einfach kranke Politiker unsere Zukunft zerstören können. Wir erkennen immer mehr, dass Merkel Blut an den Händen hat und wie krank sie war und handelte. Dito die von ihr gesiebte und gewendete CDU Diese Erkenntnis macht es wahrscheinlicher, das jetzige Brandmauer-Hass-Sysrem hält nicht so lange wie die DDR.

Rainer Schweitzer
3 Monate her

„Ich bin traurig und muss zugeben: Mein politisches Lebenswerk liegt in Trümmern.“ Sehr geehrter Herr Vaatz, ich kann Ihnen das sehr gut nachfühlen. Ich selber war nie politisch aktiv. Gleichwohl komme ich aus einem klassischen SPD-Haushalt, von Eltern, die sich nach dem Krieg auf dem Dorf aus kleinsten Verhältnissen hochgearbeitet haben, die alles gaben, damit die Kinder es einmal besser haben sollten. Meine Eltern haben immer SPD gewählt und ich einen großen Teil meines Lebens ebenso. Schauen Sie sich an, zu was diese Partei heute verkommen ist, welcher sozialistische, elitäre, ja totalitäre Geist sich dort breitgemacht hat! Heute habe ich… Mehr

Dieter Rose
3 Monate her
Antworten an  Rainer Schweitzer

Selbst das Lebenswerk, die Lebenswelten der vielen „kleinen Rädchen“ liegen in Trümmern. Ideale wurden wahrlich zertrümmert.
Mögen die uns Nachfolgenden daraus lernen: Nicht im Stillen wirken sondern zupacken und…laut werden – in jedem Sinn.

AM
3 Monate her

Herr Vaatz ist immer noch in dieser Partei, die letztlich an der ganzen Misere Schuld ist, weil sie immer konservativ blinkt, und links-grün handelt. Wer im Jahre 10 nach Willkommenskultur immer noch Steigbügelhalter, der ist mitschuldig, egal, was er in der Vergangenheit erreicht oder befürwortet hat.

Von Linken, Grünen, SPD ist nichts Gutes zu erwarten. Viel schlimmer aber sind Leute, die wie Vaatz, Konservative immer noch dazu bringen, CDU zu wählen.

Last edited 3 Monate her by AM
murphy
3 Monate her
Antworten an  AM

Ja sicher, Herr Vaatz sollte die CDU verlassen und zur CDU-Absplitterung AfD gehen. Nicht umsonst wird diese Partei so intensiv von Merkel und ihrem Einflussbereich bekämpft.

Fieselsteinchen
3 Monate her

Nun Herr Vaatz, in der Nachwendezeit haben Sie sich gut in der (sächsischen) CDU eingerichtet, Merkel war auch toll. Ich erinnere dazu an eine Warnung eines alten Mitstreiters, der Sie in die CDU eingeführt hat, die wollten Sie nicht wahrhaben. Es lief doch zu gut und mit der Majestät in Berlin wollte man sich nicht überwerfen, man hatte Ost-Gemeinsamkeiten. Und jetzt? Jetzt kommt der Satz mit x? Laut wurde man erst dann, als es nichts mehr zu gewinnen gab – oder gerade deswegen?

Rasparis
3 Monate her

„Die Friedhöfe der Welt sind voll von Leuten, die sich für unentbehrlich hielten.“ (Georges Clemenceau)

Also, Arnold: „Si tacuisses, philosophus mansisses.“

Vielleicht – so aber hast Du Deine Chance endgueltig vergeigt.

Last edited 3 Monate her by Rasparis
Rasparis
3 Monate her

Anton Vaatz blieb aber in der Merkel-Partei. Bis zum Austritt reichte der Mut (natuerlich) nicht – und erzaehlen Sie mir nicht, der wollte „Schlimmeres verhindern“. Das ist genau der Narrativ, der bei Vaatz und Konsorten klar durchklingt. Das habe ich in meiner Kindheit zu oft aus der Generation meiner Grosseltern gehoert. Nicht, dass die das „gewisse System“ -denkbarerweise, in einigen Faellen- 1932/1933 gewaehlt hatten, stoerte mich damals eher gefuehlsmaessig als aus der als Kind nicht vorhandenen Ueberlegung oder Gesamtschau heraus. Denn es ist einem 1965 „Nachgeborenen“ nicht gegeben, ueber die -gewiss fuerchterlichen- Zustaende in Deutschland der Jahre 1932/1933 und sich… Mehr

Talleyrand
3 Monate her

Unseres auch, nicht nur das politische, wegen Ihresgleichen. Allerdings ist Ihre Trümmerlage fett gepolstert mit unseren Steuergeldern.

Jogibaer
3 Monate her

Noch ein paar Jahre und Deutschland liegt in Trümmern, sicher nicht so wie nach der Herrschaft des GröFaz, aber im übertragenen Sinne.
Und wie zu Merkels Zeiten rumort es hier und da in der CDU, aber letztlich marschiert man Seit an Seit mit Fritz M. Richtung Untergang.
Wie das Deutschland der Zukunft aussehen soll hat Ulrike Herrmann bereits zu Papier gebracht.

Rainer Schweitzer
3 Monate her
Antworten an  Jogibaer

Nicht wie nach der Herrschaft des GröFaZ, sondern wie nach der Herrschaft des GröVaZ, des größten Volkswirtschaftlers aller Zeiten. Manche nannten ihn einen „Schwachkopf“, andere einen „Dummschwätzer“ oder „eitlen Fatzke“. Wir wissen ledigliich, daß er eindeutig der GröVaZ ist und sein Müsli mit Wasser schlabbert.
Jetzt regiert der GröLaZ, der größte Lügner aller Zeiten. Der wird nichts ändern, ist aber auch ein Superlativ.

Dreiklang
3 Monate her

Vaatz ist wieder einer von denen, die dazu beigetragen habe, über die Merkeljahre Deutschland zu ruinieren. Und leider gehören dazu auch die CDU-Wähler, die 2025 noch einmal meinten, für die CDU stimmen zu müssen. Da darf man auch gerne „enttäuscht“ sein.

Rasparis
3 Monate her

Ach, Herr Vaatz und Genosse Weissgerber – waeren Sie und Ihresgleichen 1989 nur geblieben, wo sie hergekommen sind; und haetten dort mit IM Erika, IM Larve, IM Notar und IM Victoria -Sie selbst waren wohl kein IM, wie ich vermute ?- weiter „“Buergerrechtler“ gespielt.
Uns „im Westen“ waere viel erspart geblieben.

Klaus Uhltzscht
3 Monate her
Antworten an  Rasparis

Naja. Die haben sich wohl eher mit Frank-Walter Steinmeier, Jürgen Trittin, Joschka Fischer, Olaf Scholz, Winfried Kretschmann, Robert Habeck und Bodo Ramelow von den westdeutschen Kommunisten und Maoisten verbrüdert.
In der Ostzone gab es damals keine Maoisten.

Rasparis
3 Monate her
Antworten an  Klaus Uhltzscht

Aber -wie in Bruxelles- Trotzkisten (vgl.Merkel), nicht weniger gefaehrlich.
Unter dem Strich alles die gleiche Mischpoke.

Biskaborn
3 Monate her
Antworten an  Rasparis

Es waren und sind die Westler die den Linken, auch aus der DDR, siehe Merkel, früher und jetzt massiv hinterherlaufen oder ist die AfD jetzt auch im Westen z.B. stärkste Partei?

Dire
3 Monate her
Antworten an  Rasparis

Wenn man sich im Rest der Welt so umblickt, wäre uns gar nichts erspart geblieben. Ob Spanien, Frankreich oder Kanada … waren das alles die „Ossis“ und „IMs“? Was Sie hier betreiben, ist auch nichts weiter als genau die von Ihnen vmtl. selbst monierte Spaltung.