Deutschlands ranghöchster Marineoffizier räumt „freiwillig“ seinen Posten

Weil er laut, aber auch realistisch gedacht hatte, musste Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach seinen Posten räumen. Das zeigt: Man will in Deutschland eine schweigende Generalität. Bloß nicht laut denken, heißt die Vorgabe für die mehr als zweihundert deutschen Generale und Admirale.

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck

„Eklat!“ „Diplomatischer Skandal!“ „Umstrittene Äußerungen!“ „Sorgt für Wirbel!“ „Verharmlost Putins Aggressionspolitik!“ „Außenpolitischer Scherbenhaufen!“ „Treten Sie zurück!“ Die deutsche Presse überschlägt sich immer gerne, wenn ein ranghoher Soldat laut denkt.

Was war geschehen? Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach (56), hat in Indien bei einem “Braintrust“, gekleidet in Uniform und vor offenbar wenigen Zuhörern, laut über sicherheitspolitische Themen nachgedacht. Unter anderem über die Ukraine, Russland und China. Manches von dem, was er sagte, war unbedacht. Das hat er auch unmittelbar danach als Fehler eingeräumt. Einer der Gesprächsteilnehmer hat Schönbachs Äußerungen indes aufgezeichnet und öffentlich gemacht.

Unter anderem hatte Schönbach gesagt: Russland werde die Krim nie mehr an die Ukraine zurückgeben. Putin wolle nicht in die Ukraine einmarschieren, er wolle vom Westen nichts anderes als Respekt. Und China sei alles andere als ein nettes Land. Deshalb müsse der Westen mit Russland zusammen nachdenken, wie man China begegnen könne.

Während China zumindest offiziell bislang nicht reagierte, beschwor die Ukraine über ihren Botschafter in Deutschland und über die Einbestellung der deutschen Botschafterin in Kiew größte diplomatische Verwicklungen herauf. Um freilich zugleich zu bedauern, dass Deutschland der Ukraine keine Waffen liefere.

So weit, so gut? So weit, so schlecht? Manches, was der Vizeadmiral sagte, ist naiv, manches sehr realistisch. Naiv war Schönbach sicher auch, weil er nicht merkte oder nicht wahrnehmen wollte, dass jemand seine Äußerungen mitschnitt. Der Vizeadmiral wurde denn auch umgehend zu Generalinspekteur Zorn, seinem militärischen Vorgesetzten, zum Rapport beordert. Kurze Zeit später erklärte Schönbach öffentlich: „Ich habe soeben die Frau Bundesministerin der Verteidigung gebeten, mich von meinen Aufgaben und Pflichten als Inspekteur der Marine mit sofortiger Wirkung zu entbinden.“

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Verteidigungsministerin Lambrecht nahm den Rücktritt Schönbachs denn auch umgehend an. Klar, so wurde ihr eine erste von ihr inszenierte Entlassung erspart. Solche Entlassungen bedürften übrigens nicht einmal einer Begründung. Es reicht, wenn etwa ein Verteidigungsminister, wie wiederholt geschehen, die Entlassung eines Generals, Admirals oder beamteten Staatsekretärs beim Bundespräsidenten beantragt.

Man könnte die Causa „Schönbach“ damit auf sich beruhen lassen. Ein zumindest kommissarischer Nachfolger von Schönbach steht ja mit Konteradmiral Christian Kaack bereits fest. Dennoch zeigt die Causa Schönbach zweierlei:

Erstens will man in Deutschland eine schweigende Generalität. Bloß nicht laut denken, heißt die Vorgabe für die mehr als zweihundert deutschen Generale und Admirale. Dieses Schweigegebot ist – abgesehen von kardinalen Fehlern etwa einer Verteidigungsministerin von der Leyen – mit ein Grund für so manches Desaster der Bundeswehr. Die neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), wird mit ihrem Appell denn auch kaum Erfolg haben. Vor wenigen Tagen sagte sie: „Ich persönlich wünsche mir von der Generalität im Ministerium insgesamt deutlich mehr Klarheit und weniger Geschwurbel“, so die FDP-Politikerin im Interview mit der Zeitung Die Welt. Den führenden Offizieren im Bendlerblock warf sie vor, sich im Umgang mit Politikern „Notausgänge offenzuhalten“ und der Führung des Verteidigungsministeriums „nach dem Mund zu reden“.

Zweitens – nur als Frage: Wie kann ein ranghoher deutscher Soldat der Ukraine-Politik der Bundesregierung eigentlich in die Quere kommen oder ihr gar widersprechen, wo eine solche Politik jenseits gewisser Lippenbekenntnisse nahezu nicht erkennbar ist? Ein Vizeadmiral Schönbach dürfte – seine Äußerungen in Indien hin oder her – sicherheitspolitisch und geostrategisch – mehr Ahnung haben als so manche deutsche Außenminister: amtierende und verflossene.

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Kommentare ( 200 )

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Mausi
2 Jahre her

Der Mann hat nicht „laut“ gedacht. Sondern leise in einem abgeschlossenen Kreis. Und jemand hat dieses „privaten“ Worte wiederholt und per Lautsprecher über die Stadt gebrüllt.

Ich zumindest weiss nichts über diesen Kreis. Nicht wie gross er ist, nicht welchem Zweck er dient, nicht wer teilnahm.

Last edited 2 Jahre her by Mausi
abel
2 Jahre her

Schade, Hr. Schönbach wäre ein guter Verteidigungsminister geworden. Stattdessen müssen wir mit Luftblasen vorlieb nehmen.

0816
2 Jahre her

Die Äußerungen des Vizeadmirals waren entweder Ausdruck übergroßer Dummheit oder er hat bewußt als Interessenvertreter Putins gehandelt. Beides rechtfertigt drastische Konsequenzen. Der neo-sowjetische Diktator hat immer wieder Eroberungskriege begonnen und hält völkerrechtswidrig Staatsgebiete Georgiens, Moldawiens und der Ukraine besetzt. Seinen Nachbarstaaten spricht er die staatliche Souveränität ab und bedroht sie immer wieder militärisch. Eroberungskriege in Europa sind nicht in deutschem Interesse. Die Appeasement-Politik des Westens ermuntert den Aggressor zu immer neuen Forderungen und zu immer brachialeren Drohungen.

Konservativer2
2 Jahre her
Antworten an  0816

Brauchen Sie wegen einer Handvoll Failed States einen Krieg in Europa? Ist die Ukraine das Leben auch nur eines deutschen Soldaten wert? Wollen Sie für die Ukraine frieren? Wollen Sie Ihre Söhne oder sich für die Ukraine in Gefahr bringen? Wählen Sie grün oder rot – die Farben der Peace-Parteien?

Beantworten Sie dies, dann reden wir weiter.

Cumulus
2 Jahre her

Wenn es danach ginge, dass Personen der Öffentlichkeit nach einem unklugen Wort zurückzutreten haben (wobei ich persönlich Herrn Schönbachs Aussagen für das Gegenteil von unklug halte), dann würde im Bundestag gähnende Leere herrschen.
Auch der Stil der Verteidigungsministerin lässt leider Schlimmes ahnen: Jemanden von seinem Rang nicht zuallererst zu einem Gespräch einzuladen, um sich ein persönliches Bild davon zu machen, was für einen Mann sie da vor sich hat – sondern dass die Verteidigungsministerin sofort „schießt“, das zeugt in meinen Augen von nichts Gutem in der Art ihrer Amts- und Menschenführung.  

Konservativer2
2 Jahre her
Antworten an  Cumulus

Die Bundeswehr wird seit Jahren zu einer Söldnerarmee umgebaut, die politische (Reset?)Interessen der vorgeblichen rot-grünen ex-Friedenstauben durchsetzen soll. Der Teil des Diensteides „Ich schwöre…das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes…zu verteidigen.“ ist zur Satire verkommen; sogar Minister können mit Deutschland nichts mehr anfangen…

DELO
2 Jahre her

Das ein Vizeadmiral, noch dazu im Format Schönbachs, im Ausland naives Zeugs daherredet, glauben doch wohl nur selbst Naive. Eine Aufzeichnung findet heute bei jedem Service-Telefonanruf statt. Das muß auch Schönbach bewußt gewesen sein. Und das er sich selbst als naiv hinstellt, ist auch nachvollziehbar. Bleibt die Frage nach dem eigentlichen Hintergrund seiner Äußerung. Wollte er bewußt ein Signal an Moskau senden, weil der deutschen Generalität ein Krieg in Europa zu nah und zu sinnlos erscheint oder ging es ihm eigentlich um die Gefährlichkeit von China und Russland wurde nur gestreift. Das die Krim für die Ukraine „weg“ ist, ist… Mehr

Nibelung
2 Jahre her

Früher gab es noch den Bürger in Uniform, lang ist es her und heute sind es eben Lametta-Behängte, die den Bürgeranspruch schon lange aufgegeben haben um sich noch zur Pension rüber zu retten und dieser Verfall, von einigen Ausnahmen abgesehen, zeigt doch den inneren Zustand auf, indem wir uns seit Merkels Zeiten befinden und wer sich von völlig Unbeleckten kommandieren läßt, setzt sich nicht nur dem Spott der Konkurrenz aus, sondern dokumentiert auch gleichzeitig seine eigene Unterwürfigkeit und das ist das Ende der wehrhaften Demokratie, die den meisten ehedem egal ist, weil sie die Zusammenhänge weder verstehen noch unterstützen wollen,… Mehr

Hugo Treppner
2 Jahre her

Hätte der „Staatsbürger in Uniform“ seine Meinung in Zivil geäußert, würde Lambrecht bei einer Entlassung schon in arge Erklärungsnot kommen. Ohne Uniform, Blingbling und Tamtam, hätte auch kein Hahn nach diesen Äußerungen gekräht.

Alt-Badener
2 Jahre her

Der Vizeadmiral hat ja schon lange mitbekommen, in welcher Operettentruppe er Dienst tut, Hauptbeschäftigung Schutzsuchende retten . . . Für mich ist es eh ein Rätsel, dass da nicht schon viele Generäle das Handtuch geschmissen haben. Wer weiß, vielleicht hat er seine Äußerungen voller Absicht getätigt, um sich all das, was da in der Truppe vor sich geht, nicht mehr antun zu müssen. Wenn man sich die Oma anschaut, die da seine Oberkommandierende ist, bleibt eigentlich jedem hohen Offizier nur ein alter deutscher Spruch übrig, „lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“. Und mit Sicherheit lachen sich… Mehr

Kassandra
2 Jahre her

Die Welt hat zu Russland-Ukraine wie zu den Aussagen von Vizeadmiral Schönbach den General a.D. Harald Kujat zu Wort kommen lassen: https://www.welt.de/politik/video236428155/Ukraine-Krise-General-Kujat-findet-Entlassung-von-Vizeadmiral-Schoenbach-nicht-richtig.html
Schönbach habe die amerikanische Position vertreten und sich keines Vergehens schuldig gemacht. Zudem werde eine Nuklearmacht die andere nicht angreifen. Deutschland muss für sich klären, welche Vorgehensweise zur Deeskalierung genutzt werden soll.

PM99
2 Jahre her

Einer Regierung, die den Krieg mit Russland will, ist so ein Mann natürlich ein Dorn im Auge. Das ganze Gedöns um einen möglichen Einmarsch Russlands in die Ukraine hat doch nur den Zweck, die Rückeroberung der Krim und des Donbass durch die Ukraine vorzubereiten. Dann werden die dort noch als Mehrheit lebenden Russen vertrieben. Kennt man aus der Geschichte. So denkt man sich das jedenfalls in Kiew und im Westen. Dass der Norden des EU-Mitgliedes Zyperns seit fast 50 Jahren von der Türkei besetzt ist, interessiert dagegen keine Sau. Und Deutschland und die EU würden die Ukraine auch noch als… Mehr

Forist_
2 Jahre her
Antworten an  PM99

Es wird keine Rückeroberung der Krim geben. Ein Versuch mit massiver westlicher Hilfe würde den 3. Weltkrieg beginnen. Ein Versuch ohne westliche Hilfe wäre zu Ende bevor er begonnen hat. Beim Donbass bin ich mir unsicher, denn offensichtlich möchte Russland Land und Leute nicht haben. Die Spaltung existiert ausschließlich, weil in Kiew de facto Anhänger von Stepan Bandera die Statthalter Washingtons sind, die eine klare Vorstellung von der Endlösung der Russenfrage in der (Südost-)Ukraine haben.

0816
2 Jahre her
Antworten an  PM99

Einer Regierung, die den Krieg gegen Russland will? Gibt es für diese völlig abstruse Verschwörungstheorie auch nur den allerkleinsten Beleg?

Konservativer2
2 Jahre her
Antworten an  0816

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