Die geplante Reform des Abstammungsrechts folgt einer politischen Programmatik weg von der natürlichen Familie hin zu einer vertraglich begründeten Elternschaft. Doch wenn Verträge die natürlichen Beziehungen ersetzen, gewinnt am Ende nur einer: der Staat.
Das menschliche Leben ist ein komplexes Beziehungsnetz, an dem viele gleichzeitig knüpfen. Dorther rührt seine Stärke, manchmal seine Fragilität, vor allem aber seine Einzigartigkeit. So war das Leben immer, so wird es immer sein: komplex, leidvoll und wunderschön. Das ist menschliche Freiheit. Der Staat kann diese Freiheit der Beziehungen zunächst einmal nur anerkennen, denn sie liegen ihm voraus. Daher ist die natürliche Familie als ursprünglichste Einheit der Gesellschaft und Grundlage des Gemeinwesens in völkerrechtlichen Verträgen geschützt. „Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat“, heißt es etwa in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Die Freiheit, zu heiraten und eine Familie zu gründen beruht auf der biologischen Tatsache, dass Kinder durch die Verschmelzung einer männlichen Samen- und einer weiblichen Eizelle entstehen. Manche Beziehungen gehen in die Brüche, durch freie Entscheidung oder Wechselfälle des Lebens. Das Gemeinwesen sorgt dann dafür, dass Witwen, Waisen und Verlassene in ein Solidaritätsnetz fallen, das zwar nicht die Wunden heilt, aber das körperliche Überleben sichert.
Das ist die Realität, die auch das geltende Abstammungsrecht in Deutschland abbildet: Rechtliche Eltern eines Kindes sind seine biologischen Eltern. Die Mutter eines Kindes ist immer die Frau, die es geboren hat. Der Ehemann der Mutter ist automatisch der rechtliche Vater, in der Annahme, dass er auch der leibliche ist. Existiert kein Ehemann, ist der Vater der Mann, der die „Vaterschaft“ anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde. Lange Zeit lautete die einzige Ausnahme von der biologisch begründeten Elternschaft Adoption. In diesem Fall ändert der Staat die rechtliche Zuordnung von Kindern zu anderen als seinen leiblichen Eltern aus einem einzigen Grund: dem Kindeswohl.
Das würde sich mit den Regelungen, die die Ampelkoalition durch die Reform des Abstammungs- und Kindschaftsrechts anstrebt, deutlich ändern. „Die Gesellschaft hat sich verändert, das Recht hingegen nicht. Daher ist es gut, das Recht endlich den gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen“, begrüßte Bundesfamilienministerin Lisa Paus im Januar das Eckpunktepapier aus dem Justizministerium.
Reaktion auf veränderte Verhältnisse oder politischer Wille zur programmatischen Umgestaltung menschlicher Beziehungen? Manche Anpassungen im Sorgerecht mögen notwendig sein, denn Scheidungskinder und Patchworkfamilien existieren nun einmal. Aber selbst dort gehört sorgfältig unterschieden, was das Recht sinnvoll regeln kann – etwa, wer bei einer medizinischen Entscheidung mitreden darf – und wo das Recht eben nicht das richtige Mittel ist, Beziehungen zu gestalten – zum Beispiel, wenn es darum geht, wer am Abendbrottisch welches Kind ins Bett schicken darf.
Das soll sich nun ändern: Laut der geplanten Reform soll die Partnerin einer Frau, die das Kind geboren hat, auch ohne Adoptionsverfahren Mutter des Kindes werden können – analog zur Regelung bei heterosexuellen Ehen. Während die geltende Regelung im Falle eines männlichen Partners aber auf der vermuteten biologischen Abstammung beruht, liegt der Grund für die Zuordnung einer zweiten Mutter als weiteres Elternteil allein im Willen zur Elternschaft.
Ein Paradigmenwechsel, der durch die geplante Elternschaftsvereinbarung noch deutlicher wird: Hier soll vor der Zeugung eines Kindes vereinbart werden können, wer neben der Geburtsmutter zweiter Elternteil des Kindes wird. Das Eckpunktepapier verweist als möglichen Anwendungsfall auf die private Samenspende sowie auf den Fall eines schwulen und eines lesbischen Paars, die die Zeugung eines Kindes vereinbaren mit dem Ziel, es gemeinsam im Wechselmodell aufzuziehen.
„Für alle diese Wege zum Glück und für alle diese familienrechtlichen Situationen muss das Recht zeitgemäße Antworten liefern“, erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann im Januar. Jedoch, muss es das wirklich? Felix Böllmann, Leiter der europäischen Rechtsabteilung bei ADF (Alliance Defending Freedom) International, sieht hinter diesen Entwicklungen eine Verschiebung der Wertehierarchie am Werk, die sich auch juristisch niederschlägt: „Der Höchstwert unserer Verfassungsordnung hat sich verschoben vom menschlichen Leben und seiner Unverfügbarkeit hin zu der autonomen Gestaltung der persönlichen Lebensverhältnisse. Das sieht man zum Beispiel an den jüngeren Entscheidungen des Verfassungsgerichts, wie etwa im Fall der Sterbehilfe.“
Dass dann auch zwischenmenschliche Beziehungen vertraglich gestaltet werden, ist die direkte Folge: „Mit der Elternschaftsvereinbarung wird ein Vertragsmodell auf das angewandt, was einmal Familie hieß – eigentlich eine radikale Verkürzung der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen“, so der Jurist. Bereits die Uminterpretation der Ehe hin zur Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare sei der erste Schritt gewesen.
Durch die vertragliche Eltern-Kind-Zuordnung eröffne sich die Möglichkeit einer Fülle neuer Beziehungskonstellationen, die alle wieder irgendwie geregelt werden wollten. „Das beschäftigt die Behörden, die Jugendämter, die Standesämter, die Gerichte – und der Staat wird immer wichtiger.
Dort wo die liberale Gesellschaft dem Individuum über Jahrhunderte seine Rechte und Freiheiten gegenüber dem Staat erkämpft hat, drängt sich der Staat nun wieder in das Privatleben der Menschen. Die Botschaft: Freiheit gibt es nicht ohne den Staat, der sie garantiert, umsetzt und reguliert. Das stellt das völkerrechtliche Verständnis von Familie als natürliche Grundeinheit der Gesellschaft in Frage“, erläutert Böllmann.
All das hat Implikationen für die betroffenen Kinder. Zwar anerkennen die Eckpunkte zum Abstammungsrecht das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, doch das in der UN-Kinderrechtskonvention geregelte Recht, soweit möglich auch von seinen leiblichen Eltern betreut zu werden, findet keine Erwähnung mehr. Dass die Bedürfnisse von Kindern allenfalls als Deckmantel gelten, wird an keiner Bestimmung deutlicher als an der Möglichkeit für den nicht-biologischen Elternteil, sich durch eine einfache Prüfung beim Standesamt von der Elternschaft zu lösen.
„Die Eckpunkte betonen an vielen Stellen die Wichtigkeit, dass das Kind bei Geburt unmittelbar zwei rechtliche Elternteile erhält. Dazu steht es in einem Widerspruch, wenn rechtliche Eltern sich möglichst unbürokratisch von der rechtlichen Elternschaft lösen können sollen“, deckt der Familienbund der Katholiken in einer Stellungnahme auf, wie flexibel sich das Eckpunktepapier auf das Kindeswohl beruft – oder eben nicht.
Doch damit nicht genug: „Es darf nicht verkannt werden, dass ein Recht, das den Grundsatz der Eltern-Kind-Zuordnung nach der biologischen Herkunft einschränkt und den Wunsch zur Elternschaft oder die vertragliche Vereinbarung als gleichberechtigte Zuordnungsprinzipien anerkennt, einen Systemwechsel hin zu einer grundsätzlichen Offenheit gegenüber der modernen Fortpflanzungsmedizin vornimmt“, urteilt der Familienbund der Katholiken weiter. Die Elternschaftsvereinbarung ließe sich so künftig etwa auch für die Leihmutterschaft nutzen.
Deren Verbot hält die Expertenkommission der Bundesregierung zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin für „verfassungsrechtlich nicht geboten“, denn Leihmutterschaft und Eizellspende verletzten nicht notwendig die Menschenwürde des Kindes. Betroffene sind anderer Ansicht. „Aus Perspektive des Kindes kann Leihmutterschaft niemals ,altruistisch‘ sein, weil es nicht dem Wohl des Kindes dient, nach der Geburt von der Geburtsmutter getrennt zu werden“, erklärt der Verein „Spenderkinder e.V.“ auf Anfrage dieser Zeitung.
Die Richtschnur für Ausnahmen von der biologisch begründeten Elternschaft war einmal das Kindeswohl. Die Pläne zur Änderung des Abstammungsrechts antworten hingegen auf die Bedürfnisse von Erwachsenen mit Kinderwunsch. Bis zur tatsächlichen Legalisierung von Embryonen- und Eizellspende und der Leihmutterschaft ist es dann nur noch ein letzter Schritt, den eine Änderung des Abstammungsrechts im Namen der Gleichheit logisch nach sich zieht.
Dieser Beitrag von Franziska Harter erschien zuerst bei Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autorin und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.
Mehr zum Thema:
Birgit Kelle, Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft. FBV, Klappenbroschur, 256 Seiten, 18,00 €.
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Kombiniere das Konzept „Elternrecht“ mit „Kinderrechten“, über die nach grünem Willen ebenfalls der Staat wachen soll, dann öffnet das einen Weg dahin, daß der Staat am Ende bestimmt, wer Kinder aufziehen darf und wr nicht.
Keine Kinder in „rechten“ Haushalten könnte dann die nächste Forderung sein – weil Kinder zu „Demokraten“ erzogen werden müssen.
Zwangsadoptionen als Waffe gegen Oppositionelle kennen wir aus dem 3.Reich, der UdSSR unter Stalin sowie diversen Diktaturen in Südamerika.
Demnächst vielleicht im grünen Reich?
Ich schlage vor, die Bundesfamilienministerin beruft eine Islamkonferenz und diskutiert das mit den wichtigsten Imamen Deutschlands. ARD und ZDF berichten live. Das wird bestimmt füt alle drei Seiten eine interessante Erfahrung…
Interessante Weiterüberlegung: wenn nun der Sohn („das Kind“) mit der Ehefrau/Partnerin der leiblichen Mutter (welche durch bloße Willensbekundung Elternteil geworden ist) später ein Verhältnis eingeht, ist das dann Inzest oder nicht?
Oder andersherum gesagt: Inzest basiert auf biologische Verwandschaft. Analog zur Überlegung der Abschaffung der biologischen Elternschaft müsste dieser Begriff logischerweise auch neu definiert werden.
Pandoras Büchse ist geöffnet.
Genau das und nichts anderes wollten 80% der Chefs dieses Landes. Das Volk (Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland: Alle Macht geht vom Volke aus.) hat mit großer Mehrheit und wie ich mich erinnere mit großer Begeisterung, exakt diese Entwicklung bestellt. Das blöde ist: Die 80% super-klugen haben es für uns 20% super-dummen Nazis (ich habe 2 jüdische Freunde, keine Angst: ich weiß natürlich, dass man heute Nazi ist, wenn man kein (!) Antisemit ist und ich hatte afrikanische Patenkinder) einfach mitbestellt. Wir liebe halt unsrer Kinder und möchten, dass sie in einem freien Land aufwachsen. Und dann das. Shame on you,… Mehr
Die Biologie und die von normalen Bürgern gewünschten und gelebten Konstellationen werden systematisch demoliert („dekonstruiert“), das Unnormale (in meiner Begriffswelt: das Abnorm-Dekadente) wird zur Normalität erhoben. Dass der Staat Normalität im Sinne der Normalen definieren und steuern könnte, fällt ihm schon gar nicht mehr ein.
Das Leben in diesem Staat, den ich in jungen Jahren als Paradies empfand, fühlt sich mittlerweile krank an, und das nicht nur auf dem im Beitrag aufgegriffenen Gebiet – und die Normalen werden zu Kranken erklärt. Was läuft in den Hirnen meiner Mit-Staatsbürger schief? Grenzenlose „Liberalität“ führt ins Chaos, in die Beliebigkeit, in den Untergang.
Das ist ja erstaunlich. Eltern können sich dann von ihrer Elternschaft bzw rechtlichen Kindern lösen?
Alle oder nur Bunte? Oder alle, die Bunten ihre Kinder überlassen wollen?
Leibliche Väter, gar mit Kuckuckskind wohl eher nicht, ist anzunehmen. Denen entzieht man ja die Rechte und gibt die traditionell anderen. Aber blechen darf der Hornochse dennoch. Das Modell werden die ja sicher nicht abschaffen.
Also kann es sich mal wieder nur um Sonderrechte für Privilegierte mit speziellen Fähigkeiten und besonderen Begabungen handeln
Da fällt mir nur ein; Lebensborn auf GRÜNE ART! Grün ist die fortgesetzte Perversion des Faschismuses, getarnt als Kampf gegen den Faschismus.
Wenn die Partnerin einer Frau, automatisch auch die Mutter des Kindes werden soll, dann wäre es vernünftig, der Frau das Sorgerecht zu entziehen und dem Vater das Kind zuzusprechen. Kinder, die bei ihren Vätern aufwachsen, haben allgemein bessere Zukunftsaussichten. Für ein Kind muss es eine Katastrophe sein, wenn es mit mal bei Mutter und Mutter aufwachsen muss. Wenn es so weiter geht, wird man bald die Geschichte von Eva und Eva im Paradies erzählen.
Das sind alles komplexe, auch emotional aufgeladene Fragestellungen, die eine grundlegende Befassung verdienen. Vor der Hand bin ich schon der Meinung, dass die DE-Regelungen weniger restriktiv und vielfältiger gefaßt werden könnten. Eine (DE) Freundin von mir, die „nach“ ihrer Akademikerlaufbahn mit Anfang 40 doch Mutter werden wollte, musste mit ihrem Partner nach Tschechien ausweichen, um weitere Möglichkeiten angeboten zu erhalten (was dann sogar erfolgreich war! Eine andere (PL) Freundin von mir hatte nach ähnlicher Laufbahn in ähnlichem Alter ebenfalls einen Familienwunsch, wollte zugleich einem der vielen Waisenkinder ein letztlich Adoptionsangebot unterbreiten und war über die restriktiven DE-Maßgaben (negativ;-)) überrascht, wonach… Mehr
Famlie ist ein Rechtstatus, den sie seit Jahren systematisch aushebeln, indem sie rechtlos etwas anderes entgegenstellen, und das Prinzip Vater, Mutter, Kind vernichten wollen, weil es die Urzelle eines Volkes darstellt und die anderen Verquickungen eher Abartigkeiten gleichen, wenn man es dem natürlichen Auftrag nach betrachtet und keinesfalls, eine Familie ersetzen kann und Ehelosigkeit eine Entscheidung sein kann, aber damit nicht die Familie ersetzt. Im übrigen ist es ja auch kontraproduktiv, weil man die Ehe als solche systematisch in Frage gestellt hat und dabei viele aus der Rolle geraten und sich statistisch betrachtet vom alten Rollenspiel verabschieden durch immer weniger… Mehr