Merkels Migrationsnationalismus

Angela Merkel kreiert im Amt nicht Win-Win-, sondern Lose-Lose-Situations. Deshalb muss man sie jetzt auch zweimal los werden, einmal reicht nicht. Win. Win.

Ein Wunder geschieht: Angela Merkel wird schon vermisst, obwohl sie noch gar nicht weg ist. Die Hofpresse kriegt sich nicht mehr ein angesichts der unglaublich souveränen rhetorischen Wucht ihrer jüngsten Bundestagsrede. Das Finale im Amt treibt sie zu unerhört goldenen Worten. Etwa diesen:

„Entweder man gehört zu denen, die glauben, sie können alles alleine lösen und müssen nur an sich denken. Das ist Nationalismus in reinster Form. Das ist kein Patriotismus. Denn Patriotismus ist, wenn man im deutschen Interesse auch andere mit einbezieht und Win-Win-Situationen akzeptiert.“

I.

Frohgemut stimmen wir zu. Doch Moment! Von wem spricht die deutsche Kanzlerin? Wer denkt, er könne das Weltklima ganz allein retten, indem er die eigenen Atomkraftwerke abschaltet? Wer hat ohne Rücksicht auf die europäischen Nachbarn und Partner die Grenzen geöffnet? Merkel selbst demonstriert einen Nationalismus, der vieles verrät, bloß keinen Patriotismus.

Seit Trump sich für den erfolgreichsten amerikanischen Präsidenten der Geschichte hält, sind Selbstbeweihräucherungslügen State of the Art. Früher hätte man Merkels Erguss einen Haltet-den-Dieb-Satz genannt. Einen dummdreisten Ablenkungsversuch vom eigenen Versagen. Angela Merkel kreiert im Amt nicht Win-Win-, sondern Lose-Lose-Situations. Deshalb muss man sie jetzt auch zweimal los werden, einmal reicht nicht. Win. Win.

II.

Jahrzehntelang wäre ein Einwanderungsgesetz notwendig gewesen. (Siehe z.B. Roland Tichys Plädoyer: „Ausländer rein!“ 1990). Auch Angela Merkel hat es verhindert. Erst seit sie selbst Flüchtlinge, Armuts- und Arbeitsmigranten in einen Topf wirft, plädiert sie für ein Einwanderungsgesetz, das zwei Fliegen mit einem Schlag trifft. Erstens soll es ihre immerwährende Adventsfeier (Macht hoch die Tür, das Tor macht weit) legitimieren und zweitens zugleich den Fachkräftemangel beseitigen. Für den Gegenwind hat sie selbst gesorgt. Es ist dasselbe Misstrauen, das dem Einwanderungsgesetz wie auch dem UN-Flüchtlingspakt entgegenschlägt. Man traut beiden nicht über den Weg, obwohl manches für sie spricht. Dafür gibt es ca. zehn Gründe. Grund 1 bis 10: Merkels real existierende Migrationspolitik. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

III.

Die Ausrede der angeblichen Unverbindlichkeit des Migrationspakts widerlegt sich selbst. Was hier unverbindlich ist, kann nicht anderswo zwingende Notwendigkeit sein.

IV.

Das Einwanderungsgesetz wirbt nicht bloß Fachleute an, sondern so gut wie jedermann. Kommt erst mal, dann schaun wir schon! Und eine antieuropäische Frechheit ist es, Bürger der EU bei der Arbeitssuche in Deutschland nicht mehr zu bevorzugen.

V.

Der systemische Schwachsinn der Politik in Deutschland ist nirgends klarer zu erkennen als im Diesel-Desaster. Deutsch sein heißt bekanntlich, eine Sache um ihrer selbst willen zu übertreiben. Deshalb wurden Messstellen so platziert, dass größtmöglicher Schaden herauskommen musste – für die Umwelt wie fürs Automobil. In anderen EU-Ländern gelten die selben (durchaus fragwürdigen) Grenzwerte, aber kaum irgendwo werden sie erreicht. Statt daraus die einzig mögliche Konsequenz zu ziehen, schlägt der CSU-Minister, dessen Namen zu nennen in diesem Zusammenhang eine Verbalinjurie wäre, den Einsatz modernster polizeilicher Verfolgungsinstrumente vor. Und die doch neuerdings so eloquente Kanzlerin lässt das alles zu. Ist ihr schnuppe. Deutsch sein in der Politik: Dümmer gehts nimmer, das aber aus Prinzip. In Frankreich wären die Bürger angesichts solcher Zustände längst auf der Straße. Hier schließt sich der Kreis zu Merkels goldenen Worten. Öko- und Migrationsnationalismus sind das Gegenteil von Patriotismus. Lose-lose statt win-win.


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Kommentare ( 100 )

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MG42
5 Jahre her

Einfach treffend, leider gibts zuviele Deppen in Schland, die verstehen nix!

anke
5 Jahre her

Wunderbar! Danke!

giesemann
5 Jahre her

MiNalismus, herrlich, Herr Herles. Die Anderen ringsum merken was, erkennen die Absicht und sind verstimmt mit Wilhelm Busch.

elke B
5 Jahre her

Lieber Herr Herles, ich sah immer in tv schon als aufrechten angenehmen und durchaus kritischen Journalisten und freu mich wirklich ganz arg das ihre Person Lehre gut schreibe und ihr f ür mich klares Wort und Weltbild hier beinTE weitererleben darf. Wenn Sie mal „Ausflüge“ in div. Talkrunden machen, sind es für mich wahre Höhepunkte was sie sich getrauen an ehrlicher Meinung vorzutragen chapeau!

Wolfgang Schuckmann
5 Jahre her

Egal wie die Potentaten auch alle heißen, die nicht von der Macht lassen können aus Angst man könne ihnen dahinter kommen und das schöne Geschichtsbild sei weg. Gottes Mühlen mahlen langsam, aber fein, hat man früher mal konstatiert. Allein sie werden sich der Verantwortung entziehen. Es braucht Geduld um abwarten zu können, bis es so weit ist, doch was ändert das an den Lebenswahrheiten für die betroffenen Menschen diese sLandes, die sich gegen diese ständige Vergewaltigung nicht wehren können? Es wird auch in diesem Fall, wie immer in der Geschichte dieses Landes, eine schräge Lösung, da bin ich mir ganz… Mehr

The Angry Ossel
5 Jahre her

** Von welchem Fachkräftemangel wird unter II fantasiert, der durch ein Einwanderungsgesetz gemildert werden soll? Die EU hat ca. 500 Millionen Bürger, viele davon in Ländern mit wirtschaftlichen Schieflagen. Diese dürfen auch schon seit vielen vielen Jahren ohne Einwanderungsgesetz nach Schland kommen. Warum also Herr Herles reicht ein Fachkräftereservoir eines 500 Millionen starken Siedlungsgebietes nicht aus?

Michael Scholz
5 Jahre her
Antworten an  The Angry Ossel

Eine sehr richtige Frage an Herrn Herles. Zumal die südeuropäischen Länder eine gewaltige Jugendarbeitslosigkeit haben.

giesemann
5 Jahre her

Im Klartext: Toyota produziert keine Dieselkisten, oder doch?

Ali
5 Jahre her

Alles sehr treffend Herr Herles, Hut ab. Schon allein die Überschrift trifft den Nagel mit voller Wucht auf den kranken Kopf!

mathilda
5 Jahre her

Sie hat es mit ihrer Einladung an alle Welt komplett verbockt und jetzt sollen andere für sie mittels „Patriotismus ist, wenn man im deutschen Interesse auch andere mit einbezieht.“ die Kastanien aus dem Feuer holen.
Und wird dafür – peinlich – auch noch bejubelt.
Die „anderen“ – wer auch immer – sagen uns deutlich, was sie davon halten: „The crisis is not a European problem, it is a German problem.“

elly
5 Jahre her
Antworten an  mathilda

Merkel hört doch nicht auf mit ihrer Einladung in die gesamte Welt: „MIGRATION
„Deutschland hat die Ausgestaltung der beiden Pakte aktiv mitgestaltet“ https://www.welt.de/politik/deutschland/article184423390/Migration-Deutschland-hat-die-Ausgestaltung-der-beiden-Pakte-aktiv-mitgestaltet.html beide Pakte sind eine einzige Einladung an den wohl gedeckten Tisch zu kommen, diesmal halt mit Rechtsanspruch auf alles.

Alf
5 Jahre her

„Angela Merkel wird schon vermisst, obwohl sie noch gar nicht weg ist.“???? Ich vermisse diese Frau nicht. Merkel „Nationalstaaten sollten heute bereit sein, Souveränität abzugeben“.
Merkel sollte endlich abtreten, von allen Ämtern. Diese Frau hat den Nationalstaaten keine Vorgaben zu machen. Wer ist schon Merkel, daß sie den Nationalstaaten Vorgaben machen will. Und Deutschland kann auch ohne Merkel. Wer sagt es Doro? Es interessiert niemand. Isch over now. Und den Migrationspakt wird sie nicht unterschreiben.