Zwangsheirat und Kinderehe – Wie der Rechtsstaat zum Laissez-Faire-Staat wird

Eine Umfrage der Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ hat ergeben, dass manche Eltern den Heimaturlaub zur Zwangsverheiratung ihrer Kinder nutzen. Lehrer fordern nun mehr Unterstützung an Schulen, um Frühehen und Zwangsheirat zu verhindern.

IMAGO / Dominik Bund
Protestkundgebung gegen Zwangsheiraten, Bonn, 25.11.2020

„Lehrkräfte wollen mehr Unterstützung gegen Zwangsehen.“ Diese Überschrift lesen wir am 22. Juli 2022 in einer Berliner Zeitung, es könnte auch eine Kölner oder Duisburger oder Frankfurter usw. Zeitung sein.

Nochmal: „Lehrkräfte wollen mehr Unterstützung gegen Zwangsehen.“ Spielen sich hier Lehrer als Sheriffs auf, als Staatsanwälte? Ist es Wichtigtuerei oder pure Hilflosigkeit? Nein, nichts davon, denn was die Lehrerkollegien hier beobachten, ist alljährliche archaische Realität in diesem ach so bunten Land, in dem wir „gut und gerne“ leben.

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Was steckt dahinter? Die Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ hat bundesweit eine anonyme Online-Umfrage gemacht. Diese Umfrage ergab: „Manche Eltern nutzen den Heimaturlaub zur Zwangsverheiratung ihrer Kinder.“ Konkret: Es ist von 188 Fällen von Frühehe, von weiteren 191 Fällen von Zwangsverheiratung und von 682 (Frühehe) plus 786 (Zwangsheirat) entsprechenden Verdachtsfällen die Rede. So steht es in der Berliner „bz“. Politisch korrekt: zunächst ohne Nennung des kulturellen Hintergrunds der Eltern und des „Heimatlandes“. Erst später im Text heißt es – gleichwohl immer noch reichlich verschleiernd: Es geht um „Heimaturlaub für Familien aus streng patriarchalischen Ländern“.

Und was tut der Rechtsstaat? Nichts bis wenig! Die letzten verlässlichen Zahlen des Bundesfamilienministeriums stammen aus dem Jahr 2008. Man hatte 3.443 Fälle registriert. Damals schon und vermutlich heute erst recht mit einer sehr großen Dunkelziffer, die sich dahinter verbirgt.

Aber warum geschieht staatlicherseits nichts? Sollen Lehrerkollegien jetzt das Problem lösen? Ein Wust an Materialen zur „Evaluierung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen“ fördert auch wenig zu Tage. Apropos „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“: Es stammt aus dem Jahr 2017. Danach gelten Ehen, die außerhalb Deutschlands vor Vollendung des 16. Lebensjahres geschlossen wurden, als nicht geschlossen. Bei Ehen von 16-/17-Jährigen können diese Ehen aufgehoben werden. Zwischen 2017 und 2019 ist das in 10 (zehn!) von 813 Fällen geschehen.

Und dann der Hammer: Selbst dieses Gesetz ist in Karlsruhe gelandet und harrt einer höchstrichterlichen Entscheidung. Der Bundesgerichtshof (BGH) will eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg (OLG) überprüfen lassen. Der BGH sieht in dem Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen einen Verstoß gegen mehrere Artikel des Grundgesetzes, darunter Artikel 1 (Menschenwürde) und Artikel 6 (Ehe und Familie) (XII ZB 292/16). Es war beim OLG im Mai 2016 um die Aufenthaltsbestimmung für eine damals 15-Jährige, die im Alter von 14 Jahren in Syrien mit ihrem volljährigen Cousin (21) verheiratet worden war, gegangen. Die Ehe sei wirksam, urteilte damals das OLG. Daher dürfe das als Vormund bestellte Jugendamt nicht über den Aufenthalt des Mädchens bestimmen. Der „Fall“ betraf ein geflüchtetes syrisches Paar, das 2015 nach Deutschland gekommen war.

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Grundsätzlich wieder: Was ist der kulturell-archaische, ja ideologische Hintergrund? Darf man ihn nennen? Man muss ihn benennen, es hat mit dem Islam zu tun. Aufgrund massiver Warnungen des UN-Kinderhilfswerks UNICEF mag die Propaganda für Kinderehen in muslimischen Ländern etwas leiser geworden sein. Dennoch propagierte Diyanet, die staatlich-türkische Behörde für religiöse Angelegenheiten, noch 2018 die Vorstellung, dass 9-jährige Mädchen und 12-jährige Jungen auch ohne elterliche Zustimmung verheiratet werden dürfen. Man nahm den Plan zurück, aber die entsprechende „Denke“ ist präsent. Das korrespondierte mit Erdogans Plan aus dem Jahr 2020, dass es keine Strafe für Vergewaltigung geben solle, wenn der Täter das Opfer heirate. Folgerichtig verließ die Türkei denn auch 2021 die Konvention des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (sogenannte Istanbuler Konvention). Das ist jedenfalls das Umfeld, in dem manche türkische oder syrische Familien mit ihren Kindern „Heimaturlaub“ machen.

Ergänzung: In dieses System passt eine andere, mit dem Islam begründete Praxis: die Genitalbeschneidung. Letztere ist in Deutschland seit 2013 qua Strafgesetzbuch (StGB 226a) verboten. Dennoch scheint diese grausame Verstümmelungspraxis auch in Deutschland zuzunehmen. Die damalige Bundesfamilienministerin Giffey sprach im Juni 2020 von 67.706 Fällen verstümmelter Frauen und Mädchen und von einer Zunahme seit 2017 von rund 40 Prozent. Die Zahl der Genitalbeschneidungen bei Mädchen bezifferte Giffey damals – je nach Erfassungsmethode – auf 2.785 bis 14.752.

All dies mitten in Deutschland, das vor lauter „kultursensibler Toleranz“ in Teilen in ein archaisches Mittelalter zurückfällt! Die von einer Annalena Baerbock angekündigte „feministische Außenpolitik“ wird daran nichts ändern.


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Kommentare ( 49 )

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WandererX
1 Jahr her

Man war doch schon seit den 1960ern in der CDU Regierung äußerst lasch und gleichgültig gegenüber dem, wass ich in D. über Einwanderung ausbreiten würde. Dann rief man, als es nicht gefiel: die Linken waren es! Und dann konnten Kohl und Merkel so weitermachen. Letztlich hat die CDU immer nur Unternehmerpolitik gemacht.Gehts diesen gut, wird alles gut… das war die Devise. Konservativ war die CDU nie, sie gab sich früher nur so, weil das da noch opportun war. Heute ist es das nicht mehr, weil das Volk heute eher noch technokratischer und humanistiscerh denkt und zu 50% Weltretter- und Umweltsprüche… Mehr

Mausi
1 Jahr her

https://de.wiktionary.org/wiki/Laisser-faire: Bedeutungen: [1] Haltung, nicht ins Geschehen einzugreifen/die Dinge sich selbst zu überlassen Lt. Duden hat der Ausdruck diese Bedeutung für z. B. die Kindererziehung. Diese Art der Erziehung ist gekennzeichnet durch fehlendes Interesse. Dadurch unterscheidet sich diese Art der Erziehung von antiautoritärer Erziehung, vgl. letzter Link im Kommentar. https://www.duden.de/rechtschreibung/laissez_faire__laissez_aller: Schlagwort des wirtschaftlichen Liberalismus (besonders des 19. Jahrhunderts), nach dem sich die von staatlichen Eingriffen freie Wirtschaft am besten entwickelt Und genau so sieht es aus. Alles, was mit Wirtschaft zu tun hat unterliegt immer strengerer Regulierung. Nicht-Eingreifen gilt nur dort, wo es um „Befreiung“ von westlicher Kultur geht. Und… Mehr

Deutscher
1 Jahr her

Tja, man kann es halt beim wokesten Willen nicht allen recht machen. Zum Glück werden Kinder heute schon im Vorschulalter mit sexuellen Themen vollgeballert, dann sind sie wenigstens auf ihre baldige Hochzeitsnacht vorbereitet….

Aber da fällt mir ein: Wie stehen eigentlich islamische Eltern zur staatlichen Frühsexualisierung? Finden die das gut, dass ihre Töchter im Kindergarten mit Dildos spielen?

*Sarkasmus off*

Last edited 1 Jahr her by Deutscher
Rosalinde
1 Jahr her

Der Bruch geltender Gesetze ist eben nicht nur auf die nationalen Grenzen begrenzt, sondern umfasst mittlerweile fast alle Lebensbereiche.

Cart
1 Jahr her

Ehrlich gesagt ist mir egal, was in dieser Subkultur Deutschlands passiert, solange nicht andere bedroht, verletzt oder getötet werden. Man wird diese Leute nicht ändern können.

josefine
1 Jahr her
Antworten an  Cart

Ich glaube, es sollte uns nicht egal sein, was die jeweilige Subkultur macht; denn wenn alle hier versammelten Subkulturen nach verschiedenen Rechtsauslegungen leben, gibt es auf Dauer ein heilloses Durcheinander, und keiner hält sich noch an die jetzt allgemeingültigen Regeln.

NordChatte
1 Jahr her
Antworten an  josefine

josefine, diese – bereits vorhandenen – Subkulturen halten sich schon lange nicht mehr an die allgemeingültigen Regeln. Zur Veranschaulichung empfehle ich Ihnen das Buch RICHTER OHNE GESETZ von Joachim Wagner.

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Warum soll Deutschland denn etwas tun? Unser Job wäre es eventuell, solche Leute nicht ins Land zu lassen, aber für solche Ideen gerät man als vermeintlicher AFDler in das Visier des Verfassungsschutzes. Also scheint es politisch gewollt zu sein. Und da die demokratische Mehrheit der Deutschen das so will, hat man das wohl zu akzeptieren, man ist ja ein Freund der Demokratie. Ich schlafe damit ruhig. Ob ein syrisches Mädchen hier oder zu Hause zwangsverheiratet wird, ändert an der Summe der Zwangsehen nichts und ich fühle mich auch nicht zuständig zu intervenieren.

Der Person
1 Jahr her

Wieso „archaisches Mittelalter“? Im Mittelalter wurden keine Mädchen genital verstümmelt, ebensowenig kleine Jungs. Und wenn es zu einer Art ´Zwangsheirat´ kam, dann in Adelsfamilien, ansonsten war das Heiratsalter nie jünger als 13 Jahre. Frauen konnten i.d.R. den Partner selber bestimmen, Berufe ergreifen und bei einer Vergewaltigung wurde der Täter schwer bestraft. Ich verstehe deswegen nicht, wie immer wieder das europäische Mittelalter herhalten muss, um das zu beschreiben, was -Herr Maverick hat es hier schon gesagt- einfach der „ganz normale, authentische Islam“ ist.

WandererX
1 Jahr her
Antworten an  Der Person

Da haben sie Recht! Aber bereits seit 1350 hat der italienische Humanist Petrarca das Mittelalter als das Gotische und von der wahren Kultur (die römische) Abgefallene denunziert. Man wurde sich bewusst, dass das Mittelalter auch sehr stark vom germanischen Recht geprägt wurde und nicht nur vom römischen, das mißfiel das den ersten italienischen Nationalisten.

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat 1: „Und was tut der Rechtsstaat? Nichts bis wenig!“ > FALSCH! Denn soweit ich mich erinnere, war es doch um 2016/17(?) herum unser kleiner wohlwollende ubd so weltoffene SPD-Heiko(Maas) der den Kinder-Sex über die staatlich erlaubte Kinder-Ehe für Mädchen ab 13 Jahre einführen wollte. Dass dieses maasnische SPD-Pädophilen-Gesetz bei Einführung natürlich auch sehr dem türkischen Obermuftie Erdolf gefallen hätte, braucht wohl nicht extra erklärt werden Und das hier von den auch so wohlwollenden und weltoffenen Grünen mit deren -auch- Pädophilen-Fans wie z.Bsp jener D. Cohn-Bendit mit seinen pädophilen Hosenschlitz-Träumereien keine Widersprüche zu hören waren, sollte auch nicht überraschen. Im… Mehr

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat 1: „Und was tut der Rechtsstaat? Nichts bis wenig!“ > FALSCH! Denn soweit ich mich erinnere, war es doch um 2016/17(?) herum unser kleiner wohlwollende ubd so weltoffene SPD-Heiko(Maas) der den Kinder-Sex über die staatlich erlaubte Kinder-Ehe für Mädchen ab 13 Jahre einführen wollte. Dass dieses maasnische SPD-Pädophilen-Gesetz bei Einführung natürlich auch sehr dem türkischen Obermuftie Erdolf gefallen hätte, braucht wohl nicht extra erklärt werden Und das hier von den auch so wohlwollenden und weltoffenen Grünen mit deren -auch- Pädophilen-Fans wie z.Bsp jener D. Cohn-Bendit mit seinen pädophilen Hosenschlitz-Träumereien keine Widersprüche zu hören waren, sollte auch nicht überraschen. Im… Mehr

Maja Schneider
1 Jahr her

Wir Kartoffeln freuen uns jetzt schon auf die Zukunft und seine ständig befeuerte „kultursensible Toleranz“, deren Früchte besonders unsere Kinder und Enkel werden ausbaden müssen, und zwar in jeder Hinsicht. Daran jedoch denkt diese Regierung nicht im Mindesten, ganz im Gegenteil, sie bürdet ihnen eine Last auf, die sie nicht werden tragen können und die sie Dank der so „besonders gepflegten“ Bildungspolitik jetzt auch noch gar nicht in der Lage sind, zu erkennen. Das Erwachen wird bitter. Normalerweise sind wir alle geprägt von dem Denken, dass es unseren Kindern einmal besser gehen sollte. Nun müssen wir uns die Frage gefallen… Mehr