Meloni fordert Antworten von Scholz bei den NGO-Schiffen

Meloni stellt den Kanzler zur Rede, was es mit der deutschen Finanzierung von NGO-Schiffen auf sich hat. Das Zerwürfnis treibt sie in die Arme Macrons. Und mit Brüssel droht Ärger, weil Rom seine 5.000-Euro-Kaution gegen illegale Migranten durchsetzen will. Folgt jetzt der Alleingang?

IMAGO / Christian Spicker
Nachdem Verteidigungsminister Guido Crosetto sich bereits zu Wort gemeldet hatte, schlägt die Chefin nun selbst auf den Tisch. Giorgia Meloni sieht sich von Berlin getäuscht, angesichts der Unterstützung für jene „Seenotretter“, die Italien seit Monaten an die Leine legen will. An Scholz schreibt sie:

„Ich habe mit Erstaunen erfahren, dass deine Regierung – in unkoordinierter Weise mit der italienischen Regierung – beschlossen hätte, Nichtregierungsorganisationen, die sich mit der Aufnahme irregulärer Migranten auf italienischem Territorium und mit Rettungsaktionen im Mittelmeer befassen, mit erheblichen Mitteln zu unterstützen. Beide Möglichkeiten werfen Fragen auf. Denn die Finanzierung von NGO-Schiffen hat eine direkte Auswirkung auf die Vervielfachung der Abfahrten und erhöht das Risiko erneuter Tragödien auf hoher See.“

Aus Berlin sei bisher nur eine Eingangsbestätigung eingegangen, aber keine Antwort. Infrastrukturminister Matteo Salvini wird deutlicher. Es handele sich um eine „Schande“, um einen „feindlichen Akt“, wenn ein Land die Einwanderung illegaler Migranten in ein anderes finanziere. In der italienischen Presselandschaft kommuniziert man bereits sehr deutlich, dass hinter dem Projekt die Grünen steckten, die das Außenministerium besetzten und deren Exponentin die „sentimental-religiöse Katrin Göring-Eckardt“ (Il Giornale) sei.

Der Vorfall dürfte nicht nur die deutsch-italienischen Beziehungen einer Belastungsprobe unterziehen. Nachdem noch vor einem halben Monat der italienische Finanzminister Giancarlo Giorgetti mit seinem Amtskollegen Christian Lindner auf Tuchfühlung ging, und eine Rochade im Bereich der europäischen Banken vorschlug, um den dortigen französischen Einfluss zu begrenzen, so dreht sich nun der Wind. Denn während Deutschland sich in der Migrationskrise desavouiert hat, hat ausgerechnet Frankreich, das lange als Gegner in der Mittelmeerpolitik galt, seine Hand ausgestreckt. Staatspräsident Emmanuel Macron hatte beim Vorstoß Melonis, eine Seeblockade verhängen zu wollen, zügig reagiert und gesagt, Paris würde eine solche Aktion begrüßen.

Für Scholz gibt es demnach einen bösen Brief aus Rom – mit Macron trifft sich Meloni stattdessen heute, um das weitere Vorgehen in der Migrationskrise zu besprechen. Um zu verstehen, wie tief Berlin gefallen ist, muss man die plötzliche Harmonie zwischen Franzosen und Italienern betonen. Macron, der sonst ein ambivalentes Verhältnis zu Meloni pflegt, lobte, dass mit ihr Italien endlich Verantwortung übernehme und sicherte Hilfe in den afrikanischen Herkunftsländern zu. Der italienische Außenminister Antonio Tajani hat den Flirt freundlich beantwortet.

Weiterhin signalisiert Macron Hilfe auf europäischer Ebene. Der französische Vorschlag lautet: italienische und französische Beamten sollen bereits in Tunesien gegen die Menschenhändler vorgehen, ähnlich, wie britische Beamte in Calais eingesetzt würden. Ironie der Geschichte: früher stritten die beiden Länder wegen ihrer sich überschneidenden kolonialen Interessen, jetzt sind sie de facto daran interessiert, gemeinsam koloniale Interessenpolitik in Tunesien zu betreiben.

Macron könnte die Migrationskrise nutzen, die angespannte Situation daheim mit europäischen Triumphen übertünchen zu können. Meloni dagegen sitzt deutlich fester im Sattel – trotz Lampedusa-Krise hat sie Rückenwind. Ein Jahr nach der Parlamentswahl liegt das rechte Lager in den Umfragen deutlich in Führung. Melonis Fratelli d’Italia würden sogar zwei Prozentpunkte besser abschneiden als vor einem Jahr (von 26 auf 28 Prozent). Auch Salvinis Lega wäre nach dem schlechten Abschneiden bei der Parlamentswahl anderthalb Prozentpunkte stärker und wäre wieder im zweistelligen Bereich (von 8,8 auf 10,1 Prozent). Einzig die Forza Italia als kleinster Koalitionspartner hat angesichts des Todes ihres Erzvaters Silvio Berlusconi seitdem leicht verloren. Die Linken stagnieren dagegen. Ihnen trauen die Italiener nach anderthalb Jahrzehnten nicht zu, dass sie das Land besser führen könnten.

Eine Mehrzahl der Italiener unterstützt zudem einen härteren Kurs in der Migrationskrise. Die Mitte-Rechts-Regierung wird also weiterhin nicht als Verursacherin, sondern als Problemlöserin gesehen. Weiterhin sehen die Italiener das Ausland – außereuropäisch wie innereuropäisch – als Grund dafür, dass Rom nicht so handeln kann, wie es gerne würde.

Wie viel an diesem Narrativ dran ist, bleibt zweitrangig – denn die Signale sind eindeutig. Ob beim EU-Deal mit Tunesien, bei dem die Zahlungen aus Brüssel ausbleiben; die Unterstützung von NGOs aus Berlin; oder nunmehr der Rüffel aus der EU, weil Meloni einen neuen Vorstoß gewagt hat. Die Premierministerin will eine Kaution von rund 5.000 Euro gegen abgelehnte Asylbewerber durchsetzen. Die Kosten sollen Unterhalt und Rückführung decken, aber vor allem abschreckende Wirkung haben. Sie soll dabei alle Migranten treffen, die Grenzkontrollen umgehen.

Kaum ist das Dekret verabschiedet, hat die EU-Kommission ihren Unwillen über diese Neuerung bekundet. Zwar kann Brüssel nichts gegen die Kaution als solche unternehmen, verlangt jedoch eine „Proportionalität“, heißt: eine Einzelfallregelung. Die Höhe der Kaution müsste von Fall zu Fall bewertet werden. In der aufgeheizten Lage wird diese Differenzierung in Italien als neuerliche Einmischung gesehen. Dass Brüssel maßregelt, statt zu helfen, wird mit Missgunst registriert.

Innenminister Matteo Piantedosi hat indes angekündigt, dass er nicht vorhat, etwas an der 5.000-Euro-Kaution zu ändern: „Meiner Meinung nach scheint dies ein marginales Problem im Vergleich zu dem Ziel zu sein, das historische Problem zu lösen, dass die Menschen auf unserem Territorium jahrelang in der Schwebe gehalten werden, was eine ernsthafte Belastung für den Staatshaushalt darstellt.“

Nachdem Rom die letzten beiden Wochen abwartend reagiert hatte, ob sich in den europäischen Machtzentralen nicht doch noch etwas in Richtung Vernunft bewegen lässt, schaltet die Regierung nun langsam, aber bestimmt in Eigenregie um. Man will sich nicht nachsagen lassen, zuvor nicht alle europäischen Mechanismen eingesetzt zu haben. Sollte es am Ende doch wieder zu einer Politik kommen, die der vielkritisierten Strategie der „geschlossenen Häfen“ ähnelt, so wird Rom darauf verweisen, dass alle anderen vermeintlichen europäischen Wege bereits ausgetestet wurden – und die EU versagt hat.

Sollte statt des Alleingangs nunmehr eine französisch-italienische Kooperation folgen, wäre das im Übrigen nicht nur für Brüssel problematisch. Es gehört schon viel diplomatisches Missgeschick vonseiten der Bundesregierung dazu, die einstigen Rivalen plötzlich zusammenzuschmieden. Auch hier hat die Ampel ganze Arbeit geleistet.

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Kommentare ( 70 )

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Martin Buhr
7 Monate her

Die diplomatische Brillanz einer Baerbock , dieses Feingefuehl , welches stets durch ihre intellektuelle Wucht feministisch hindurchzuschimmern vermag , gepaart mit der Glaubwuerdigkeit eines Kanzlers , wie ihn Deutschland seit Merkel nicht mehr hatte und einer Innenministerin , die vehement alles zutiefst verachtet , was nicht sie selbst ist , werden die Probleme der Welt schon doppelwummsen . Die einzige , die das anders sieht , ist … die Welt ; aber was soll die allein schon ausrichten gegen das genannte Triumphirat ! Es geht um ein hoeheres , hehres Ziel , naemlich die Verteidigung der neuen deutschen Migrationsbeschleunigungs –… Mehr

Th.F.Brommelcamp
7 Monate her

Legt Macron eine Gemeinsamkeit der italienischen und französischen Beamten in Tunesien nur vor, um das Vorhaben Melonis zu sabotieren und auf das Gleis Grüsse zu schieben? Es geht um viel Geld bei 3-7000€ pro Person für das Schleusen. Hinzu kommt der Niedriglohnsektor. Vor allem in Deutschland.

AnSi
7 Monate her

Liebe Italiener, das dürft ihr nicht so streng sehen! Unser Senilus Scholz und seine Damenriege in Außen und Innen, sowie die Angehörigen einiger Grüneninnen müssen doch die große Transformation schaffen! Sie müssen doch dafür unsere Nation vernichten und das Land irgendwie in Armut stürzen! Mit der Ruinierung der Wirtschaft allein ist das nicht zu schaffen. Also hofft man auf Hilfe aus fernen Ländern und lädt alle ein, uns bei der Vernichtung zu helfen. Sicher hat der Olaf das mit der Finanzierung der NGOs schon wieder vergessen. Mit Geld hat er es ja nicht so. Also nehmt es unserer reGIERung nicht… Mehr

RauerMan
7 Monate her

Meloni ist im Recht, NGOs zu unterstützen, regt die Schlepper zu immer neuen evtl.tödlichen "Rettungseinsätzen" auf. Z.B. die kirchlichen NGOs locken mit ihren Rettungsversprechen zu evtl.tödlchen Überfahrten übers Mittelmeer auf. Daß die Ankommenden,obwohl zumeist ohne Asylrecht, nicht abgschoben werden können, dieses Signal geben die Kirchen gleich insgeheim mit. Und D ist auch im Recht, obwohl unser Land über die von Italien Durchgewunkenen keinen Widerstand zu leisten in der Lage ist. Der Widerstand der Bevölkerungen mindestens dieser beiden Länder wächst, prominent vertreten durch öffentlich rechtliche Kommunen,welche mit den Zuströmen nicht mehr fertig werden. Gut, daß es wenigstens eine Partei gibt, welche… Mehr

Paul Brusselmans
7 Monate her

Also ich halte Cum Ex für eine hervorragende Finanzierungsmöglichkeit, etwa hierfür: https://www.welt.de/politik/deutschland/article247685210/Entwicklungshilfe-Olaf-Scholz-will-Energiewende-weltweit-foerdern.html
Allerdings muss unsere Industrie noch in der Lage sein, die Widende zu erwirtschaften.
Die schaffen uns! Da bin ich ganz zuversichtlich, Noch ein paar Jahre und jeder illegale Migrant macht einen grossen Bogen, weil hier nichts mehr zu holen sein wird.

Bad Sponzer
7 Monate her

Sehr gu! Ich hoffe, es kommt zu einer neuen Allianz des Auslands GEGEN dieses woke Grüne Deutschland. Der Rest der Welt muss sich wieder verbünden um dieses irre gewordene Deutschland, das in seinem neuen faschistoiden Größenwahnsinn glaubt, die Welt retten zu müssen, endgültig zu entmachten. Nach der nächsten Niederlage und einem „Volksverbrecherprozess“ ähnlich dem Nürnberger Prozess, muss diesem Deutschland der Grüne Extremismus, der wiedermal die Sicherheit der Welt gefärdet, endgültig ausgetrieben werden und die verantwortliochen Politker und deren Helfer vor Gericht gestellt und abgeurteilt werden. Vorher sollte aber wieder die Todesstrafe auf Landes- und Hochverrat eingeführt werden.

Homer J. Simpson
7 Monate her

Was soll Scholz denn sagen? Das er ideologischem wie fehlgeleiteter Ideoligie verfallen ist oder das er eine Agenda zur Beseitigung Deutschlands, des Deutschsein und des Umbaus Europas nach der Blaupause vom Great Reset verfolgt? Ist doch alles nur Show! Europa weiß Bescheid, Meloni auch! Von Ursula „von der Mininig“ bis runter zum Provinz-Bürgermeister sind alle auf Kurs und verfolgen diesen Plan. Was soll Scholz also sagen? Besser er simuliert wieder Erinnerungslücken, das kann er zumindest …..

mth
7 Monate her

Scholz kann sich bestimmt nicht mehr erinnern, dass wir dafür zahlen.

G
7 Monate her

Wenn wir dann die Länder, in die wir ausgewandert sind, aufgebaut haben, kommen die sicher nach. Denn wenn wir weg sind wird Deutschland zu dem shithole, aus dem sie gekonmen sind. Man sieht diese Entwicklung ja jetzt schon.

Bernhard H.
7 Monate her

Nein. Wir haben keine zwei Möglichkeiten. Dieses Land ist unsere Heimat. Generationen unserer Vorfahren sind hier begraben. Dieses Land ist unser Ursprung. Eine zweite Heimat haben wir nicht.

Last edited 7 Monate her by Bernhard H.