Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 75: Netzgebühr

In der Regel sind wir Gebühren alternativlos ausgeliefert. Oft sind sie tendenziell steigend, was Unmut auslöst. Wenn Gebühren allerdings sinken, sollten wir allerdings auch gut aufpassen. Es kann sich als Bumerang erweisen.

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Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

N wie

Netzgebühr, die

So wie jede Facette der deutschen Energiewende periodisch hochploppt, ging der Begriff „Netzgebühr“ kürzlich wieder durch die Medien. Sachlich handelt es sich bei „Netzgebühr“ um dasselbe wie beim „Netzentgelt“, das im Teil 49 schon Thema war.

„Strom kostet weniger – Netzentgelte 2019 sinken“ oder ähnlich lauteten kürzlich frohe Botschaften in den Spalten einiger Gazetten und auf einigen Homepages wie hier. Offenbar hatte dpa, in Fortsetzung des qualitativen Gleitflugs nach unten, Informationen aufgeschnappt und nur die Hälfte verstanden und verarbeitet. Andere Medien übernahmen unkritisch. Werden wir im nächsten Jahr wirklich weniger für den Haushaltsstrom bezahlen?

Dem ist leider nicht so, weil nur ein Teil der Überschrift stimmt. Die Netzentgelte werden tatsächlich sinken. Die vier Übertragungsnetzbetreiber kündigten an, ihre Netzentgelte zwischen sechs und 23 Prozent zu mindern. Prima. Was ist die Ursache?

Hart aber Fair - Strom, Gas, Benzin immer teurer - Energiewende auf unsere Kosten? - 12.03.2012
Die Netzentgelte sinken, weil einige Netzausbauten wirken und die bisher enthaltene Umlage für den Anschluss der Offshore-Windenergie künftig heraus gerechnet wird. Dafür gibt es 2019 einen eigenen Rechnungsposten, der vermutlich „Offshore-Netzumlage“ heißen wird. Von dieser wird dann die stromintensive Industrie befreit sein, zusätzlich belastet werden Mittelständler, die kleinen Industrie- und Gewerbekunden und die Haushalte.

Echte Qualitätsjournalisten der Freien Presse Chemnitz haben das ihren Lesern erklärt und sogar am Beispiel gerechnet. Einer möglichen Entlastung der Beispielfamilie (4.000 Kilowattstunden pro Jahr) von zehn Euro im Jahr könnte eine Offshore-Umlage von 13,80 Euro – plus Mehrwertsteuer – entgegenstehen. Wer sich hingegen auf Quellen wie „Finanztreff“, „Stromauskunft“ oder die „Lausitzer Rundschau“ verließ, war halb und damit falsch informiert.

Hohle Luft
Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 70: Klimaziel
Dieses erneute Zeichen, dass der weitere Ausbau regenerativer Einspeiser die Strompreise hochtreibt, wird in politisch interessierten Kreisen standhaft verdrängt. „Vordenker“ wie Agora-Energiewende behaupten in einer Analyse zu den energie- und klimapolitischen Vorhaben der Regierung, dass „mehr Erneuerbare niedrige Stromkosten“ liefern würden. So in der Überschrift. Im Text rudert man sacht zurück und behauptet nur noch, es gäbe „kaum Auswirkungen“ auf die Strompreise. Es ist kein Ansatzpunkt zu erkennen, dass der bisherige Preisauftrieb durch Regenerative in der Tendenz stoppen oder sich sogar umkehren könnte. Länder mit hohem EE-Anteil wie Dänemark und Deutschland sind bei den Strompreisen führend und werden es bleiben. Dabei wird nicht mehr die EEG-Umlage der Kostentreiber sein, sondern Netz- und Stabilisierungskosten werden überproportional zulegen.

Zu erwarten ist wieder eine Empörungswelle, wenn die Großverbraucher von den Kosten der Offshore-Anbindungen befreit werden. Das Industriebashing wird auch von einigen Parteien in ihrer ökonomischen Ahnungslosigkeit ideologisch befeuert.
Nehmen wir als Beispiel das Stahlwerk von Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt, das einem globalen Unternehmen angehört. Das Werk muss konzernintern mit gleichartigen Betrieben in Indien, Brasilien, Rumänien und Algerien konkurrieren und hat ohnehin typisch deutsche Standortnachteile zu verkraften wie hohes Lohnniveau, hohe Umweltstandards, Kosten für CO2-Zertifikate und jede Menge Bürokratie. Die weitere Erhöhung von Strompreis oder Netzentgelt würde die Konkurrenzfähigkeit drücken, die Belastung mit der EEG-Umlage würde zum sofortigen „Aus“ führen. Derlei Gedanken machen sich rotgrüne Berliner Salonsozialisten in ihrer Filterblase natürlich nicht.

Rechnungsadresse: Wind

Die spinnen
Strom und höhere Preise
Bis 2020 sollen 6.500 Megawatt Offshore-Windenergie installiert sein, bis 2030 sogar 15.000 Megawatt. Es sind noch sehr viele Kabel zu kaufen, zu verlegen und anzuschließen, hinzu kommen die Kosten für die Weiterverteilung des Stroms an Land. Das dann anfallende schwankende Dargebot muss ausgeregelt werden. Die Folge sind Aufwand und Kosten. Zurzeit sind 54 Prozent des Haushaltsstrompreises auf Steuern und Abgaben zurückzuführen. Weitere 28 Prozent sind staatlich reguliert (Netzentgelte für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, Konzessionsabgabe) und nur 18 Prozent werden aufgewendet für Strombeschaffung und –vertrieb, also für den rudimentären Anteil, in dem noch Wettbewerb stattfindet.

Lassen wir uns die Bestandteile einer Stromrechnung noch einmal auf der Zunge zergehen:

EEG-Umlage, KWK-Umlage, Umlage §19 Stromnetzentgeltverordnung, Offshore-Haftungsumlage (siehe „Dunkelflaute“ Seite 22), Umlage abschaltbare Lasten, künftig die „Offshore-Netzumlage“, Konzessionsabgabe, Meßstellenbetrieb, Stromsteuer, Netzentgelte sowie Strombeschaffung und –vertrieb. Fast alle Versorger schlüsseln die Rechnungsbestandteile ordentlich auf. Dann wird sauber ein Strich gezogen und die Summe mit der Mehrwertsteuer 19 Prozent belastet. Schon diese Besteuerung für Zwangsumlagen und einer anderen Steuer – der Stromsteuer – zeigt den Fehler des Systems. Der Finanzminister hat kein natürliches Interesse an niedrigen Strompreisen – im Gegenteil.

Es wäre ein Zeichen staatlicher Verantwortung, würden der Netzausbau und die Offshore-Anbindung aus Steuermitteln finanziert und nicht emotionslos an die Verbraucher durchgereicht. Wenigstens hier gäbe es dann ein Interesse an einer Kostenkontrolle. Aber auch das würde regierungsamtliche Misswirtschaft wohl nicht bremsen, zieht man den jüngsten Bericht des Bundesrechnungshofs vom 28. September zur Koordination und Steuerung der Energiewende heran. Mehr Kontrollverlust ist selten.

Die EEG-Umlage für 2019 wird am 15. Oktober von den vier Übertragungsnetzbetreibern benannt werden, sie wird sich nur wenig ändern. Am selben Tag soll auch die Offshore-Umlage öffentlich werden. Da ist die Prognose schwieriger.

Absehbar ist, dass Energiewendeerfolgsjournalisten uns weiter mit gefakten Erfolgsmeldungen füttern werden, von vermeintlich sinkenden Strompreisen bis hin zu den Durchbrüchen bei der Elektromobilität. Dafür „gebührt“ ihnen Dank, auch mittels der alternativlosen Gebühreneinzugszentrale.


Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop

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Kommentare ( 12 )

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12 Comments
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notname
5 Jahre her

Liebe Leute, Herrn Henning kann mittlerweile schreiben, was er will. Die EEG-Umlage ist zum zweiten Mal in Folge gesunken und sie wird noch weiter sinken, denn nun beginnt erst eine große Anzahl von Altanlagen aus der Förderung zu fallen, ohne das neue Förder-Kostgänger hinzukämen. Bei den derzeitigen Strompreisen sind nämlich fast alle neuen Wind- und Solaranlagen fast „förderlos“. Dabei werden die preiswertesten Anlagen noch gar nicht installiert. Die kommen erst ab 2019 zum Zuge. Auch die Speicherung von Strom ist längst kein Problem mehr. Die vorhandenen Speicherkraftwerke lösen bereits ca. 1/3 des Problems und die fehlenden 2/3 müssen erst bis… Mehr

W aus der Diaspora
5 Jahre her

Ich bin dafür, dass die Kosten des „grünen Stroms“ von denen getragen wird, die Ökostrom wollen!

Iron Dome
5 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

W aus der Diaspora,
aber das wäre je Demokratie…

Dreiklang
5 Jahre her

Der Industriestandort Deutschland kann mit dieser Anti-Industrie-Politik, welche auch eine Politik gegen den Verbraucher ist, nicht überleben. Für Dänemark ist die Windenergie nur deshalb überhaupt machbar, weil das Land mit Offshore-Windstrom naturräumlich begünstigt ist UND weil es klein genug ist, dass die Nachbarländer die Grundlast puffern können. Für Deutschland ist das ausgeschlossen. Man wird aber das Scheitern, das bittere Ende in Deutschland abwarten müssen, da das Täuferreich zu Münster sich inzwischen in die Politik tief eingefressen hat. Nur Katastrophen können noch zu einem grundlegenden Wandel führen.

Meister Petz
5 Jahre her
Antworten an  Dreiklang

Dänemark hat aber kaum Offshore-Wind installiert, irgendwas um 1 GW nur (und 4 an Land). Und was die Strompreise angeht – selbes Bild wie in Deutschland: Denmark has average electricity costs (including costs for cleaner energy) in EU,but general taxes increase the price to the highest in Europe. (Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Electricity_sector_in_Denmark )

tgilde
5 Jahre her

Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.

Iron Dome
5 Jahre her

Eigentlich ist es doch so, daß je mehr Ein- und Durchblick man bei den Verteuerbaren Energien gewinnt, desto mehr regen sie einen auf.
Es ist wirklich ein staatlich verordnetes Trauerspiel, daß wir unsere Spitzenposition in der Kernenergie aufgeben mußten.
Und jetzt zerhäckseln sie auch noch unsere Automobilindustrie…
Deutschland schafft sich ab.

Stephan Stahl
5 Jahre her
Antworten an  Iron Dome

Das nenn frau (man) Modernisierung

BK
5 Jahre her

Das hat zwar nichts mit Netzendgelten zu tun, aber ich bin immer sehr irritiert, wie hoch die Anschlußkosten für ein Grundstück sind, wenn der letzte Meter Kabel oder Rohr verlegt wird. Das ist eigentlich die Investition des Versorgers, die er für einen neuen Kunden aufbringen sollte. Aber nein, auch hier steht die Welt auf dem Kopf. Erträglicher ist es bei den Spritpreisen an der Tankstelle zwar auch nicht, aber schließlich gibt es dort keine Grundgebühr für die Zapfsäule, die man für Wartung und Inbetriebnahme auf dem Tankbeleg erscheinen lassen könnte. Da muss sich der Pächter mit Centbeträgen begnügen.

Meister Petz
5 Jahre her

Ihr Artikel geht schon in die richtige Richtung, aber ganz trauen Sie sich dann doch nicht zu sagen, dass der Hauptstrompreistreiber nicht die – sicher auch nicht zu verachtenden – EE-Kosten sind, sondern die grenzenlose Gier des Fiskus. Sie verweisen auf Deutschland und Dänemark als EE-Länder mit hohen Strompreisen, zu Recht. Aber wenn man in den Vergleich noch das UK mitnimmt, wird es klar. Die haben einen vergleichbaren EE-Anteil und deutlich geringere Haushaltsstrompreise, weil der Staat einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz gewährt. Die haben sowieso einige Fehler nicht gemacht – allen voran, dass sie den Kohleausstieg dem Kernenergieausstieg vorgezogen haben. Jetzt haben… Mehr

Edu
5 Jahre her

Bis die HGÜ Leitungen gebaut sind, werden die Gerichte noch lange zu tun haben – Offshore macht im Norden wenig Sinn ohne Leitungsnetz. Der Provinzbahnhof hatte 30 Jahre gebraucht bis Baubeginn. Ob die Ermäßigung für Großbetriebe nach EU-Recht dauerhaften Bestand haben wird?
Wenn die Braunkohle knapp wird und die ersten Meiler runtergefahren werden , nutzt auch der subventionierte Strom nix mehr.

Herr Fuchs
5 Jahre her

Deutschland gibt es ja nicht wirklich, Konstrukt und so und was ich immer für mein Land gehalten habe ist doch eigentlich nur ein mit Menschen gefülltes Gebiet. Dann könnte ich als Mensch von geschlechtsneutralem Gebiet doch die günstigeren positiv geladenen Teilchen (Protonen) auch aus gebieten mit Namen kaufen… Polen zum Beispiel.
Oder ist das etwa rassistisch, islamophob oder neu rächtz?