Kein „Wirtschaftswunder“, auch nicht im Herbst

Lebensmittelpreise verteuern sich seit Frühjahr 2022 um 91 Prozent, die Arbeitslosigkeit steigt im Oktober um 165.000, Fliegen wird teurer, und für die Autoindustrie sieht es mau aus.

IMAGO / Frank Brexel

Bis zu 91 Prozent seien die Lebensmittelpreise seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine gestiegen, kolportierte kürzlich das Handelsblatt. Gründe, weshalb Lebensmittelpreise durch die Decke gehen, werden zwar oft genannt, überzeugend sind sie aber nicht immer. Lieferschwierigkeiten sollen es sein, Rohstoffmangel, Preisentwicklung der Energieprodukte. Was allerdings die Teuerungsrate mit dem Ukraine-Krieg zu tun haben soll, überzeugt schon gar nicht.

Im Mai 2022 bezeichnet ein Facebook-Nutzer die Preissteigerungen bei Lebensmitteln als „Das neue Gold“. Und das dürfte nach wie vor der Fall sein. Gibt es etwa Preisabsprachen? Vermutlich, jedoch von keinem „Experten“ untersucht oder evaluiert. Womöglich gilt ja das Motto: „Bereichert euch, bevor andere es für euch tun“.

Es gibt unendlich viele Rechtfertigungsgründe für die eklatanten Preiserhöhungen, seit sie im Frühjahr 2022 bekannt wurden. Edeka und Rewe gaben den Lebensmittelproduzenten Nestlé, Unilever und Danone die Schuld. Sie seien es, die „die Situation“ ausnützten und die Preise künstlich in die Höhe trieben. Vermutlich, weil alle Molkereibetriebe aus allen Regionen Deutschlands alle Milch an Nestlé, Danone und Unilever liefern und deshalb die Preise für Milch und Milchprodukte steigen. So weit, so billig.

Indessen fahren die Lebensmittelhändler einen ganz neuen Kurs und werben mit angeblich umfangreichen Preissenkungen. In Zeitungsannoncen suggerieren Discounter und Supermärkte gerade den Preisverfall. Der Discounter Netto spricht davon, dieses Jahr schon mehr als 2000 Artikel dauerhaft im Preis gesenkt zu haben, Edeka wirbt mit 2300 Produkten. „Das ist zwar nicht falsch. Aber auch nur die halbe Wahrheit, wenn man bedenkt, dass Vollsortimenter bis zu 25.000 Produkte im Regal haben. Dies zeigt eine Auswertung der Preisvergleichs-App Smhaggle für das Handelsblatt: In diesem Jahr sind nur 4,3 Prozent des Sortiments im gesamten Lebensmittelhandel günstiger geworden – übrigens auch nur um einen Bruchteil des früheren Preisanstiegs. 54,1 Prozent der Waren haben sich verteuert. Davon ist in der Reklame nichts zu lesen.“

Arbeitslosigkeit

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Oktober 2023 um 165.000 gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Gegenüber dem Vormonat nahm sie um 20.000 auf 2,607 Millionen Arbeitssuchende ab, teilte die Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag mit. Saisonbereinigt hat die Zahl der Arbeitslosen im Oktober gegenüber dem Vormonat um 30.000 zugenommen.

Die Arbeitslosenquote blieb im Oktober bei 5,7 Prozent. Gegenüber dem Vorjahresmonat hat sich die Quote um 0,4 Prozentpunkte erhöht. „Seit gut einem Jahr tritt die deutsche Wirtschaft mehr oder weniger auf der Stelle, nach so langer Zeit bleibt das nicht ohne sichtbare Folgen für den Arbeitsmarkt“, sagte BA-Vorstandsvorsitzende Andrea Nahles in Nürnberg.

Die vom Statistischen Bundesamt nach dem ILO-Erwerbskonzept ermittelte Erwerbslosenquote belief sich im September auf 3,0 Prozent. Die Unterbeschäftigung, die neben der Arbeitslosigkeit auch Arbeitsmarktpolitik und kurzfristige Arbeitsunfähigkeit umfasst, ist saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 26.000 gestiegen. Sie lag im Oktober 2023 bei 3.441.000 Personen. Das waren 191.000 mehr als vor einem Jahr. Ohne die Berücksichtigung ukrainischer Geflüchteter hätte die Unterbeschäftigung nur um 122.000 über dem Vorjahreswert gelegen.

Fluggesellschaften feiern ihre Profitabilität …

… aber sehen bereits schwarz, dass Fliegen für den Mittelstand bald „finanziellen Stress“ bedeuten wird. „Die schier ungebremste Reiselust nach der Pandemie bescherte der Lufthansa wie allen europäischen Airlines gewaltige Gewinne. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt: Die goldenen Zeiten dürften vorbei sein“, berichtet die Wirtschaftswoche. „Die Party ist vorbei“, unkt Ryanair-Chef Michael O’Leary. Und auch die Chefs vieler großer US-Linien wie American Airlines oder Jetblue verkündeten in den vergangenen Tagen entweder deutlich gedämpfte Ausblicke für das Fluggeschäft oder sogar Verluste.

Bei der Lufthansa dürfte pro angebotenem Passagierkilometer der Umsatz um acht Prozent sinken und die Kosten wegen höherer Löhne, steigender Spritpreise und den höheren Gebühren von Airports oder Flugsicherung um drei Prozent steigen, erwartet Bernstein-Analyst Alex Irving. Und der Druck auf die Preise könnte noch zunehmen, weil wichtige Wettbewerber ihre Kapazität hochfahren.

Geschäftsklima in der Autoindustrie kühlt sich ab

Das Geschäftsklima der deutschen Autoindustrie hat sich zuletzt leicht abgekühlt. Das geht aus einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Im Oktober fiel der entsprechende Indikator demnach auf -16,1 Punkte, nach -14,6 Punkten im September.

„Die Unternehmen der deutschen Autoindustrie bewerten ihre aktuelle Geschäftslage deutlich schlechter als im Vormonat“, so Ifo-Forscherin Anita Wölfl. Der Lageindikator der deutschen Automobilindustrie sank im Oktober auf 9,2 Punkte, nach 20,3 Punkten im September. Die Erwartungen für die kommenden Monate haben sich dagegen leicht verbessert – wenngleich auf weiterhin niedrigem Niveau: Der Indikator ist von -44,0 Punkten auf -38,4 Punkte gestiegen.

Dies ginge mit einer etwas zuversichtlicheren Einschätzung bei den Aufträgen einher: Zwar sinkt die Reichweite der Aufträge etwas von 7,5 auf 6,2 Monate. „Das Auftragspolster der Automobilbranche ist jedoch im langfristigen Durchschnitt immer noch recht hoch“, sagte Wölfl. Zudem sehen deutlich weniger Unternehmen im Auftragsmangel ein Produktionshindernis, als dies bei der letzten Datenerhebung im Juli der Fall war.

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Kommentare ( 27 )

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27 Comments
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MichaelR
4 Monate her

Wenn Getreidepreise fallen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: a) Spekulanten setzen nicht mehr auf Grundnahrungsmittel, sondern haben ihre Investitionen anderweitig getätigt, wo weitaus mehr Gewinn möglich ist. Bei den Lebensmitteln wie Getreide wird ja schon VOR der eigentlichen Ernte spekuliert und der Preis in die Höhe getrieben. b) Jemand verkauft sein Getreide auf direktem Weg*, ohne sich um die Börse zu scheren. Wer die Sache an sich etwas verfolgt hat, muss unweigerlich darauf gestoßen sein, dass Russland über verschiedene Länder sein Getreide auch ins europäische Ausland verkauft. *So verkauft Russland auch Gas und Öl und andere Rohstoffe über »Zwischenhändler«, also… Mehr

WandererX
5 Monate her

Interessanterweise explodieren manche Waren im Preis, und gleichwertige Produkte blieben in den letzten 3 Jahren fast gleich (Nürnberger Elisenlebkuchen, fränkische Wurst, Sekt, Hartkäse) oder gleich: gerade das Billigzeug der Discounter ist nun doppelt bis dreifach (gegenüber 2018) so teuer: Spagetti, Dosenschlagsahne, Haferflocken, Pizzateig, Pudding, Frische Tortellini, einige Wurstsorten, Fischstäbchen. weil die dann von den Sachen kaum noch was absetzen, müssen sie dann ab und zu Angebote raushauen, um ihre Kühlkammern zu leeren: dann gibs öfters 50% Rabatt – selbst bei Expresso- Cafe 8 euro statt 16 euro. Es lohnt sich also im Moment, Angebote abzugrasen und sich ggf. zu bevorraten.… Mehr

Urbanus
5 Monate her

Die offizielle Arbeitslosenzahl mit dem Faktor 4 multiplizieren, dann könnte es passen. Die amtlichen Zahlen haben noch nie gestimmt. Heutzutage schon gar nicht.

Alfonso
5 Monate her

Lebensmittelpreise verteuern sich seit Frühjahr 2022 um 91 Prozent“

Gierflation nennt man das wohl.

Die meisten Branchen und Händler aus allen Warenbereichen machen hier ebenfalls aktiv und sehr engagiert mit, nicht zuletzt auch die Gastronomie.

Lucius de Geer
5 Monate her
Antworten an  Alfonso

Wenn das so einfach ist, kann doch jeder selbst einen Laden oder ein Restaurant aufmachen, die Preise der anderen unterbieten und so ganz schnell reich werden, oder? Warum machen Sie das nicht?

Nibelung
5 Monate her

Das grüne und rote Wirtschaftswunder wird uns doch täglich vorgeführt, wie ein Unternehmen nach dem anderen aufgibt oder die Personalstärke zurück führt und das alles unter den wachen und sachkundigen Augen der jeweiligen Resort-Spezialisten Heil und Habeck, die vermutlich ein wachsames Auge auf ihr eigenes Fortkommen haben, denn wäre es anders zu sehen, dann müßte unsere Wirtschaft nicht am Stock gehen, was sie teilweise durch ihr hündische Ergebenheit selbst mit initiiert haben. Fehlt nur noch eine internationale Auseinandersetzung im Nahen Osten, die dann ganz Europa mit aufwühlen würde und an die Folgen darf man erst garnicht denken, wenn erst mal… Mehr

H. Priess
5 Monate her

Da beißt sich aber etwas gewaltig, gerade noch wurde gejubelt, daß wir Japan als drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt abgelöst haben. Lt. IWF brummt unsere Wirtschaft wie nie und die Aussichten sind mehr als rosig. Seltsam! Dann 3% Arbeitslose? Wer wird eigentlich noch als Arbeitslos gezählt? Die die sich melden, weil sie gerade den Job verloren haben? Zwangsläufig kommt man zu den vielen jungen Männern die die Innenstädte bevölkern. Ich weiß, sehr viele haben keine Arbeitserlaubnis, warum verstehe ich nicht denn es wird doch gefordert, daß sie arbeiten sollen. Die zählen wohl alle nicht dazu von den Arbeitsverweigerern die sehr gut… Mehr

DrRobertFord
5 Monate her

Der Skandal um die Preisabsprachen bei Lebensmitteln zeigt, dass hier Regierung, staatliche Institutionen (und Journalismus!) versagen. Die Verhinderung von Kartellen ist elementar für das Funktionieren eines Marktes. Das mussten slebst die angeblich so erzkapitalistischen USA um 1900 schmerzhaft erfahren (Sherman Act, Rockefeller etc.). Bei uns verkommt die (Finanz)-Marktaufsicht zu der einer Bananenrepublik (Wirecard, Cum-Ex, Warburg etc.). Auch hier das typische Muster: Der gemeine Bürger wird wegen Bagatelldelikten gnadenlos bestraft, die Haute Volee kann sich bereichern und tun und lassen, was sie beliebt. Gerade Lebensmittel sind eine Zumutung, denn für Mittel-/Unterschicht machen sie einen überproportional großen Einkommensanteil aus. Zusammen mit der… Mehr

Mikmi
5 Monate her

Die Schwarzgruppe hat seinen Umsatz 2022 um fast 15% steigern können.
Wir werden ausgenommen, die Gründe wie Krieg, Energieknappheit, werden schamlos ausgenutzt. Leider ist unsere Regierung unfähig, etwas dagegen zu tun.

Spyderco
5 Monate her
Antworten an  Mikmi

Warum sollte die Regierung etwas gegen Zustände tun,die sie selbst herbeigeführt hat?

Die Kriege betreffen uns nur,weil wir uns selbst involvieren.
Die Energieknappheit ist Eigenverschulden.

Es sind keine Gründe,sondern Vorwände.

Last edited 5 Monate her by Spyderco
MichaelR
5 Monate her

Was allerdings die Teuerungsrate mit dem Ukraine-Krieg zu tun haben soll, überzeugt schon gar nicht. 1.) Problem Rohstoff: in der Ukraine wurden von der russischen Armee gezielt Getreide- und Sonnenblumenfelder zerstört. Auf dem Weltmarkt fehlen Unmengen an Getreide und Sonnenblumensamen für das begehrte Öl. Dass fehlende Getreide Auswirkungen auf den Preis von Mehl hat, sollte einleuchten. Gleiches gilt für Sonnenblumenöl. 2,) zusätzlich zu diesen Problemen ist Energie deutlich teurer geworden und wird selbstverständlich auf die Produkte umgelegt; damit alleine warn schon kräftige Preissteigerungen verbunden. 3.) Infolge von Corona sind Lieferketten praktisch zusammengebrochen und der Rohstoff- und Lebensmitteltransport lief deutlich schleppend… Mehr

JohnDoe1988
5 Monate her

Ab Januar steigt auch die CO2 Bepreisung, zusammen mit der Maut Erhöhung und der Gastronomie Steuer Erhöhung bzw. Rückkehr zur Normalität, kann man sich bald nicht einmal mehr Schnitzel mit Pommes in einem Restaurant leisten. Wir leben im Besten Deutschland aller Zeiten.

Für die Grünen läuft alles nach Plan, die möchten Deutschlands Wirtschaft das Genick brechen. Die lassen bei jeder düsteren Prognose vermutlich die Korken knallen, denn der „Postwachstum“ bzw. „Degrowth“ geht weiter nach Plan.
Bald ist nichts mehr von der einstigen Viertgrößten Volkswirtschaft der Welt übrig. Vielen Dank Herr Habeck.