Nach uns die Sintflut?

Deutschland lebt über seine Verhältnisse. Die GroKo scheint den 2018 überraschenderweise von Bund, Ländern und Gemeinden verbuchten Rekordüberschuss in Höhe von 58 Mrd. Euro als Einladung misszuverstehen, wieder einmal die Belastbarkeit der Wirtschaft zu überfordern und künftige Generationen „nachhaltig“ zu belasten.

© Getty Images

Vor allem die SPD ist offenbar bereit, ihre staatspolitische Verantwortung wahltaktischen Zielen unterzuordnen. Beinharte Klientelpolitik in Form von langfristig nicht finanzbaren Wahlgeschenken und sozialen Gefälligkeiten sollen den Niedergang der Traditionspartei stoppen. Hier bricht sich eine bedenkenlose Nach-uns-die-Sintflut-Mentalität Bahn. Ein Finanzminister, der sich als Gralshüter einer soliden Finanzpolitik geriert, dient da offenbar nur noch als Staffage. Berliner Kenner der Materie gehen mittlerweile davon aus, dass bereits über 10 Mrd. Euro eingespart werden müssten, um die schwarze Null für den Bundeshaushalt 2020 verteidigen zu können.

Die von Olaf Scholz in TV- Talkshows verbreitete Behauptung, Deutschland könne sich fast alles leisten, ist durch die konjunkturelle Abkühlung mit zunehmendem Rezessionsrisiko längst widerlegt worden. Gleichwohl geht die Bundesregierung neue finanzielle Verpflichtungen ein für unkalkulierbare Renten-, Pflege-, Gesundheits- und Kitaprojekte. Die FAZ kommentiert: „Was sind schon Abermilliarden für die Grundrente mit Gießkanne, es geht um Respekt! An CDU/CSU dürfte das kaum scheitern, auf eine Art Bedürftigkeitsprüfung wird man sich schon einigen. Schließlich weiß Schwarz-Rot, wie man seine wichtigste Wählergruppe, Ältere und Rentner, bedient.“ Und weiter heißt es: „Bald dürfte so mancher Ausgabetraum vom Haushaltsloch verschluckt werden. Wahrscheinlich wird zuerst wieder an der Zukunft gespart, denn seit Jahren überproportional gestiegenen Sozialausgaben gelten als tabu. Wiegt Berlin eigentlich noch jemand ab, ob die Früh- oder Mütterrente für Deutschland Zukunft wichtiger sind als Investitionen in Künstliche Intelligenz, den Breitbandausbau oder das Erlernen von Programmiersprachen an Schulen und Unis? Übrigens: Von der vollständigen Abschaffung des Solis redet kaum noch jemand.“

Explodierende Sozialkosten

Der vorgezogene Ruhestand belastet schon heute die Rentenkasse deutlich stärker als von der Regierung geplant. Es kann nicht überraschen, dass sehr viele Bürger die seit 2014 angebotene Möglichkeit, mit 63 Jahren Rente ohne Abschläge zu beziehen, nutzen. Das ifo-Institut beziffert die dadurch allein zwischen 2014 und 2016 entstandenen Mehrausgaben auf 6,5 Mrd. Euro. Durch Ausfälle bei Steuern und Sozialbeiträgen beliefen sich die Gesamtkosten in diesem Zeitraum sogar auf 12,5 Mrd. Euro.

Einer neuen Studie zufolge beabsichtigt jeder vierte der 12 Millionen Babyboomer, mit 63 Jahren in Rente zu gehen. Dadurch würde die Rentenkasse – wie der „Focus“ schreibt – förmlich explodieren. Obwohl das Rentensystem schon heute vom Steuerzahler mit jährlich 90 Mrd. Euro subventioniert wird und sich die Folgen der demografischen Entwicklung unerbittlich abzeichnen, stellen die Regierungsparteien nach der Rente mit 63 und der Mütterrente weitere Wohltaten wie die Grundrente für die Senioren in Aussicht. Damit wird in unverantwortlicher Weise gegen das ansonsten permanent reklamierte Gebot der Nachhaltigkeit verstoßen.

„Demokratie statt Umsatz“

Mit dem unsäglichen „Framing Manual“ hat die ARD neue Maßstäbe bei der medialen Manipulation und Desinformation gesetzt. Für die Erstellung dieses 89 Seiten umfassenden Pamphlets mit dem satirereifen Titel „Unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD“ hat eine bislang unbekannte Sprachwissenschaftlerin ein Honorar von 120.000 Euro aus dem Topf der GEZ-Zwangsgebühren kassiert. Das Papier warnt in erschreckend banaler Weise vor „medienkapitalistischen Heuschrecken“ und den „flatterhaften Händen des Kommerzrundfunks“. Mut machen sollen den ARD-Mitarbeitern weitgehend sinnfreie Etiketten wie „Gemeinsamer Rundfunk statt Informationsanarchie“, „Wir nehmen jeden ernst – auch Deine Oma“, „Demokratie statt Umsatz“ und „Exzellenz statt Profitfixierung“. Die Unsitte der Framing genannten Gehirnwäsche ist neuerdings auch in der Bundespolitik zu beobachten.

Spin-Doktoren haben offenbar eine „Strategie“entwickelt, die die Akzeptanz neuer Gesetzesvorhaben durch positiv aufgeladene Überschriften verbessern soll. Als abschreckende Beispiele können das „Gute-Kita-Gesetz“, das „Starke-Familien-Gesetz“ und das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ dienen. Hier eröffnet sich ein weites Betätigungsfeld für kreative Schöpfer euphemistischer Sprachregelungen, um die Empfänger der Nachrichten hinter die Fichte zu führen. In diesem Sinne empfiehlt die FAZ der Union und der SPD die Einbringung von Klartext- Initiativen unter den Bezeichnungen „Wir-schaffen-das-trotzdem-Gesetz“ und „Hartz-IV-ist-doof- Gesetz“. Um Missverständnissen vorzubeugen: Framing hat aber auch rein gar nichts mit Fake News zu tun!

Abnehmende Standortqualität

Das Institut für Weltwirtschaft (Kiel) sieht Deutschland in einer strukturell deutlich schlechteren Ausgangslage als im Krisenjahr 2008. Die Standortqualität habe sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Zu den größten Baustellen gehören die Automobilindustrie, die sich als Leitbranche in einem disruptiven Umbruch befindet, der Rückstand bei der Digitalisierung und der „vielerorts mitleiderregende Zustand“ der Infrastruktur. Auch bei der Steuerpolitik herrsche seit Schröders Kanzlerschaft kompletter Stillstand. Gerade bei den Unternehmenssteuern müsse die Regierung dringend nachbessern. Handlungsbedarf bestehe auch beim Abbau von Bürokratie und der Vorbereitung auf den demografischen Wandel. Angesichts der Tatsache, dass viele Handelspartner der Bundesrepublik selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, werde ein „Herauswachsen“ Deutschlands aus der Krise in der nächsten Rezession deutlich schwieriger sein als 2008.

Leben von der Substanz

Der Ökonom Dr. Daniel Stelter hat ein bemerkenswertes Buch vorgelegt mit dem Titel „Das Märchen vom reichen Land: Wie die Politik uns ruiniert.“ Der frühere Unternehmensberater diagnostiziert hierzulande eine gefährliche Wohlstandsillusion. Der Exportweltmeister sei in Wahrheit ein armes Land, abgewirtschaftet von einer falschen Politik, die Konsum vor Investitionen stelle. Die extrem hohe Exportabhängigkeit erhöhe die Krisenanfälligkeit. Der wirtschaftliche Erfolg beruhe auf tradierten Industriebranchen wie Automobil, Chemie, Maschinen- und Anlagenbau, während das Land in strategischen Zukunftsbereichen den Anschluss verloren habe.

Die Euro-Rettungspolitik der EZB enteigne die Sparer und senke die Zinslasten des Staates. Außerdem handele es sich hierbei um eine Umverteilung innerhalb der Eurozone, die die deutschen Steuerzahler zugunsten der deutlich vermögenderen Privathaushalte in Italien, Frankreich und Spanien stemmen müssten. Die Target2- Forderungen der Bundesbank von über 900 Mrd. Euro seien zins- und tilgungsfrei gewährte Kredite an das Ausland, die Deutschland erpressbar machten.

Obwohl die Steuereinnahmen in den letzten Jahren sprudelten wie nie zuvor, habe die Politik auf Konsum in Form von Renten und Sozialabgaben gesetzt, statt in die Zukunft zu investieren. Der deutsche Staat lebe von der Substanz und gefährde den künftigen Wohlstand. In einer fatalen Gesamtbetrachtung kommt Stelter zu dem Schluss, dass die zu erwartenden Kosten für die Euro-Rettung, die Zuwanderungspolitik, die Modernisierung der Infrastruktur, die latenten Sozialstaatslasten, die Energiewende und die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit ein unfassbar großes Volumen zwischen 6,2 und 9,3 Billionen Euro ausmachen.

Zum Vergleich: Das deutsche Bruttoinlandprodukt belief sich 2018 auf 3,38 Billionen Euro. Stelter zieht folgendes Fazit: „ Wir sind auf dem besten Weg, Deutschland zu ruinieren. Ein Land, welches durchaus das Zeug hat, ein ‛reichesꞌ Land zu sein. Ein Land, welches mit diesem Wohlstand seinen eigenen Bürgern ein gutes Leben ermöglichen und zugleich eine helfende Rolle in der Welt spielen könnte, ist dabei, diese Fähigkeit zu verlieren.

Wir müssen dringend umsteuern. Hinter der glänzenden Oberfläche unserer Wohlstandsillusion haben unsere Politiker in den letzten Jahren massive Lasten aufgebaut, die bei Weitem die Leistungsfähigkeit Deutschlands übersteigen. Würden wir sauber bilanzieren, müssten wir offen eingestehen, die Versprechungen nicht erfüllen zu können. Noch müssen wir diesen Offenbarungseid nicht abgeben. Noch können wir also handeln. Viel Zeit bleibt uns allerdings nicht. Schon in der nächsten Rezession wird unsere Wohlstandsillusion platzen und die Verteilungskonflikte werden offen ausbrechen.“


Der Unternehmer Dietrich W. Thielenhaus kommentiert aktuelle Entwicklungen in Politik und Wirtschaft.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 33 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

33 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Kaltverformer
5 Jahre her

Ich denke, man kann inzwischen davon ausgehen, dass die Immigration der kultur- und bildungsfernen Horden pro Jahr mindestens 50 Milliarden Euro beträgt.

Mein Dank dafür gilt Merkel, ihren linksgrünen Parteien und ihren NGO´s.
Ach ja, auch der CDU/CSU muss man dafür danken, dass sie sich lobotomieren hat lassen.

Nibelung
5 Jahre her

Die sind schon lange nicht mehr Herr ihrer Sinne, das hat man an ihren irrigen Entscheidungen die letzten Jahre gesehen und wenn man sich überlegt, daß sie deutsche Soldaten nach Mali schicken um dort die Uranminen zu schützen, damit die Franzosen ihre Kernkraftwerke ausbauen können und wir abbauen und gleichzeitig geht der Strom exorbitant nach oben, dann kann man schon die vertrakte Politik an diesem exemplarischen Beispiel erkennen, die hatte noch nie eine Strategie und sind nur Sachwalter anderer Interessen und da kommen solche Dinge wie überbordende Asyalantenaufnahme, Schreddern der deutschen Industrie, bellen auf Befehl und dabei die eigene Wirtschaft… Mehr

Armin V.
5 Jahre her

In der Rentenfrage lebt Deutschland ganz sicher NICHT über seine Verhältnisse!
**

karacho
5 Jahre her

Rechnen ist nicht so Ihr Ding wie mir scheint. Sie machen da eine Milchmädchenrechnung auf Herr Thielenhaus. Sie haben vergessen zu erwähnen, wer überhaupt in den Genuss der Rente mit 63 kommt. Los geht’s erst ab Jahrgang 1952. Die durften mit 63 Rente gehen und sind schon längst Rentner (vorausgesetzt sie haben 45 Jahre Malocht, sonst gibt’s Abzug). Auch ohne Rente mit 63 wären selbige in diesem Jahr weg. Jeder der später geboren ist, muß pro Jahr 2 Monate länger arbeiten. In meinem Fall (geb. 1959) sind das 14 Monate. Ich darf dann also im Alter von 64 Jahren und… Mehr

W aus der Diaspora
5 Jahre her
Antworten an  karacho

das wird allgemein sehr, sehr gerne vergessen, dass es schon längst keine Rente mit 63 mehr gibt, sondern nur eine Rente bis zu 2 Jahre früher.

Aegnor
5 Jahre her
Antworten an  karacho

Nun, auch wenn Sie nicht mit 63 in Rente gehen dürfen, gehen Sie ja immer noch die vollen zwei Jahre früher, als ohne dieses SPD-Wahlgeschenk. Auch sonst verstehe ich das Gejammer der Babyboomer-Generation nicht so ganz. Es war diese Generation, welche den Großteil ihres Erwerbslebens deutlich niedrigere Steuern und v.a. Sozialabgaben als die nachfolgenden Genrationen bezahlt hat und welche viel zu wenig Kinder in die Welt gesetzt hat. Und welche heute auf Renten (und Pensionen) besteht, zu Konditionen, von denen die zahlenmäßig viel kleineren Nachfolgenerationen, die dafür aufkommen müssen, nicht mal träumen können – sofern nicht doch irgendwann Robotisierung jegliche… Mehr

MaP
5 Jahre her
Antworten an  karacho

Das stimmt so nicht ganz! Ich bin 1950 geboren und konnte regulär ohne Abzüge mit 65 +4 Monate in Rente gehen.

Eine bedingungslose Grundrente nach 35 Beitragsjahren, die mit Übergangszeitenregelung auch schon nach 33 Jahren gezahlt werden könnte, finde ich mehr als ungerecht, da die angedachte Höhe dieser Rente nur unwesentlich unter meiner Rente liegen würde.
Es sollte endlich Gerechtigkeit geschaffen werden, indem die Beitragsjahre Ost die gleichen Rentenpunkte wie West ergeben würden. Nach 30 Jahren ist das mehr als überfällig!

Farbauti
5 Jahre her

Mal wieder ein Artikel zur Vermehrung der Spaltung. Hier die Variante Jung gegen alt. Wenn man die Rente bis zur Hungergrenze kürzt, merkt auch die olle SPD, das sie ein paar Einheimische zurückholen sollte, so sie denn selbst überleben will. Das mit dem Wahlrecht für die Neuen hat nicht so schnell geklappt, wie sich Kraft, Stegner, Schulz und Gabriel das so vorgestellt haben. Was brauchen wir denn wirklich? Ich meine die Abschaffung des Gießkannenprinzips, damit der Kaktus nicht ertrinkt und die Hortensie nicht vertrocknet. Und endlich mal Bildung……für Politiker. Einen Weckruf das es donnert für all die verpennten deutschen Bürger,… Mehr

Amerikaner
5 Jahre her

Ich sehe das ganz ähnlich. Während die Bundesregierung die Milliarden nur so verpulvert, sei es für die sog. Rettung des Euros, die sog. Rettung Griechenlands, die sog. Rettung des Klimas über die sog. Energiewende oder die sog. Rettung von Schiffbrüchigen oder sog. Flüchtlingen, der braucht sich um 5 Mrd. mehr oder weniger für Rentner dann auch nicht mehr um den Schlaf bringen, auch wenn es moralisch geradezu ekelerregend ist, sich die Wähler mit ein paar lumpigen Euro auf Kosten der Allgemeinheit zu kaufen.

conferio
5 Jahre her

Der tatsächliche Fehler liegt in der Dummheit der sogenannten Altparteien, wo nur die Dümmsten der Nation Mitglied sind. Jeder halbwegs Gebildete weiß, ein krankes System kann man ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr sanieren, man muss ein neues machen. So haben die Schweiz, Österreich und fast alle anderen Länder gehandelt. Die angestrebt Grundrente ist übrigens auch verfassungswidrig, weil sie gleiche Leistungen unterschiedlich behandelt und auch den Grundsatz des Rentensystems mit dem Zusammenhang zwischen ein und Auszahlung einfach ignoriert. Nur mit einem neuen System, das Unter und Obergrenze festlegt wäre das zu machen. Ein Blick über die Grenzen zeigt, wie das… Mehr

wayfour84
5 Jahre her

Deutschland hat „Ready“ mit dieser Inszenierung eines Finanzministers. Wenigstens sein blödes Grinsen könnte dieser Kommunist einfach mal sein lassen.

MG42
5 Jahre her

Tut mir leid, wer Focus und sonstige Fake News Blätter zitiert, disqualifiziert sich selbst. Die paar Milliarden für Rentner, da kommt es nicht drauf an, wenn in 5 Jahren schon wieder ne weitere Million Fachkräfte aus Nordafrika mit 50 Mrd. € im Jahr gepflegt werden müssen. Merke: Die Leitmedien bereiten schon die nächste Steuererhöhung vor und die Rentner sind schuld! Leben halt schon zu lange hier.

Biskaborn
5 Jahre her

Letzter Absatz „ wir müssen umsteuern…“, sicher richtig nur hier will und wird niemand umsteuern, ganz im Gegenteil, der Abwärtstrend wird unbeirrt mit zunehmender Geschwindigkeit fortgesetzt, wer das ausspricht und dagegen sogar noch opponiert wir gnadenlos nieder gemacht unter dem Motto „ Demokratie leben“ und (fast ) alle machen eifrig mit.