Wie Merkel als Handlanger Macrons ein Problem für die EU wird

Der Unmut über das deutsch-französische Kondominium, das im Grunde genommen eine kaschierte französische Hegemonie darstellt, könnte nicht nur bei den sparsamen Vier politisch in Widerstand umschlagen.

imago images / IP3press
Angela Merkel und Emmanuel Macron im Dezember 2019

Aus Schloß Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung, werden Bilder der Harmonie über das erste persönliche Treffen nach dem Lockdown zwischen Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Staatspräsidenten in die Welt gefunkt. Es soll einmal mehr bekundet werden, dass Deutschland und Frankreich im Gleichschritt zur Lösung der europäischen Probleme bereit seien. Der französische Staatspräsident hat gut lachen. Während ihm in Frankreich die letzten Reste seiner parteipolitischen Basis langsam aber sicher wegbrechen und der Vertrauensverlust in der Bevölkerung nach Gelbwestenkrise, Corona-Chaos und nunmehr den katastrophalen Ergebnissen der Kommunalwahlen irreversibel erscheint, vermag der junge Mann mit dem schneidigen Auftritt zumindest den heimischen Fernsehzuschauern den Eindruck zu vermitteln, in Deutschland alles fest im Griff zu haben.

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Es ist in der Tat wie ein Wunder: Obschon Frankreich wirtschafts- und finanzpolitisch noch nie so angeschlagen war, führt der junge Herr aus Paris die deutsche Politik, weil Merkel auf eine eigene Strategie verzichtet hat und sich Frankreich, dem Land mit dem angeborenen Führungsanspruch, nahezu völlig untergeordnet hat.

Lange Zeit wiegte die Bundeskanzlerin die Deutschen in der Sicherheit, sich auf Gemeinschaftsschulden auf keinen Fall einlassen zu wollen. Diverse Vorschläge in diese Richtung waren immer wieder von den Pariser Machthabern im „europäischen Interesse“ an die Bundesregierung adressiert worden. Einmal ging es darum, sogenannte „Eurobonds“, also gemeinsame Anleihen, für die Deutschland natürlich sehr viel wichtiger wäre als Zypern und Griechenland, den Deutschen schmackhaft zu machen. Ein anderes Mal sollte ein sogenanntes „Save Asset“ kreiert werden, um die Dominanz der Bundesanleihen auf dem Markt für Staatsanleihen zu beseitigen. Im Kern geht es immer um das französischen Anliegen, Deutschland politisch an die Leine zu nehmen und finanziell dafür haften zu lassen.

Dies ist der französische Traum:

Ein Deutschland, das sich politisch aufgibt und sich mit seinem Bruttosozialprodukt ganz und gar der europäischen Integration unter französischer Führung zur Verfügung stellt. Diesem Ziel ist Macron deshalb ein gutes Stück näher gekommen, weil die Kanzlerin eine ihrer vielen Volten geschlagen hat. Schon bei der Griechenlandhilfe war sie wider Erwarten auf einmal doch spendenfreudig und zeigte mit den Griechen Engelsgeduld. Ähnlich ging es beim europäischen Rettungsfonds EFSF/ESM, den sie versprochen hatte, nach drei Jahren wieder aufzulösen. Nun steht er nicht nur auf Dauer gezimmert da, sondern sucht für sich permanent neue Aufgaben im Sinne eines europäischen Schatzamtes. Ganz zu schweigen von der europäischen Bankenunion, bei der Deutschland die Aufsicht über inländische Bankkreditinstitute aufgibt, aber für ausländische Kreditinstitute, die es nicht beaufsichtigen kann, im Rahmen des Abwicklungsfonds mithaftet.

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Mit dem sogenannten Wiederaufbaufonds soll nun das Prinzip französischer Politik, zu herrschen und dabei Deutschland in Haftung zu nehmen, zur Vollendung gebracht werden. Der Preis, den Deutschland für diese neue Merkel-Volte zahlt, ist nicht nur finanziell denkbar hoch. Denn bei der 30 Jahre langen Rückführung einer Gemeinschaftsanleihe ab 2028 ist kaum damit zu rechnen, dass jedes der EU-Länder auf Dauer sein Scherflein entrichten wird. Vielmehr würden die Märkte ein solches Risiko nur querschreiben, wenn die großen Länder – darunter natürlich Deutschland – ihre unbeschränkte Haftungsbereitschaft signalisieren.

Aber auch strategisch ist der von Merkel gewagte Schritt für die Phalanx deutscher Ordnungspolitik eine Katastrophe. Stand Deutschland bislang stets mit Schweden, Österreich, Dänemark, Finnland in einer Reihe, um französische Umverteilungspläne, die imperial und im Namen Europas vorgetragen wurden, zu verhindern, so sind die sparsamen Vier nun auf sich allein gestellt. Doch könnte der Unmut über das deutsch-französische Kondominium, das im Grunde genommen eine kaschierte französische Hegemonie darstellt, nicht nur bei den sparsamen Vier politisch in Widerstand umschlagen. Auch Tschechien und Polen sowie die Ungarn ganz zu schweigen von den baltischen Staaten dürften dem eigentlichen Anliegen der EU-Kommission, eine fiskalische Zentralgewalt zu Lasten der nationalen Demokratien zu erlangen, skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.

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Erstaunlich ist indessen, dass das politische Establishment Deutschlands und Frankreichs sowie die sie tragenden Staatsmedien neben der Übertragung der Ferienbilder aus Meseberg kein kritisches Wort über den Antagonismus zwischen wachsender Brüsseler Fiskalzentralgewalt und nationalen Demokratien verlieren. Die „sparsamen Vier“ werden wie Störenfriede behandelt, die im Grunde genommen den schon eingeleiteten Prozess der fiskalischen Zentralisierung nur zeitlich aufschieben und inhaltlich abmildern können.

Die deutsche Bundeskanzlerin wiederholt andauernd, dass es für Europa schädlich sei, wenn Deutschland und Frankreich uneinig sind. Die gegenwärtig praktizierte Einigkeit zwischen Paris und Berlin, der permanente Gleichschritt – um nicht zu sagen die Gleichschaltung der deutschen Politik nach französischen Maßgaben – ist langfristig gesehen die größte Bedrohung für einen pluralistischen Staatenbund, der von dem sense of belonging der Völker – dem Zusammengehörigkeitsgefühl – lebt.

Von einem EU-Europa, das von Deutschland und Frankreich dominiert und in das Abenteuer einer 750 Milliarden Subsidienwirtschaft gestürzt wird, dürften sich die mittleren Länder wie Österreich, Niederlande, Schweden, Dänemark, Tschechien, Slowakei und auch Portugal langfristig nicht angezogen fühlen. Aber es gibt in den gegenwärtigen Demokratien immer weniger Politiker, die das langfristige fiskalische Selbstbestimmungsrecht ihres Landes für wichtiger erachten als kurzfristige Fiskalgeschenke.


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Kommentare ( 64 )

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Ananda
3 Jahre her

Die EU ist also eine Bestechungswirtschaft statt einet soliden Volkswirtschaft. Zuckerbrot und Peitsche. Merkel kauft sich mit unserer Arbeitskraft ein Imperium zusammen, auch wenn es scheinbar unter französischer „Hegemonie“ steht. Bei Frankreichs schwacher Wirtschaft dürfte klar sein wohin die deutschen Segnungen dann fließen.

Irgend ein repräsentatives Pöstchen wird für Merkel schon rausspringen. Oder der Nobelpreis für den Mehrfach Verrat an dem ihr anvertrautem Volk.

Chloepfts
3 Jahre her

Maastricht ist wie Versailles, nur ohne Krieg. Und Merkel machts wie Erzberger damals mit seiner Unterschrift. Immer wieder gibt es Deutsche deren Eid „Zum Wohle des deutschen Volkes“ aus Schaum besteht. Lloyd George sagte: „Kein Land in Europa hat so unter seinem Nachbarn gelitten, wie Deutschland unter Frankreich“. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß aus der deutschen Stammesvielfalt es immer wieder Kollaborateure gab. Nehmen wir nur den Herzog von Braunschweig in den Revolutionskriegen. Wenn die Deutschen sich nicht ermannen*innen für ihre Freiheit, wird das eh nichts mehr. Das aber scheuen sie wie der Teufel das Weihwasser, denn dann würden sie… Mehr

Imre
3 Jahre her

Bei einem Schulkind könnte man bei derartigem Versagen unterstellen, dass es garnicht weiß, was es tut.
Aber wie erklärt man rational ein solch grundsätzliches und fundamentales Schleifen der deutschen Finanzen, und eines vorgeblichen Rechtsstaates durch diese unbedarfte Frau und ihre Handlanger?!
Auf die Gefahr der Wiederholung: Keine Würstchenbude führen können, aber wie selbstverständlich am Steuer des Großtankers Deutschland herumzerren, und den im Abgrund versenken…

Christian1
3 Jahre her

Wenn Macron Europa sagt, meint er Frankreich. Es ist schon dreist, so pleite zu sein und derartig auf dicke Hose zu machen . Frankreich ist ein Glochard, der weiter auf unsere Kosten leben will.

StefanB
3 Jahre her

Merkel, vdL, Macron und der linksgrüne (europäische) Rest zielen nicht auf einen europäischen Staatenbund ab, sondern auf die Vereinigten Staaten von Europa, also einen europäischen Zentralstaat. In diesen wird es keine Staaten, sondern nur noch Regionen geben.

Regina Lange
3 Jahre her

Wenn Macron kommt, wird das immer teuer für uns! Der wickelt Merkel mit Leichtigkeit um seinen französischen Mittelfinger. Macron will Wahlen gewinnen und dafür verspricht er seinen Wählern deutsches Geld. Das kommt naturellement besser an, als ein höheres Renteneintrittsalter oder gar höhere Steuern. Bezahlen darf die Zeche der deutsche Steuerzahler. Zur Not wird bei uns das Renteneintrittsalter auf 70 oder auch gerne 75 Jahre erhöht. Der gemeine Franzosse genießt derweil seine frühe Rente im eigenen Häuschen! Mit dem deutschen Michel kann mans ja machen!

RenaC.
3 Jahre her

Was wir dringend brauchen ist ein verfassungsmäßig garantiertes Recht auf Plebiszit vor allen grundlegenden Veränderungen, wie Währung, Grenzöffnungen und Migration,
Souveränitätsabgaben und Transfers von Steuergeldern ins Ausland.

moorwald
3 Jahre her

Man kann nur hoffen, daß Deutschland, das sich in vieler Hinsicht übernimmt, zusammenbricht. Anders ist eine Wende kaum denkbar.
Vorher wird es aber noch gründlich ausgeraubt werden. Denn Deutschland ist d e r Beutestaat schlechthin.

moorwald
3 Jahre her

In Frankreich ist die Schmach von 1870/71 (Niederlage und Kaiserkrönung in Versailles – ein unverzeihlicher Fehler Bismarcks) und 1940 noch sehr gegenwärtig. Daraus erklärt sich ein Großteil der Politik gegenüber Deutschland. So versuchte Mitterand (neben Thatcher) noch, mit Hilfe Polens die Wiedervereinung zu verhindern. Frankreich hatte wohl Angst, ein neues, größeres Deutschland könne wieder auf kriegerische Abenteuer zwecks Revision oder Expansion verfallen. Inzwischen ist Deutschland militärisch impotent. Aber als Wirtschaftsmacht nach wie vor bedrohlich. Daran hat auch das Ende der D-Mark nichts geändert. Im Gegenteil: die Südländer, zu denen man auch Frankreich rechnen kann, sind nach wie vor weit zurück.… Mehr

Hans Buttersack
3 Jahre her

Bitte keine Alibis für Merkel!
Das Aufgehen Deutschlands in der EU war seit Beginn der Bundesrepublik immer das Credo der politischen Elite in Deutschland. Von daher hatten wir noch nie einen Bundeskanzler, der nationalstaatliche deutsche Interessen vertreten hat.
Aber es wäre durchaus möglich, dies zu ändern – wenn man es denn wollte.