Zeitungen verlieren an Lesern und an Bedeutung – vor allem bei Jüngeren

Das Zeitungssterben geht weiter. Die 340 bei der IVW gemeldeten Zeitungen haben innerhalb eines Jahres 5,1 Prozent ihrer Auflage verloren. Doch in der strukturellen Krise zeigt sich: Mit der entsprechenden Berichterstattung sind Ausreißer nach oben möglich.

IMAGO / Zuma Press

Für ihre Mitglieder ist es keine echte Nachricht mehr – denn sie werden es selbst gewusst haben. Doch in Berlin gibt es eine Redaktion, die heute Grund zum Feiern hat: die Welt am Sonntag. Sie hat ihre einzeln und im Abo verkaufte Auflage innerhalb eines Jahres um knapp 39.000 Exemplare auf 228.000 Exemplare erhöht. Das ist ein Zuwachs von 20,3 Prozent. Zum Vergleich: Im ersten Quartal lagen Welt am Sonntag und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung noch in etwa auf Augenhöhe. Doch im letzten Jahr ging es für die FAS um 12.000 Exemplare nach unten. Jetzt sind es nur noch 175.000 verkaufte Exemplare – ein Rückgang von 6,3 Prozent.

Inhaltlich hat sich die Welt am Sonntag vor allem durch ihre Berichterstattung zum Corona-Komplex hervorgetan. Erst an diesem Wochenende konnte die Zeitung exklusiv darüber berichten, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Reform des Robert-Koch-Instituts torpediere und so einen gesicherten Wissensstand über die Entwicklung der Pandemie verhindere. Laut IVW hat sich diese Themensetzung nun bei den Lesern bewährt. Während die Branche insgesamt an Zuspruch verliert. So hat die altehrwürdige FAZ als Tageszeitung im vergangenen Jahr 5,5 Prozent ihrer Leser verloren – und kommt nur noch auf eine verkaufte Auflage von 172.000 Exemplaren. Zum Vergleich: Das ist etwas weniger, als Saarbrücken Einwohner hat.

A propos Saarbrücken: Nicht nur die überregionalen Zeitungen befinden sich auf dem Rückzug. Beispiele: Die Verbreitung der Saarbrücker Zeitung ist vom ersten Quartal 2021 aufs erste Quartal 2022 zurückgegangen von 110.000 Exemplaren auf 104.000 Exemplare. Noch krasser hat es in Hessen und Rheinland-Pfalz den Verlag VRM erwischt, in dem unter anderem die Mainzer Allgemeine Zeitung erscheint. Das Paket „VRM plus“ hatte Anfang 2021 noch eine verbreitete Auflage von 290.000 Exemplaren – Anfang dieses Jahres waren es dann nur noch 256.000 Exemplare; das entspricht einem Rückgang von 11,7 Prozent. Hier zeigt sich Ähnliches wie in der gesamten Branche: Die Verbreitung der E-Paper-Abos nimmt zwar zu – kann aber den Rückgang im Print-Geschäft nicht annähernd ausgleichen.

Die IVW ist ein Verein: „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern“. Unter anderem melden 325 Tages- und 15 Wochenzeitungen ihre Zahlen an die IVW. Wie der Name sagt, geht es im Wesentlichen darum, die Relevanz für die werbetreibende Wirtschaft zu belegen. Doch die Zahl für die Branche sind seit Jahren rückläufig. Während der Corona-Pandemie gab es kurzfristige Momente, in denen es nach Erholung aussah. Aber das scheint wieder vorbei zu sein.

Eine Auflage von zusammen 16,1 Millionen Exemplaren hatten alle Zeitungen zusammen noch im ersten Quartal 2021 der IVW gemeldet. Im zurückliegenden Quartal waren es nur noch 15,3 Millionen Exemplare. Besonders hart trifft es die Wochenzeitungen. Ihre Auflage ist laut IVW von 1,685 Millionen Exemplare auf 1,452 Millionen Exemplare zurückgegangen – ein Verlust von 13,8 Prozent. Umso beachtlicher lässt das den Zugewinn der Welt am Sonntag erscheinen.

Trotz leichtem Plus im vierten Quartal
Auflagen der Tageszeitungen brechen übers Jahr 2021 weiter ein
Gefeiert wird heute mutmaßlich bei der Welt am Sonntag – aber ganz sicher nicht im Springerverlag. Das Flaggschiff des Verlags, die Bild, hat übers Jahr wieder 10,7 Prozent seiner Auflage verloren. Die Millionenmarke, einst magisch, ist damit für die Bild unerreichbar geworden. Sie verbreitet laut IVW nur noch 942.000 Exemplare. So schlechte Zahlen hatte das Blatt zuletzt im Jahr 1953, wie der Branchendienst Meedia berichtet. Doch nicht nur das Leitmedium der BRD befindet sich in einer Existenzkrise – sondern auch das der DDR: Keine 16.000 Exemplare verbreitet das „Neue Deutschland“ mehr. Ein weiterer Verlust von 9,7 Prozent im Jahresvergleich.

Eine Umfrage von Insa lässt vermuten: Das Zeitungssterben wird noch weiter an Fahrt aufnehmen. Denn es wachsen buchstäblich keine Zeitungsleser nach. Demnach informieren sich schon jetzt nur noch 28 Prozent aller Befragten regelmäßig über eine Zeitung. 60 Prozent gaben indes ausdrücklich an, dies nicht zu tun. Wobei Frauen mit 25 Prozent weniger häufig in die Zeitung schauen als Männer mit 31 Prozent.

Blickt man auf die Altersgruppen, fallen die Ergebnisse noch deutlicher aus: Während die Menschen über 60 Jahre noch angaben, dass 40 Prozent regelmäßig in die Zeitung schauen, waren es bei den 18- bis 29-Jährigen nur 18 Prozent. Eine Mehrheit von insgesamt 53 Prozent gab laut Insa an, dass ihre wichtigste Informationsquelle das Internet ist. Dass die Jüngeren eher und die Alten sich weniger aufs Internet verlassen, dürfte kaum einen überraschen. Spannend ist jedoch eine Zahl: Menschen mit Migrationshintergrund vertrauen zu 61 Prozent aufs Internet, Menschen ohne Migrationshintergrund nur zu 52 Prozent.

In früheren Zeiten galten Todesanzeigen als Indikator für den Erfolg einer Zeitung: War sie voll damit, war sie erfolgreich. Heute ist es statistisch gesehen umgekehrt: Umso mehr Menschen gestorben sind, desto mehr Zeitungsleser sind unwiderbringlich verloren.

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Kommentare ( 54 )

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H. F. Klemm
1 Jahr her

Wer bitte liest das heutzutage noch ?
Schon seit Jahren sind diese Erzeugnisse zum Einwickeln von Fish & Chips als bedrucktes Schmierpapier aus hygienischen Gründen in GB (vermutlich noch unter linkem EU-Einfluß) verboten.
In DE ist ein Verbot aus hygienischen Gründen, allerdings bezogen auf den Inhalt, längst überfällig.
Allerdings, bei der nächsten krisenbedingten „Klopapierknappheit“ wäre noch eine sinnvolle Zweitverwertung möglich. Ansonsten :
Das kann weg !

Andreas Bitz
1 Jahr her

Die FAZ kann weg – seitdem sie die eher konservativen, kritischen Geister rausgeworfen und sich der FR angenähert hat. Die WeLT hat gewonnen, durch Aust, Broder, Don Alphonso, nun auch Martenstein. Ab und zu mal sich den Horror holen beim DLF (Gendergestammel, es gibt nur noch Klima- und Transthemen) und unkonventionelle Sichtweisen bei der taz, der Rest kommt online. Spiegel, Süddeutsche, besser kein Kommentar. Der Niedergang der Presse, generell des Journalismus begann um das Jahr 2015, mit Corona wars dann endgültig vorbei. Überwiegend Lug und Trug, gekauft, Agenturmeldungen.

AlNamrood
1 Jahr her

„Ist das Journalismus oder kann das weg?“
Keine Berufsgruppe ist in ihrem Ansehen je so schnell und tief abgestürzt wie die Journalisten – Zu Recht.

Last edited 1 Jahr her by AlNamrood
abel
1 Jahr her

Mein Auswahlverfahren sieht so aus: Läßt der Zeitungs-/Online-/Medienverlag noch andere Meinungen zu als Regierungssprech. Da bleiben nur sehr wenige übrig im Rennen. Zum Aufzählen reichen mir die Finger einer Hand.

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Hm, das eigentliche Auslaufmodell ist dann aber die Verbreitung der Information mit Papier, nicht die Verbreitung des Inhalts. Das ist kein Nachteil. Papier benötigt viel Holz, Energie in unterschiedlichen Formen und Wasser. Alle 3 Rohstoffe können für etwas Besseres verwendet werden, z.B. Holz zum Heizen statt Erdgas oder für Verpackungsmaterial. Das gedruckte Blatt ist einfach die Postkutsche des 21. Jahrhunderts; es stirbt in diesem Jahrhundert aus.
Viel spannender wären die Medienreichweiten. Dazu sagt der Artikel leider gar nichts.

tyr777
1 Jahr her

man muss hier wohl 2 Aspekte betrachten und unterscheiden: zum einen ist das Medium Papier für Zeitungen ein Auslaufmodell, die in unserem Raum verbreitete Lokalzeitung (aufgegliedert in einen überregionalen Teil und unterschiedliche Regionalteile für die verschiedenen Städte/Dörfer) kann man auch als online-Abo buchen, damit sieht man den gleichen Inhalt wie in der gedruckten Ausgabe in fast dem gleichen Layout, die Nachteile der Papiervariante entfallen (Altpapier, Auslieferung, Aktualität). Prinzipiell sollte bei guter inhaltlicher Qualität die Auflagestärke gleich bleiben, nur dass sich das Medium eben von Papier zu online ändert. Damit kommen wir aber nun zum zweiten Aspekt: der Großteil der Massenmedien… Mehr

GMNW
1 Jahr her

Es ist kein Wunder, dass die Auflage der ‚Welt am Sonntag‘ steigt und sich damit sehr deutlich von der Tristesse der regionalen- wie auch überregionalen Zeitungen absetzt; der Chefredakteur heißt Stefan Aust!
Er verkörpert so ziemlich allein, was man bei den Journalist*innen, gerade auch beim ö/r TV ARD und ZDF schmerzlich vermisst: er ist unabhängig, kritisch, investigativ, informativ, objektiv!
Dazu kommt, dass Stefan Aust die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrscht, was leider nicht immer bei so vielen JournalistInnen schon lange nicht mehr selbstverständlich ist!

merkelinfarkt
1 Jahr her

Ich lese und kaufe – auch als Printausgabe – da, wo ich auf gute Recherche und interessante Informationen treffe und ich mich mit oder heutzutage „trotz“ meiner liberalkonservativer Einstellung auf Leserseiten unzensiert äußern kann. Dort setze ich mich dann auch gerne mit von meinen Ansichten differierende oder gegenteiligen Meinungen und Argumenten auseinander – und gewinne so dazu. Was vor 20 Jahren noch der „Spiegel“ aus Hamburg bot – und mit Einführung umfassender, ideologisch begründeter Kommentarzensur durch Angelernte schlagartig verlor – finde ich seit Jahren bei TE. Dafür bekommt TE das Abo und ein „Danke!“ und der Spiegel ein „Ciao“ bis… Mehr

Andreas aus E.
1 Jahr her

Kostenlose Anzeigenblätter bieten mitunter noch echten Informationsjournalismus.
Darin steht dann etwa, welche Straße ab wann gesperrt ist, manchmal sogar warum, wie der Kreisligaverein beim verhassten Nachbarkaffsclub gespielt hat, Horoskop nicht zu vergessen, dazu als Beiläge noch mehrere Bildbände führender Einzelhandelsunternehmen.
Mitunter erfährt man noch durch die Blume, welche Regionen besser zu meiden sind oder wo man günstig so Diverses erwerben kann.
Also, knochenharten Qualitätsjournalismus gibt es durchaus noch 😉

Andreas aus E.
1 Jahr her

Mit der Artikelauswahl zur Ukraine/Rußland-Krise hier bin ich auch nicht glücklich, aber völlig andere Sicht der Dinge finde ich ein Browserfenster weiter.
Mein Hauptaugenmerk gilt hier aber dem Untertitel: Da steht „Meinungsmagazin“. TE behauptet ja nicht, vollumfänglich zu berichterstatten (einen Sportteil vermisse ich 😉 ), zudem ist das private Angelegenheit, und der Kommentarteil ist angenehm liberal moderiert.
Das unterscheidet massiv von den Zwangsrundfunksendern, welche ja immerhin verpflichtet sind objektiv und umfassend zu berichten, aber unverblümt linksgrünlastige Auswahl treffen, von der Schluckaufsprache ganz zu schwe_I:*gen.