Bahn streicht Stellen, Lufthansa zieht sich zurück

Deutschland steuert ungebremst auf ein ökonomisches Fiasko zu. Nachdem die Deutsche Bahn einen massiven Stellenabbau ankündigte, setzt die Lufthansa ihren Rückzug vom Heimatstandort fort.

IMAGO - Collage: TE

Wir leben in einer bemerkenswerten Zeit. Wirtschaftshistoriker werden sich einmal die Köpfe darüber zerbrechen, wie es möglich war, dass sich eine erfolgreiche Wirtschaftsnation, ganz ohne Not, ohne äußeren Anlass, selbst enthauptete.

In gespenstischer Stille, ohne größeren medialen Widerhall, zieht sich die Spitze der deutschen Wirtschaft Schritt für Schritt vom Heimatstandort zurück. Nach Traditionsunternehmen wie ThyssenKrupp, BASF, Miele oder Continental setzt nun auch die Lufthansa den Rückzug vom Standort Deutschland fort.

Deutschlands Mobilitätskrise

Die deutsche Rezession, verstärkt durch den wachsenden politischen Regulierungsdruck und fiskalischen Aderlass, setzt sich im Maschinenraum der Ökonomie unübersehbar in eine veritable Mobilitätskrise um.

Bei der Deutschen Bahn kennt man das Problem. Finanzvorstand Levin Holle setzte den Ton: Es müsse „mehr Bahn mit weniger Menschen“ geschaffen werden. Klar, auch hier geht es ans Eingemachte, Fernreisen sind für viele auch mit der Bahn zu teuer geworden, die Inflation lässt grüßen. In den kommenden fünf Jahren soll die Verwaltung der Bahn um bis zu 30.000 Mitarbeiter eingedampft werden. Parallel dazu wolle die Bahn – so jüngst kolportierte, aber von der Bahn dementierte Berichte – die Sitzplatzkapazität im Fernverkehr reduzieren: Von derzeit 265.000 Sitzplätzen sollen demnach im Jahr 2036 nur noch 244.000 angeboten werden. Ältere ICE-Modelle sollen aus dem Verkehr gezogen, verschrottet oder verkauft werden.

Es besteht unmittelbarer Handlungszwang: Das Geschäftsergebnis der Bahn wies für 2024 einen Verlust von 1,8 Milliarden Euro aus. Die Ursachen sind vielfältig: Infrastrukturprobleme, häufige Verspätungen und Streiks belasten das Ergebnis. Während der Regionalverkehr profitabel arbeitet, lastet das historisch gewachsene Fernverkehrsnetz auf der Bilanz wie Blei.

Was läuft schief? Ein marodes, überaltertes Netz, ineffiziente Kostenstrukturen und ein fortwährender Balanceakt zwischen Personalüberhang und stagnierender Produktivität hemmen das Unternehmen in seiner Entwicklung.

Privatisierung? Nein, danke!

Ein verwegener Vorschlag: Vielleicht sollte man die Bahn am Ende doch privatisieren und von der hemmenden staatlichen Gewährträgerhaftung und Wurstigkeit befreien? Das ist selbstverständlich Fiktion. Eine Parabel aus dem Märchenland der Marktwirtschaft, die in diesen Tagen in Berlin niemand mehr ernst nehmen würde. Also weiter so im Takt.

Bahnchef Richard Lutz fasst in seiner Problemanalyse das heiße Eisen der Rezession nicht an. Er sieht die marode, seit Jahrzehnten vernachlässigte Infrastruktur als zentrale Ursache für die aktuellen Probleme der Deutschen Bahn. „Wir haben einen Sanierungsstau, der fast 100 Milliarden Euro beträgt“, erklärte Lutz im OMR-Podcast. Lutz betonte, dass rund 80 Prozent der Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit auf das überlastete und störanfällige Schienennetz zurückzuführen seien. „Das ist unser Hauptproblem – deshalb muss es vor allem darum gehen, die Schieneninfrastruktur wieder in Ordnung zu bringen, zu sanieren und zu modernisieren“.

Wird der Bund als Haupteigentümer der Bahn in seinem Schuldenhaushalt ausreichend Mittel für die Erneuerung der Infrastruktur zur Verfügung stellen? Finanzminister Lars Klingbeil vermittelt dieser Tage nicht den Eindruck, als läge sein Schwerpunkt auf der Modernisierung der Infrastruktur. Vielmehr tritt er auf wie ein progressiver Sozialstaatsingenieur, dessen politisches Kalkül nicht auf Wertschöpfung, sondern auf Umverteilungsversprechen ruht.

Es passt nichts mehr zusammen

Bleiben wir im Transportgewerbe und wechseln von der Schiene zur Luftfahrt. Auch hier sehen wir bizarre Entwicklungen. Die Passagierzahlen erholen sich nach den Lockdown-Schocks allerorten und erreichten zuletzt etwa 96 Prozent des Vorkrisenniveaus. Nur in Deutschland hakt es gewaltig.

Mit 97 Millionen Passagieren im vergangenen Jahr pendelt die Branche 18 Prozent unter dem Niveau vor der Krise – die Branche steckt in einer wirtschaftlichen Depression. Wie im Falle der Energiewirtschaft, der Chemie oder der Automobilindustrie ist auch dieses Krisenphänomen hausgemacht, Made in Berlin, ein exklusives Drama der deutschen Wirtschaft.

Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Ryanair ziehen sich von deutschen Airports zurück. Es scheint, dass auch hier kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. In der „Welt“ berichtet Lufthansa-Chef Carsten Spohr über die Lage am Standort: „Innerdeutsche Flüge stellen wir nach und nach ein“, so Spohr.

2025 sind erstmals mehr Lufthansa-Maschinen an ausländischen Drehkreuzen stationiert als an deutschen Standorten. Die Gründe liegen laut Spohr in der zunehmenden Unrentabilität innerdeutscher Verbindungen. Hohe Kosten, steigende Abgaben und regulatorische Hürden setzten das Geschäft zunehmend unter Druck. „Wir sehen uns gezwungen, unser Netz und unsere Flotte effizienter auszurichten und uns auf international wettbewerbsfähige Standorte zu konzentrieren“, erklärt der CEO.

Stellenabbau und Fiskallasten

Wie die Bahn steht auch die Lufthansa vor einer Zäsur in ihrer Firmengeschichte und setzt das Skalpell zunächst in ihrer deutschen Verwaltung an: Bis zu 20 Prozent der Arbeitsplätze, rund 400 Stellen, sollen gestrichen werden. Die Maßnahmen zielen darauf ab, das operative Ergebnis bis 2028 um 2,5 Milliarden Euro zu steigern. Die Strategie sieht vor, vermehrt auf Automatisierung und natürliche Fluktuation zu setzen und den Verwaltungsapparat weiter zu verschlanken.

Man kann es auch anders formulieren: Es ist der unvermeidliche Aderlass auf den grünen Regulierungswahn und den festen politischen Willen, die deutsche Wirtschaft in einen zentral geplanten energiearmen Komplex umzubauen. Die Politik versucht Verhaltensänderungen zu erzwingen. Und sie nutzt zu diesem Zweck die fiskalische Brechstange.

Staatliche Abgaben auf Flugtickets für innerdeutsche Flüge treiben die Preise ins Unerschwingliche. Luftverkehrsteuer, Flughafengebühren und Sicherheitsabgaben summieren sich zu einem Staatsanteil pro Ticket auf rund 74 Euro. Bei durchschnittlichen Inlandsticketpreisen von 120 bis 150 Euro kassiert der Fiskus damit zwischen 50 bis 60 Prozent. Die Folge: Airlines ziehen sich zurück, Deutschland wird zum Geisterstandort der Luftfahrt.

Das dröhnende Schweigen der Wirtschaftselite

Die Analysen des Lufthansa-CEOs und des Bahnchefs adressieren das Kernproblem der deutschen Politik: Den notwendigen Investitionen wird der ewig wachsende Sozialkonsum vorgezogen. Es gilt das Motto: Staat vor Markt – die Substanz wird verfrühstückt, nichts Neues geschaffen.

Es wäre wünschenswert, die Wirtschaftselite Deutschlands träte nun geschlossen für eine politische Wende ein. Doch bleibt es ihr Geheimnis, weshalb sie angesichts der Schwere der ökonomischen Krise nicht den Mut aufbringt, mit offenem Visier, auch und gerade gegen politischen Widerstand, für den Standort zu kämpfen. Die Wirtschaft steht in der Pflicht, die Ursachen der Deindustrialisierung beim Namen zu nennen: eine selbst herbeigeführte Energiekrise, Überregulierung und der wuchernde Hyperstaat, der den privaten Sektor ausblutet. Wer an dieser Stelle schweigt, schützt nicht den sozialen Frieden, sondern vertagt nur den Moment der Abrechnung.

Der Niedergang Deutschlands ist präzise dokumentiert. Jahr für Jahr verliert der Standort Direktinvestitionen von über 60 Milliarden Euro – eine messbare Kapitulation des Vertrauens in die Zukunft des Landes. Die Kapitalflucht ist nicht Folge äußerer Zwänge. Sie ist unbestechlicher Ausdruck des Scheiterns der Brüsseler und Berliner Transformationsagenda.

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Kommentare ( 26 )

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Ein Mensch
17 Tage her

Die Wirtschaftsbosse machen nur das im Großen was viele andere im Kleinen machen. Sie ziehen sich heimlich, still und leise aus Blödland zurück. Während sich immer mehr Normalos innerlich aus diesem Land verabschieden, ziehen die großen Unternehmen langsam aber stetig ihre Ressourcen aus diesem Land ab. Es wird eine gewaltige wirtschaftliche Katastrophe auf diese Land zukommen, der dann unweigerlich eine soziale Katastrophe folgen wird. und diese wird das Land für immer verändern.

bfwied
18 Tage her

„Die Wirtschaftselite“ sorgt dafür, dass der Betrieb irgendwie läuft, und er läuft für eine gewisse Zeit mit Subventionen, die die Planwirtschaftsideologen „großzügig“ gewähren. Dass das auf Dauer nicht funktionieren kann, ist klar, aber die Firmen haben Angst vor den Anfeindungen, v. a. vor den Steakholdern. Einige, wie die Autoindustrie, sind vorgeprescht in Gefallsucht u. Feigheit gegenüber der Politik und erleiden gerade grandiosen Schiffbruch, der nur noch vielleicht mit sehr großer Anstrengung in Teilen wiedergutgemacht werden kann. Die meisten ziehen sich zurück, investieren in D. nur noch in Reparaturen, kaum in mehr. Und die Politik lügt, indem sie sagt, das Ausland… Mehr

K. Sander
19 Tage her

Ich habe viele Seiten aus Zeitschriften gesmmalet. Als ich das gestern gelesen habe, habe ich danch gesucht und es nicht gefunden. Ungefähr 2012 wurde in einer Zeitschrift über die DB berichtet. Die hatte Mitte der 1990er Jahre einen Verlust von 10 Mrd. (damals DM). Die DB wurde privatisiert und zur Aktiengesellschaft.. Der größte Aktienbesitzer ist weiterhin der Staat und bekommt so mehr Geld.

Mausi
19 Tage her

D und auch die EU schaffen den Sprung ins digitale Zeitalter nicht. Der Überalterung ließe sich mit Digitalisierung begegnen. Aber dafür müsste Digital zunächst hackersicher verschlüsselt werden. Und Verschlüsselung kann, darf D seit Jahrzehnten nicht können.
Dafür müsste natürlich D und auch die EU so umgebaut werden, dass Unternehmen gerne ihren steuerlichen Sitz nach D oder in die EU verlegen. Aber die Unternehmen fliehen. Bildungsarme Bevölkerung, keine akzeptablen Energiepreise, zu viel Regulierung, zu hohe Abgaben und Steuern.

Biskaborn
19 Tage her

„Es wäre wünschenswert, die Wirtschaftselite Deutschlands träte nun geschlossen für eine politische Wende ein. Doch bleibt es ihr Geheimnis, weshalb sie angesichts der Schwere der ökonomischen Krise nicht den Mut aufbringt, mit offenem Visier, auch und gerade gegen politischen Widerstand, für den Standort zu kämpfen. Die Wirtschaft steht in der Pflicht, die Ursachen der Deindustrialisierung beim Namen zu nennen: eine selbst herbeigeführte Energiekrise, Überregulierung und der wuchernde Hyperstaat, der den privaten Sektor ausblutet. Wer an dieser Stelle schweigt, schützt nicht den sozialen Frieden, sondern vertagt nur den Moment der Abrechnung“! Großartig! Endlich bringt es ein Autor auf den Punkt! Die… Mehr

Mausi
19 Tage her
Antworten an  Biskaborn

Die Wirtschaftselite muss gar nichts. Sie ist dem Unternehmen verpflichtet. Wenn sie meint, irgendeine woke Welle bringe Gewinne, dann folgt die Wirtschaft dieser Welle, bis sie bricht. Und wenn Gewinne nicht fließen, weil das Geschäft hier nur Verluste einfährt oder nicht genügend Gewinne, dann wandert Wirtschaft ab. Der Wähler muss, die Regierung muss. Glauben Sie ernsthaft, die Wirtschaftselite hätte Macht über die Regierung? Über die öffentliche Meinung? Glauben Sie wirklich, die Wirtschaft sollte den Widerstand gegen den demokratischen Sozialismus anführen? Das ist nicht Aufgabe der Wirtschaft. Das, was Sie der Wirtschaft abverlangen, das ist Aufgabe der Politiker, die in den… Mehr

H. Priess
19 Tage her

Die Deutsche Bahn könnte profitabel sein, wenn sie aufhören würde irgendwelche Leute durch die Gegend zu karren!
Mal im ernst, wenn ich eine Reise buchen will nehme ich immer Abflüge vom BER ab Nachmittags 15:00 Uhr. Warum? Von Stralsund nach Berlin im Regio rund 4 Stunden, mindestens 2 Stunden vor Abflug am BER sein heißt gegen 6:00 Uhr den Zug nehmen. Eine Pufferzeit von mindestens 2 Stunden muß ich wegen schlechter Erfahrungen einkalkulieren. Ich rechne also nicht mit Pünktlichkeit sondern Verspätungen und das in einem „Hochindustrieland“!

CasusKnaxus
18 Tage her
Antworten an  H. Priess

Letzten Monat 62% Pünklichkeit. Das ist Bahn. Diesen Monat soll s noch schlechter werden…

Haba Orwell
19 Tage her

> Luftverkehrsteuer, Flughafengebühren und Sicherheitsabgaben summieren sich zu einem Staatsanteil pro Ticket auf rund 74 Euro.

In etlichen Ländern Westeuropas ist es höchstens die Hälfte – Buntschland muss von der Abzocke runter.

Michael Palusch
19 Tage her

Wird der Bund als Haupteigentümer der Bahn in seinem Schuldenhaushalt ausreichend Mittel für die Erneuerung der Infrastruktur zur Verfügung stellen?

Aber sicher doch! Ohne Bahn, die die vielen schönen neuen Waffen gen Osten bringt, werden „wir“ Russland niemals niederringen.

AnSi
20 Tage her

Gut so! Je schneller die Wirtschaft verschwindet, um so schneller leeren sich die (Sozial-)Kassen und um so unzufriedener wird der Prol (1984) und die Migrantengeldempfänger! Dann herrscht wenigstens OFFENER Krieg auf den Straßen und DANACH kann es wieder bergauf gehen!

Johann P.
20 Tage her

Hat das nicht jeder „Normalo“, der auch nur in Grundzügen die wirtschaftlichen Zusammenhänge versteht, vorhergesehen und auch -gesagt, als die Politik begann, von der „Großen Transformation“, der „Energiewende“, dem „Green Deal“ usw. nicht nur zu faseln, sondern aktiv daran zu arbeiten? Haben die CEOs nicht viel zu lange opportunistisch geschwiegen, um lieb Kind zu spielen und Subventionen jeglicher Art abzugreifen? Wurde nicht die Umformung der sozialen Marktwirtschaft in eine sozialistische Planwirtschaft achselzuckend hingenommen? Jetzt erst, nachdem das Fiasko sich schon seit Jahren(!) abzeichnet, anfangen zu jammern und die Reißleine zu ziehen, ist in der Tat jämmerlich…