IAA: Automobilmesse ohne Autos – und Besucher

Wenn Messen Konjunkturindikatoren sind, dann ist die Internationale Automobilmesse (IAA) in Frankfurt ein Warnsignal: Wir schaffen es, die wichtigste Branche zu ruinieren. Hersteller wie Zuschauer bleiben weg. Wer will schon auf die IAA, wenn Freude am Fahren durch Bevormundung ersetzt wird.

imago images / Michael Schick
Ein Bild von der IAA aus etwas besseren Tagen

Nun auch noch Ferrari. Die italienische Traummarke für Autofans wird nicht auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt vertreten sein. Für den Luxus-Autohersteller sollen die Standgebühren zu hoch sein – wie für viele andere Marken auch, teure wie billige. Ist das nun eine Ausrede oder steckt mehr dahinter? Jedenfalls wird die Liste der Absagen immer länger: Volvo, Aston Martin, Citroen, DS und Peugeot, Lexus, die Marken der FIAT-Gruppe (Alfa Romeo bis Jeep), der Dreizack von Maserati, Renault mit Dacia, Rolls Royce – aber auch die japanischen Massenhersteller Nissan, Mazda, Mitsubishi, Suzuki schwänzen die Messe, die lange eine Art Hochmesse für PS, Rasen und Fahren war. Auch die neuen chinesischen Hersteller sagen reihum ab.

Auch die Deutschen schränken sich ein 

Selbst die deutschen Hersteller zögern. BMW verkleinert sich: statt einer kompletten Rennstrecke in der Halle mit insgesamt 11.000 werden nur noch 3.000 Quadratmeter angemietet. Damit ist der BMW-Stand kleiner als der von Opel im Jahr 2017 von 3.200 Quadratmetern. Aber das Ende ist noch nicht erreicht. Auch Opel schrumpft weiter, auf gerade 1000 Quadratmeter. Von Daimler war noch keine Aussage zu hören. Allerdings will der Konzern seine Verwaltungskosten um 20 Prozent senken, Ausgaben für Reisen streichen, das neue Werk im ungarischen Kecskemét ist gestrichen. Die IAA wird zur Schrumpfmesse: Dabei war sie nicht nur eine Leistungsschau der Technik und des Komforts, sondern auch der wirtschaftlichen Stärke; Publikumsmagnet und Treffpunkt der Hersteller und der Zulieferindustrie.

Der offizielle Grund sind die hohen Standmieten. Der kleinere Stand kostet BMW nur noch 6 statt 25 Millionen Euro. Dazu kommen die hohen Hotelpreise. Jetzt beginnt sich die Politik der Hotels nicht nur in Frankfurt zu rächen, die zu zu Messezeiten ihre Zimmerpreise kräftig anheben und auch für schlichte Räume oft über 1.000 € verlangen: Dieses ans räuberische grenzende Vorgehen hat schon die traditionelle Frankfurter Buchmesse in die Krise und zu Abwanderungsgesprächen geführt. Damit beschleunigt sich der Prozess. Schon die vorerst letzte IAA litt unter Aussteller- und Besucherschwund: nur 810.000 Interessierte statt 930.000 in der vorherigen Ausstellung.

Da stellt sich schon die Frage, ob diese Art von Monstermessen noch zeitgemäß sind und wie sie sich erneuern. Muss man in Zeiten von Internet noch in eine ferne Stadt pilgern und sich an umlagerten Ständen drängen, um einmal kurz Probesitzen zu dürfen? Oder steckt mehr dahinter: Verliert das Auto generell an Faszination? Denn die Publikumsmagneten sind die teuren Edelmarken, deren Produkte für die große Masse nicht erschwinglich sind. Längst haben daher Rolls Royce und Maserati ihre Produkte abgegrenzt – vor dem Zaun stehend staunen geht, sitzen nicht. Und um einem VW-Golf über die Kühlerhaube streicheln zu dürfen, ist den meisten Kunden der Aufwand und das Gedränge nicht wert.

Viele der Unternehmen, die der IAA fernbleiben, setzen daher auf ihren jeweiligen Wanderzirkus und präsentieren ihre Autos in örtlichen Shows. Aber die IAA zeigt auch die gewandelte Einstellung zu Auto und Mobilität. Die Show 2017 fiel in die aufflammende Diesel-Krise. Die sorgte nicht nur für Verunsicherung und Verärgerung – lohnt es sich noch, ein Auto zu kaufen? Zwar werden seither auch die von der Politik eingeforderten Elektro-Autos gesehen. Aber diesen Gefährten fehlt Flair, Faszination und Aufbruch. Wenn es nur darum geht, möglichst wenig zu fahren, dann kann man sich das auch gleich sparen. Das Aufbrüllen der Motoren scheint faszinierender zu sein als das leise Summen aus dem Akku. Mickrig geht auch per Dacia.

Individuelle Mobilität wird eingeschränkt, verteuert, verteufelt. Dazu kommt, dass wegen immer strengerer Sicherheitsvorschriften die Autos optisch auswechselbar und vor allem Kleinautos, die die Masse der Käufer anlockten, relativ teurer werden: Die jeweils geforderten Sicherheitsmaßnahmen schlagen bei einem Auto für 10.000 € schneller und spürbarer auf den Endpreis durch als beim 100.000-Euro-SUV. Individuelle Mobilität wird langsam wieder zum Luxusgut für wenige Käufer. Einsteiger können sich meist nur noch Gebrauchte leisten. Das tötet die Liebe zum heiligen Blech, zumal die Diskussion über Fahrverbote, Innenstadtsperrungen und Klimawandel den Autofahrer zum Sünder stempelt, der eher zur Straßenbahn bekehrt werden soll statt zum Supersportwagen. Die Folgen sind schmerzhaft: Ford, Opel, Audi, VW – zusammen streichen sie Zehntausende Stellen. Jobs bei Zeitarbeitsfirmen und bei Zulieferern fallen ohne öffentliches Aufsehen weg; in Schwaben und vor allen in Thüringen und Sachsen nimmt eine Pleitewelle ihren Anfang. Aber auch im bayerischen Penzberg macht der Zulieferer Hörmann dicht, in Stuttgart weitet der Kolbenbauer Mahle den Sparkurs aus, was zu Lasten der Beschäftigten geht, und der Nürnberg Kabelverleger Leoni versinkt in roten Zahlen und unternehmerischem Chaos; bei  Schaeffler regiert der Rotstift und Continental schließt Standorte. Die Liste ist lang und wird immer länger. Die IAA ist damit der Zierfisch eines Umbruchs.

Und dazu noch Industrieversagen

Der Verband der Automobilindustrie (VDA), der eigentliche Veranstalter der Messe, versucht verzweifelt gegenzusteuern. Jahrzehntelang war der Verband in Frankfurt ansässig und die Messe das Hochamt dieser Industrie. Längst sitzt der Verband als reine Lobby-Veranstaltung in Berlin und gibt sich politisch angepasst: Mit dem Motto „Driving tomorrow“ präsentiert sich die IAA 2019 in Frankfurt am Main als internationale Plattform für die Mobilitätswende. Das mag politisch so gewollt sein – Besucher lockt das nicht. Wer geht schon auf eine Messe, zahlt 17 Euro Eintritt für eine Automobilmesse ohne Autos, in der die Freude am Fahren durch Freude an der Bevormundung ersetzt wird und das schlechte Gewissen unter dem Hallendach schwebt wie eine giftige Wolke. Bußfertig unterwerfen sich die Automanager den Anschuldigungen der Politik, wollen am Liebsten gar nicht mehr da sein. Selbstbewusstsein fehlt; der Dieselschwindel hat das Image zerstört, die Politik hat die Führung übernommen und die Manager schweigen. Ohne Faszination für die Produkte gibt es keinen Anlass für Messen. Es wird eine traurige Veranstaltung.

Mit den glanzvollen Firmennamen fehlen auch viele Zulieferer, die das Fachpublikum anlocken. Eine Industrie ist im Umbruch, vielleicht vor einem langanhaltenden Abstieg. Insofern sind Messen Konjunkturindikatoren für eine Industrie auf dem absteigenden Ast.

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Kommentare ( 56 )

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Hadrian17
4 Jahre her

Tja, … … der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht. Wenn überhaupt viel Geld für ein „Event“ ausgegeben wird, dann beim Fussball oder für Musicals. Ausrauben war gestern, sowohl bei den Autos als auch bei den Hotelzimmern … nein danke. Hinzu kommt, dass für das Publikummeist langweilige Kisten in absurdem Design zusammengezimmert werden, aber der Fokus fast ausschliesslich auf den „hochwertigen“ überstarken, und übergroßen SUV für eine bestimmte Käuferschicht gelegt wird, die sich bestimmt nicht durch die Messegänge drängt, da sie nicht gesehen werden will. Also Schluss mit lustig. Für uns ist kaum etwas dabei, immer nur… Mehr

Ruud
4 Jahre her

Ich habe mir gerade einen neuen Dacia gekauft. Wieso mickrig? Ein wunderbar praktisches robustes Auto zu einem sehr bezahlbarem Preis, hat alles was ich brauche, dazu extrem günstig im Unterhalt.
Ich hätte mir auch einen Audi, BMW oder VW leisten können, aber wozu?
Dacia hat vor ein paar Tagen bestätigt, dass sie nicht vorhaben, eine Elektro – Version zu bringen. Deswegen können auch die eigenen Autos so günstig sein. Klar, sie gehören zu Renault, trotzdem eine sehr gute Marke!

WernerT
4 Jahre her

Unübersichtlich und zu teuer stimmt auf jeden Fall – Enteignung auf Umwegen ebenfalls. Vor ein paar Jahren haben alle Diesel gekauft – weil umweltfreundlich. Jetzt müssen die für >’n Appel und ’n Ei< exportiert werden … z.B. die Bulgaren und Ungarn kaufen haufenweise billige 3 Jahre alte Diesel und lachen sich kaputt. Preispolitik: Super Soundanlage mit 8-10 Lautsprechern – "aufgedreht" hört man das Martinshorn 5 Meter hinter dem Auto nicht mehr. Sowas braucht kein Mensch und hat mancher auch zu Hause nicht. Mit dem Sound verbunden ist ein Navi in der Preisklasse etlicher hundert € – Updates kosten ebenfalls jeweils… Mehr

Lichtenberg
4 Jahre her

Die Automobilhersteller und die Veranstalter der Automobilmesse müssen sich nicht grämen; Abhilfe ist bereits in Sicht: einfach die Lücken mit den vielen Prototypen zukunftsträchtiger und preisgünstiger Longlife- und Schnelllade(sic!)-Batterietechnologie auffüllen.

Imre
4 Jahre her

Sie müssen aber auch immer mäkeln, Herr Tichy. Statt fehlender Hersteller auf der IAA könnte man doch mehrere Werbe- und Propagandastände der Grünen ersatzweise aufstellen, um den missmutigen Kunden die neue Zeitenwende näher zu bringen. Wanderschuhe, hochmodische Wanderstöcke, Textilien für Wanderer, gerne auch zu Höchstpreisen, versöhnen gewiss alle Besucher. Und, Sie sprachen es an, die hohen Hotelkosten lassen sich leicht durch Erweiterung des Angebots auf Schlafsäcke und Campingzelte etc. entschärfen, wenn man noch Grünflächen für die Aufstellung dieser Notbehausungen auf der Messe selbst anbietet…. Etwaige Ähnlichkeiten mit einem Zigeunerlager wären nur üble Nachrede. Für die notorischen Autoverächter böte sich gleich… Mehr

Hieronymus Bosch
4 Jahre her

Vom grünen Führungspersonal hat niemand BWL studiert – höchstens Theologie und irgendetwas aus den Sozialwissenschaften. Wen wundert es, dass derlei Klientel nichts von Wirtschaft versteht. Ja, der Herrgott wird’s schon richten. Aber eine Spaßgesellschaft braucht ihre Spaßpädagogen, auch wenn sie in der Politik tätig sind. Wen stören da schon die Kriminellen auf der Straße? Schließlich sind hier alle resozialisierbar und werden schlussendlich gute Menschen. Naivität ist das eine, Dummheit das andere. Gefährlich wird es nur, wenn beides zusammenkommt. Im grünen Weltbild ist der rechtsfreie Raum schlichtweg eine Erfindung der Rechten; in Wahrheit gibt es ihn gar nicht. Demzufolge gibt es… Mehr

MariaundJosef
4 Jahre her

Soo ist es richtig…..Deutschland wird immer unwichtiger auf dem Weltmarkt…Diese links-grüne Anagretaangela-Politik wird bestraft. Deutschland, früher das! Autoland hat fertig….

pcn
4 Jahre her

Wenn’s nach den Medien geht, und nach der Grünen-Sekte, dann steigen wir alle auf das Fahrrad um, benutzen den ÖVNP für teures Geld, und zahlen brav obendrauf auf die teuersten Strompreise der Welt noch die „CO2-Bepreisung“, die dann noch mal alle Grundbedürfnisse insgesamt so teuer machen wird, dass selbst das Atmen in der trostlosesten, überteuerten Bude nicht mehr lebenswert wird, deren Mietzins von Jahr zu Jahr steigt, wegen der Gäste, die unser Parteien-Kartell (mtl.10T-15T) einlädt, zum Luxusgut wird. Purer Sarkasmus. Aber im Endeffekt fallen wir gerade in eine ostasiatische Tradition des Rickscha-„Mobilitismus“ zurück. Werden Pferdewagen bald wieder „In“?Wobei diese Ära… Mehr

Hadrian17
4 Jahre her
Antworten an  pcn

Der Tanz um die Ächtung des E-Mobils hat ja schon begonnen, wird wohl auch höchste Zeit, denn immer noch weiss kein Mensch, wo die Energie dafür herkommen soll, geschweige ausreichend Materialien, um alle mobil zu halten.

Janno
4 Jahre her

Aus dem Blick einer sehr jungen Branche, in der sowohl Publikumsmessen als auch Business- und Fachkonferenzen boomen und wir mit unserem Unternehmen vierteljährlich in diversen europäischen Städten präsent sind, halte ich zumindest Messen für völlig überholt und rausgeschmissenes Geld.
Das Internet ist sehr viel informativer, auch Sehnsuchtsstiftender.
Nur die Haptik kann noch nicht ersetzt werden, doch dafür lohnt sich der Messeklimbim nicht, sondern dann muss man, wenn das Produkt es erfordert, eine vernünftige Show-Room/Vertriebsstruktur etablieren.

Janno
4 Jahre her

Das waren noch Zeiten. Als der Frankfurter Messeturm wie ein angespitzter Bleistift am Horizont erschien, ich 9 Jährig, neben meinem Vater auf dem Beifahrersitz seines Renault 25. Meine Mutter arbeitete als Hostess für eine britische Nobelmarke, mein Vater als Schulungsleiter der Franzosen (kannte man damals als ausgeglichene Handelsbilanz). Wir wohnten in einem lächerlich heruntergekommenen Gästezimmer in der Nähe der Messe, bei grauem Himmel pilgerten wir früh morgens in die Hallen, meine Mutter in britisch racing green wie die hochwohlgeborene Tochter eines Lords, mein Vater in Sakko und Krawatte, permanent am Hände schütteln und offensichtlich wichtig. Ich habe meine Eltern bewundert… Mehr

USE
4 Jahre her
Antworten an  Janno

Danke! Ein Genuss.