Kabinett beschließt Einstieg des Bundes in die Meyer Werft

Politik und Gewerkschaften haben es geschafft: Die Meyer Werft in Papenburg wird ein Staatskonzern. Seniorchef Bernard Meyer verlässt Endes des Jahres die Geschäftsführung. 230 Jahre lang ist die Werft in Familienbesitz gewesen, bis sie unter die Räder politisch verursachter Katastrophen kam.

picture alliance/dpa | Izabella Mittwollen

Das Kabinett in Berlin hat jetzt den Einstieg des Bundes in die Meyer Werft beschlossen. Die Werft in Papenburg baut gigantische Kreuzfahrtschiffe und spielt eine entscheidende Rolle im deutschen Schiffsbau. Die Auftragsbücher sind voll, doch die Werft benötigte dringend knapp 2,8 Milliarden Euro, um bis 2028 bestellte Schiffe fertig zu bauen. Die müssen im Schiffsbau üblicherweise fast vollständig vorfinanziert werden, 80 Prozent der Summe werden erst bei Ablieferung bezahlt. Auch die Finanzierung wäre unter normalen Umständen kein größeres Problem. Ebensowenig wie ein Kredit über 550 Millionen Euro. Aber die Zeiten sind nicht normal.

Am 19. Dezember steigen Bund und Land offiziell als Gesellschafter mit in die Werft ein und übernehmen jeweils 40 Prozent der Anteile. Der Bund will Patricia Geibel-Conrad und Christian von Lenthe in den Aufsichtsrat der Meyer Werft entsenden, die als „ausgewiesene Experten“ im Finanz- und Prüfungswesen sowie in den Bereichen „Restrukturierung, Sanierung und der Beratung von Industrieunternehmen“ dargestellt werden. Das Land Niedersachsen und die Gewerkschaftsseite haben ihre Kandidaten bereits bestimmt. Die EU-Kommission hatte Anfang Dezember den Schritt genehmigt.

Es solle kein Engagement auf Dauer werden, sondern die Werft soll dann wieder unter privater Regie weiterlaufen, hatte Scholz (»Wir sind keine Schiffbauer«) noch im Sommer bei einem Blitzbesuch in Papenburg erklärt. Hier werde beste deutsche Arbeit geleistet, deshalb würden Bund und Land einsteigen. An Schleimereien fehlte es nicht, als sich Politik und Gewerkschaften ein Stelldichein auf der Bühne in Halle vier der Meyer Werft in Papenburg gaben und eine Rettung der Werft verkündeten.

Nun ist vor allem die Rede davon, dass der Betriebsrat „jetzt mit der Geschäftsführung darüber verhandeln müssen, ob wir weiterhin über einen Personalabbau sprechen und verhandeln müssen oder ob die Ziele zum Personalabbau erreicht worden sind“. Dem Unternehmen setzte die von der Politik vom Zaun gebrochene Corona-Krise massiv zu. Der Bau neuer Kreuzfahrtschiffe lag erstmal lange auf Eis. Zudem haben sich die Preise für Stahl und Energie drastisch erhöht – ebenfalls politisch gewollt.

Der Fehler liegt eher weniger bei solchen Unternehmen wie Meyer Werft, sondern am Standort Deutschland. Rohstoffe und Energie werden künstlich verteuert und führen zu den höchsten Energiekosten, die auf alle Bestandteile der Produktion durchschlagen; inflationsbedingte Lohnerhöhungen, ausufernde Sozialkosten und horrende bürokratische Auflagen machen eine wirtschaftliche Produktion fast unmöglich. Von einem Jahrhundertunsinn wie Energiewende, CO2-Ablasshandel und Lieferkettengesetz zu schweigen.

Dazu kommt noch die von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) mit durchgegrünter Leidenschaft durchgesetzten Kraftwerksstilllegungen in Niedersachsen, die energiehungrigen Betrieben wie eine Werft die Grundlage entziehen. Das Kernkraftwerk Grohnde in der Nähe ließ Lies schnell zerstören, sodass von dort keine preiswerte Energie mehr kommen kann. Mit wackligem Windmühlenstrom lässt sich keine High-Tech-Werft betreiben.

Lies hatte schon früh gefordert, dass sich die Werft angeblich »neu aufstellen« müsse. Ihm und dem rot-grünen Spektrum in Niedersachsen war ein Dorn im Auge, dass Seniorchef Bernard Meyer 2015 in Luxemburg eine Holding gegründet hat, die über die Geschicke der Werft bestimmt und sich so Aufsichtsrat und Mitbestimmung vom Hals halten und die Werftgeschicke ideologiefrei steuern konnte. Nur so konnte Meyer selbst flexibel und schnell nach Marktlage entscheiden. Das war die Erfolgsgarantie – wie auch vieler Betriebe im strukturschwachen Nordwesten. Ein gutes Beispiel sind Landmaschinenhersteller in der Region wie Krone oder Grimme, die weltweit Spitzenprodukte der Landtechnik wie Mähdrescher verkaufen. Sie sind alle aus kleinen Dorfschmieden gewachsen – dort, wo Sachverstand und Kompetenz herrschten.

Doch Lies wollte schon seit langem, dass die Meyer-Holding wieder an die Ems zieht und wetterte gemeinsam mit Gewerkschaften gegen Meyer. Kein Wunder, dass IG-Metaller lauthals der Forderung nach Aufsichtsrat, Betriebsrat und Mitbestimmung zustimmen. IG-Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich gab im Vorfeld der staatlichen Übernahme von sich: »Der Meyer-Führung muss bewusst sein, dass es eine staatliche Hilfe nur unter der Bedingung geben kann, dass die Holding zurück nach Papenburg zieht.« Die Medien holzten ebenfalls kräftig drein. »Der hausgemachte Abstieg«, so die Neue Osnabrücker Zeitung, und legt mit »Die Fehler des Managements« nach. Die zerstörerische Industriepolitik wird nicht untersucht.

Doch ausgerechnet Lies wurde in Papenburg überschwänglich als Retter der Werft gefeiert. Verkehrte Welt. Nichts wurde bisher dazu gesagt, was der Staat tun will, um die hohen Energie- und Stahlpreise und vor allem Arbeitskosten wieder zu senken. Jetzt sitzen Bund, Land und Gewerkschaften an den Schalthebeln, werden vermutlich auch bei den Aufträgen ein gewichtiges Wort mitreden und darauf drängen, dass der neueste grüne Unsinn mit in die Schiffe eingebaut wird. Irgendwann werden Reedereien, die einem Mann wie Bernard Meyer vertrauten, abwinken. Sechs Jahre geben Eingeweihte noch der Werft, bis das VW-Schicksal zuschlägt.

Alles möglicherweise zu viel für Bernard Meyer. Fast am Rande kam die Nachricht, dass Seniorchef Meyer im Dezember die Geschäftsführung der Meyer Werft verlässt. 230 Jahre lang ist die Werft in Familienbesitz gewesen, bis sie unter die Räder politisch verursachter Katastrophen kam. In der Mitarbeiter-Zeitschrift „Kiek ut“ heißt es, dass Meyer bis zuletzt maßgeblich an der Akquise von Aufträgen beteiligt gewesen sei. Mit vier Kreuzfahrtschiffen für die US-amerikanische Reederei Disney Cruise Line habe der Seniorchef 2024 die Bestellung mit dem höchsten Auftragswert der Unternehmensgeschichte unterzeichnet.

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Kommentare ( 37 )

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Netzrebell
1 Monat her

Weitere vier Jahre Grüne und/oder SPD an der Macht werden drei Viertel der Industrie zerstören oder vertreiben und der klägliche Rest wird verstaatlicht und von inkompetenten Politikern nach DDR-Vorbild in die Pleite geführt. Wer aber nach den wirklichen Schuldigen für das Desaster sucht, sollte in den Spiegel schauen, denn mehr als 80 Prozent der Wähler entscheiden sich immer wieder für die Parteien, die mit Lichtgeschwindigkeit auf den totalen Untergang zusteuern. Das hat wahrscheinlich etwas mit Masochismus oder Stockholm-Syndrom zu tun!

FZW
1 Monat her

In zehn Jahren als VEB ist die Werft pleite und wird abgewickelt – nachdem ein paar hundert Millionen an Steuergeldern in ihr versenkt wurden.

J.Thielemann
1 Monat her

Viele Firmen gehen jetzt Pleite. Herr Lindner ist schuld. Man hätte die einfach alle verstaatlichen sollen oder wenigstens ordentlich subventionieren. Wir brauchen einen Industriestrompreis – und einen Verbraucherstrompreis. Dann ist auch egal, wie viele Kugeln Eis eine Kilowattstunde real kostet- Deckel ist drauf. Da gibt’s übrigens Entspannung- Eis wird ja auch teurer. Tja- die Schuldenbremse hemmt unser Land. Strom von unseren Nachbarn, Autos, Solarausstattung und was das Herz begehrt aus China, Kohle aus Kolumbien- ist ja nur Geld! Leute, die arbeiten, aus Usbekistan bis Brasilien. Wenn hier immer mehr nach der Schule kaum lesen können, der Rest was mit Medien… Mehr

Dundee
1 Monat her

Interessant. Das Kabinett ist unfähig einen Haushaltsplan aufzustellen, zerbricht daran sogar soweit, dass es im Grunde gar nichts mehr beschließen kann, kann aber eine Werft kaufen. Springt dabei für jeden Abgeordneten eine Yacht raus?
Wo das endet wenn der Staat Betriebe kauft, kann man gut an Volkswagen sehen. Die Beamten kriegen auch das beste und sicherste Wirtschaftskonzept mit höchster Sicherheit und unter Garantie kaputt.
In Deutschland gehen nicht nur die Schiffe unter, da gehen sogar die Werften unter.

Last edited 1 Monat her by Dundee
Europafriend
1 Monat her

Bravo! Ein neuer VEB = VolksEigener Betrieb. So nannte man in der Deutschen Demokratischen Republik das bekannte Mißerfolgsmodell. Das Ende ist bekannt.
PS: Das Volk hatte niemals das sagen, sondern eine selbsternannte „Elite“.

Malte
1 Monat her

Muhahaha, wenn der Staat zu mir sagen würde, ich müsste mein Unternehmen „neu aufstellen“ würde ich ihm auch den ganzen Bettel vor die Füße werfen: „Na dann stell mal!“ Herr Meyer hat alles richtig gemacht, die Gewerkschaften hinggegen haben wieder mal aktiv an den Arbeitsplätzen mitgesägt. Die werden es nie lernen.

lube
1 Monat her

Ich habe schon mal die Uhr gestellt bis die VEB Meyer Werft die nächsten Milliarden beim Land Niedersachsen (ist im Prinzip Pleite) beantragt.
Der Staat hat noch nie was gut gekonnt-siehe aktuelle Commerzbank.

Vielleicht findet aber auch der Black Rocker einen internationalen Investor der die Baupläne nach China mitnimmt.

Alternativ könnte ja auch ein Kombinat für Fahrzeugbau gegründet werden.
Da könnte dann Meyer und VW zusammen geführt werden. Die Aufsichtsräte dürften aber nur Rot oder Grün sein.

Analeur
1 Monat her

Immer wen eine Firma marode ist, steigt der Staat ein. Börsianer lachen über dieses Krankhafte verhalten. Es ist unser Steuergeld, was hier schlecht investiert wird. Gute politische Rahmenbedingungen schaffen sind die Aufgabe der Politik, nicht subventionen verbrennen. Günstige Energiepreise, weniger Bürokratie und weniger Sozialabgaben. Wenn die Subventionen verbrannt sind, dann sind die Rahmenbedingungen ja immer noch schlecht. Wollen wir ewig Subventieren? Wer zahlt das alles und wie lange?

Cimice
1 Monat her

Verstaatlichung durch die Hintertür.

AlexR
1 Monat her

Na dann kann man ja unter diesem sog. Wirtschaftsminister sicher sein, dass die Werft bis spätestens Ende 2025 pleite ist.

Und wenn man ganz sicher gehen will, dann die Wunderwaffe der Merkel-Aera und davor, nämlich Hartmut Mehdorn in führende Position einsetzen. Der schafft es noch schneller und zielstrebiger.