Die böse Frau Merkel und der arme Herr Habeck

Robert Habeck gerät offenbar unter Rechtfertigungsdruck. Den versucht er ausgerechnet auf die Ex-Kanzlerin umzuleiten. Aber hat die nicht getan, was die Grünen sich wünschten?

IMAGO / Sven Simon
Robert Habeck im Gespräch mit Angela Merkel im Bundestag, 08.12.2021

Zur abschließenden Beratung des „Gesetzes zum schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien“ im Bundestag, das die Freiheit der Bürger und die Freiheit der Märkte und der Wirtschaft Habecks staatswirtschaftlichem Dirigismus opfert, griff Robert Habeck in einem verzweifelten Rundumschlag Angela Merkel dafür an, dass sie die klimapolitischen Beschlüsse nicht mit „Maßnahmen“ abgesichert hätte. Konkret sagte Habeck: „Wenn man sich vor Eisbergen fotografieren lässt, aber vergisst, dass Eisberge schmelzen. Wenn man aus allen möglichen Dingen aussteigt, zu Recht, aber vergisst, dass man dafür eine Infrastruktur aufbauen muss. Wenn man klimapolitische Beschlüsse fasst, sie aber nicht mit Maßnahmen hinterlegt, dann lässt man Deutschland im Regen stehen.“

Franz Kafka hat in einem Aphorismus über Leute wie Robert Habeck einst geschrieben: „Er läuft den Tatsachen nach wie ein Anfänger im Schlittschuhlaufen, der überdies irgendwo übt, wo es verboten ist.“

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Nun wirft also Wirtschaftsminister Robert Habeck der Ex-Kanzlerin Angela Merkel vor, dass sie die grünen Ideen umgesetzt, dass sie die grüne Energiewende, den Aufbruch in die Utopie, in die Große Transformation zum Nichts begonnen hat. Da nicht die somnambule Vorstellung der Grünen, dass Deutschlands Energiebedarf von Sonne, Wasser und Wind gedeckt wird, falsch sein kann, müssen diejenigen die Schuld an der deutschen Energiekatastrophe tragen, die vor der Ampelzeit versuchten, die grünen Vorstellungen, die unter dem Titel „Energiewende“ firmieren,  umzusetzen. Doch die Energiewende wird immer mehr zu Deutschlands Inflationstreiber und Wohlstandszerstörer Nummer eins. 

Ruhe sanft, wird die Energiewende, wenn sie im Habeckschen Sinne ganz vollzogen sein wird, zur deutschen Wirtschaft sagen. 

Habecks Klage im Bundestag ist das alte Lied und die letzte Verteidigungslinie von westlichen Linksliberalen, die behaupten, der Sozialismus im Osten sei kein richtiger gewesen, weil die im Osten einfach zu blöd waren, die tolle Idee des Sozialismus oder der klimaneutralen Gesellschaft richtig umzusetzen, also sie „mit Maßnahmen“ zu hinterlegen. Stimmt, ein Habeck hätte das vor 11 Jahren besser gemacht. 

Zumindest wäre Deutschland mit dem Desaster bereits durch und könnte mit Realismus, also ohne Grüne, mit dem Wiederaufbau beginnen. Was später kommt, wird ungleich teurer. Freilich, besser wäre es, es käme gar nicht. 

Doch Habeck ist so verzweifelt, dass er sich weiter entrüsten muss: „Und das haben wir in der Vergangenheit erlebt: immer größere Abhängigkeit von russischen fossilen Energien, mangelnde Diversifizierung, Nichteinhaltung der klimapolitischen Ziele, schleppender, ja zusammengebrochener Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Erlebt ja, aber niemals heftig auf- und angegriffen und offensichtlich bei Regierungsbeginn nicht in Rechnung gestellt.

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Habeck rechnet mit Merkels Klimapolitik ab, obwohl es die eigene ist
Warum klagt Habeck so laut? Er wusste doch, was auf ihn zukommt, schließlich hat er es „in der Vergangenheit erlebt“? So diffus wie Habecks Weltbild ist seine Rhetorik, die Selbstwidersprüche, die grünaffine Medien verschweigen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ging trotz massiver Förderung nicht in dem von den Grünen erwünschten Maße voran, weil die „Freiheitsenergien“, frei von Realismus und Wirtschaftlichkeit sind. Die Grünen lieben die Windindustrie, weil sie als Subventionsindustrie einen Vorgeschmack auf den Sozialismus bildet. 

Die Regierung Merkel hat im Gegensatz zur Behauptung des grünen Primaklimaministers gerade mit Maßnahmen dafür gesorgt, dass die Windparks ausgebaut werden können, indem sie die Grundlast im Netz durch Gaskraftwerke im Hintergrund abgesichert hat. Was Habeck nun vorantreibt, ist genau das, was er der Regierung Merkel vorwirft: den Umbau voranzutreiben, ohne ihn mit Maßnahmen zu hinterlegen. Bis genügend Windparks und Photovoltaikflächen vorhanden sind, hofft Habeck mit Kohleverstromung und eisernem Sparen irgendwie über den Wind zu kommen. Kernkraft kommt für die Grünen nicht in Betracht – und wenn halb Deutschland erfriert. 

Der Minister handelt wie ein Hasardeur, wenn er auf den Skat setzt oder auf das Prinzip Hoffnung. Die Abhängigkeit von „fossilen“ Energieträgern wird bleiben, sie wird nur von russischen Exporteuren auf Exporteure aus Katar, USA und Norwegen verlagert. Ob es nun von Vorteil ist, sich von Katar abhängig zu machen, obliegt ganz der Weisheit des grünen Energieministers. 

Aber letztendlich sind das alles Gedankenspiele, denn erstens wird der Wechsel von russischem Pipelinegas zu Flüssiggas, das mit großen Tankern transportiert werden muss, bei weitem nicht so schnell wie erträumt funktionieren, zweitens wird es bedeutend teurer. Für die Bürger und für die Industrie und Landwirtschaft und dadurch im Endeffekt noch einmal für die Bürger. Habeck sprach im Interview mit Lanz davon, dass ungedeckelt die Energieversorger die erhöhten Kosten an die Endverbraucher, an die Bürger und an die Firmen weitergeben dürfen. Privat- und Formeninsolvenzen werden die Folgen grüner Utopiesucht sein. 

Doch Habeck klopfte sich im Interview mit Lanz dafür auf die Schulter, dass der Bürger nun nach Belieben finanziell belastet werden darf – der Staat verdient mit daran. Der Energieminister selbst rechnet mit einer Erhöhung um das Neunfache. Man versteht seine Ruhe. Wenn die Belastung zu hoch wird, werden sich die Abgeordneten des deutschen Bundestages, die dem Energiesicherungsgesetz zugestimmt haben, wegen der unzumutbaren Belastung sicher die Diäten erhöhen – Gerechtigkeit muss schließlich sein. 

Dass die Energieversorger nicht mehr an die Verträge mit den Endverbrauchern, nicht mehr an ihre Garantien gebunden sind – und die Folgen auch grüner Politik brutal  auf die Bürger abgewälzt werden können, „diese Möglichkeit besteht, wir haben sie uns geschaffen. Das ist ja eine politisch gewollte Erweiterung der Handlungsoptionen“, so Robert Habeck. Die Ampel hat die „Erweiterung der Handlungsoptionen“ der Energieversorger gegenüber den Endverbrauchern also politisch gewollt. Der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat also politisch gewollt, dass die Bürger mit ungedeckelten Preisanstiegen bei Energie auf das Neunfache in die Armut, an den Rand ihrer Existenz getrieben werden können! Das macht sprachlos.  Robert Habeck wörtlich: „Das ist ja eine politisch gewollte Erweiterung der Handlungsoptionen“. Welche Erweiterung der Handlungsoptionen haben die Bürger? 

Wenn man mit dem Finger auf die Vorgängerregierung zeigt, zeigen nicht nur drei Finger auf einen selbst zurück, sondern man verrät damit auch, wie verzweifelt man ist. Die Regierung lässt das Land sehenden Auges in die Katastrophe des deutschen Winters rasen. Und der kommende Winter hat das Zeug dazu, als deutscher Winter in die Geschichte einzugehen. Die  Regierung nähert sich dem Punkt, an dem sie nichts mehr richtig machen kann. Merkel mag Schuld sein, doch Habeck ist schuldiger. Da hilft dem armen Robert Habeck auch nicht, über die böse Frau Merkel zu schimpfen. Merkel ist Geschichte, Robert Habeck wird Geschichte sein. 

 

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Kommentare ( 76 )

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76 Comments
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giesemann
1 Jahr her

In Brüssel haben sie offenbar was gemerkt und die Nutzung der Kernenergie als „halal“ geadelt. Erdgas ist derzeit nicht so en vogue. Wenn die NL uns bitten, unsere AKW doch weiter laufen zu lassen, dann hat das schon was für sich: Schön, dass auch die anderen Europäer absaufen – so haben alle was davon. Nachdem ich keine Tränen mehr habe, bleibt mir nur noch homerisches Gelächter. . https://www.tichyseinblick.de/meinungen/habeck-energie-bundestag/ dito.

Fieselsteinchen
1 Jahr her

Habeck verachtet das Land und dessen Bevölkerung, seine Aussage war zutiefst ernst gemeint. Nicht umsonst gehen seine Kinder auf eine dänische Schule
Faktor Zufall hat ihn letzten Jahres in eines der höchsten und wichtigsten Ämter Deutschlands gespült, obwohl er keine Ahnung von der Materie hat. Nun sitzt er zwischen den Stühlen “Desinteresse” und “Verantwortung” und weiß nicht weiter, die grüne Basis mit heißem Atem im Nacken. Was ist da einfacher als auf die Vorgängerin verbal einzuschlagen. Denn Verantwortung zu übernehmen oder Fehler einzugestehen ist allen Grünen aufgrund fehlender Geistesgröße nicht möglich.

giesemann
1 Jahr her

In Brüssel haben sie offenbar was gemerkt und die Nutzung der Kernenergie als „halal“ geadelt. Erdgas ist derzeit nicht so en vogue. Wenn die NL uns bitten, unser AKW doch weiter laufen zu lassen, dann hat das schon was für sich: Schön, dass auch die anderen Europäer absaufen – so haben alle was davon. Nachdem ich keine Tränen mehr habe, bleibt mir nur noch homerisches Gelächter. Über das saudumme Gelichter. https://www.tichyseinblick.de/meinungen/habeck-energie-bundestag/
 

Andreas aus E.
1 Jahr her

Habeck war immer ein Wirrkopf, „Grüner“ eben. Aber neuerdings zeigt er sich ja gern mit Krawatte, ganz ähnlich übrigens wie seinerzeit Fischer, und jetzt in Amt. Das wird brenzlig.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Andreas aus E.

Ja. Auch hinsichtlich des Geldausgebens der Steuerzahler scheinen sie sich zu gleichen. Fischer wird zugeschrieben (im Nachhinein will er nicht damit in Verbindung gebracht werden): Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas (und der Welt) sind. Das wird immer wieder zu ‚Ungleichgewichten‘ führen. Dem kann aber gegengesteuert werden, indem so viel Geld wie nur möglich aus Deutschland herausgeleitet wird. Es ist vollkommen egal wofür, es kann auch radikal verschwendet werden – Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Schon ist die Welt gerettet.“ Tja. Und nur ein paar Jahre später haben es Grüne… Mehr

Gerro Medicus
1 Jahr her

Dieser Kinderbuchautor hat immer noch nicht den Unterschied zwischen installierter Leistung und verfügbarer Leistung begriffen. Selbst wenn wir heute 20000 Windräder mehr hätten, würde die verfügbare Leistung nur wenig höher sein als jetzt, denn der Wind weht nun mal nicht auf Knopfdruck und da wo man ihn bräuchte. Die Umweltschäden durch immer mehr Windräder wären gigantisch. In Bayern machen die Windräder kaum Sinn, weil wenig Wind. An der Nordseeküste hingegen muss man für die Windparks wertvolle Naturschutzflächen und Biotope opfern. Und dann noch einmal, um über Verteilerleitungen den dort erzeugten Strom dorthin zu verbringen, wo er gebraucht wird. Und selbst… Mehr

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Gerro Medicus

Ein blogger schrieb neulich darüber, dass Teile wie manpower fehlen, um die Windräder zu warten – und alleine deshalb zusätzlich mit Ausfall zu rechnen ist. Ähnlich soll es hinsichtlich bestehender Photovoltaikanlagen aussehen.
Ich hoffe, Habecks Bitte an Trudeau, die Siemens Gasturbine für die Pipeline aus dem Sanktionskatalog zu streichen und gewartet wieder an Ort und Stelle zu liefern, wird positiv beschieden.
Ansonsten würde ich nicht gerne in der Haut von Grünen stecken, die nassforsch, quasi ohne Rücksicht auf Verluste, seit Amtsantritt Richtung Dekarboniserung Deutschlands große Schritte vorwärts machen.

Waldorf
1 Jahr her

Dass gerade der grüne Habeck die Säulenheilige Merkel anpinkelt, wird Merz privat sicher amüsieren, ist aber der maximale Affront gegenüber der Union. Aber wie sagen alte weiße Männer so richtig: Undank ist der Welten Lohn Dass Grüne über die eh schon aberwitzige Energiewende mosern, ist einfach tolldreist. Alles was wir grad erleben, von Abhängigkeiten gegenüber Russland, über explodierende Energiekosten bis galoppierende Inflation ist unmittelbare Folge grüner, irrationaler, ideologischer Klimapolitik. Habeck wird keinen einzigen der Fehler seit 1998 korrigieren, sondern in jedes Feuer Benzin kippen, kübelweise. Wird ein heftiger Realitätscheck für Land und Leute und ob es 2023 noch eine Ampel… Mehr

Waehler 21
1 Jahr her
Antworten an  Waldorf

Ich glaube schon. Ein Gesundheitsminister arbeitet bereits an einer Impfung gegen Erfrierungen mit freundlicher Unterstützung eines Pharmaunternehmens.

IJ
1 Jahr her

Habeck betrachtet uns Deutsche als dumme Frösche, deren Wasser man langsam erhitzen muß, damit sie beim lebendig Gekochtwerden nicht herausspringen. Daher seine schwurbelige Schönschwätzerei und sein tagespolitisches Pirouettendrehen. Sein öko-faschistisches Endziel bleibt jedoch unbeirrt dasselbe: CO2-Reduktion durch Deindustrialisierung und Verarmung der Bevölkerung und schlussendlich dauerhafter Abstieg in die 3. Welt durch vollkommen ungehinderte Migration aus der 3. Welt. Der Mann hasst Europa und dessen Kultur und vor allem Deutschland und uns Deutsche – wie alle führenden Grüne.

Last edited 1 Jahr her by IJ
Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  IJ

Irgendwann kommt vielleicht raus, wie solche, die dem Volk kein Wohl gönnen, ins Amt kamen.
Hinsichtlich Berlin war TE ja schon erfolgreich.

eifelerjong
1 Jahr her

So „selbstzufrieden“ kann man nur sein, wenn man sich sicher ist, dass man auf Grund einer selbst zugebilligten Immunität jenseits einer zivil-wie strafrechtlichen Verantwotung agieren darf.

Heinrich Wolter
1 Jahr her

Unverschämtheit! Die heilige Angela anzugreifen! Hat er nicht zugehört? Wie oft hat sie gesagt, daß sie NICHTS falsch gemacht hat! Ist das nicht eine Delegitimierung des Staates? Er sollte sofort vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Heinrich Wolter

Sie hat alles richtig gemacht. Man hat ihr die Transformationsagenda vorgelegt – und sie ist beim Abarbeiten vollkommen fehlerfrei vorgegangen.
Das Ziel, das sie geheim hielten, ist halt Deindustrialiesierung und lag keineswegs darin, Werte für die Zukunft und die Zukunft von Kindern und Kindeskindern zu schaffen.

bani
1 Jahr her

Die Grünen sind ideologische Extremisten die den Wohlstand des Landes dauerhaft ruinieren.