Bei Maischberger: Staatskrise, schwarzer Tag und Novum in der Geschichte

Das beispiellose Scheitern von Friedrich Merz bei der Kanzler-Wahl schockiert die Gäste bei Sandra Maischberger. Felix Banaszak nörgelt über die neue Regierung. Und Bärbel Bas hat ihren ersten öffentlichen Auftritt als Bundesministerin für Arbeit und Soziales.

Screenprint: ARD / Maischberger

Am Mittwochabend steigt schwarzer Rauch über der Sixtinischen Kapelle auf – ein neuer Papst wurde noch nicht gewählt. Kein Grund zur Aufregung, bei der Papstwahl ist das normal. Anders erging es Friedrich Merz am Dienstagmorgen. Beim ersten Wahlgang scheiterte er. Sandra Maischberger versucht, das Omen mit ihren Kommentatoren Gregor Peter Schmitz (Stern), Schauspieler Hannes Jaenicke und Mariam Lau (Die Zeit) zu lesen. Mariam Lau ist Autorin des Buches „Merz: Auf der Suche nach der verlorenen Mitte“. Sie sieht in Merz’ wiederkehrenden Niederlagen den Charakter eines Stehaufmännchens. Als Staatskrise möchte sie den holprigen Start ins Kanzleramt nicht bezeichnen.

Hätte er die zweite Wahl ebenso verloren, wäre es „wirklich ein schwarzer Tag“ gewesen. Angela Merkels Anwesenheit deutet sie zudem so, als wolle sie „so ein bisschen Terrain wiedergutmachen“. Diese zwitscherte aber nach der Niederlage wieder ab. Friedrich Merz’ Wahl zum Kanzler – mit Hilfe der Linken – verpasste sie. Dabei hätte ihr das bestimmt gefallen.

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Merz sprach noch am selben Abend in einem Interview von „einem ehrlichen Tag“. Ein ehrlicher Tag, der zeigt, wie viel „Verantwortung für Deutschland“ in der neuen Koalition steckt. Ein Zeichen, so die Kommentatoren, dass „es halt echt Kompromisse gibt auf beiden Seiten“. Viele Kompromisse für ein Ziel: Merz möchte auf der Karriereleiter zum Kanzleramt aufsteigen. Es fehlten 18 Stimmen. Er werde aber „jetzt keine Motivforschung betreiben“ und auch Maischbergers Gäste sehen keinen Grund, nach einem Motiv dieses „Denkzettels“ zu suchen. Sie sind sich wahrscheinlich bewusst, dass kein Motiv die Koalition besser dastehen lassen könnte. Schwäche und Zerrissenheit stehen dieser Regierung auf die Stirn geschrieben.

Seinen ersten Tag als Kanzler verbringt Merz in Frankreich und in Polen. Ein großes Thema im Gepäck ist Migration. Der Kanzler möchte „machen“, aber in Warschau kommen rasch Widerworte. Migration sei kein nationales, sondern ein europäisches Problem. Also nix mit neuer Grenzpolitik. Merz rudert zurück. Gut so, denn der Schauspieler Hannes Jaenicke ist fest davon überzeugt, dass es rechtlich nicht möglich sei, die Grenzen zu kontrollieren. Sein Argument: Er „spiele ja nun regelmäßig Polizist und habe reichlich Bekannte in diesem Apparat, auch bei der Bundespolizei“, und es wäre „von der Personaldecke schon mal gar nicht machbar“. Dass Dobrindt, „der kleine Trump aus Oberbayern“, nun wie Trump abschieben möchte, sei „rechtlich gar nicht durchsetzbar“. Dass das sehr wohl möglich ist und dass es das Mindeste ist, Grenzen zu kontrollieren und illegale Migration zu stoppen, passt dem Schauspieler mit amerikanischer Staatsangehörigkeit und überzeugten Democrats-Wähler nicht ins Weltbild.

Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, versucht im Gespräch mit Felix Banaszak, einem der beiden Bundesvorsitzenden der Grünen, die Vorgehensweise seiner Partei zu rechtfertigen. Politische Unsicherheit oder gar Schwäche wegen eines holprigen Starts versucht er aus dem Bild zu schrubben. Linnemann, der sichtlich angekratzt ist von dem „Schockzustand“, beginnt mit einer Aufzählung von Maßnahmen in den ersten Regierungsstunden, die die neue Regierung veranlasst hat. Maischberger gibt sich unwissend: „Was wollen Sie uns damit sagen?“ „Dass wir seit 24 Stunden Politik machen. Dass wir nicht mehr reden, sondern dass wir machen, dass wir liefern!“ Merz werde in den nächsten Tagen eine „Agenda 2030“ verkünden – diesmal wird es also ganz sicher einen Aufschwung geben. Versprochen.

Banaszak erinnert Linnemann daran, dass die Bildung der neuen Regierung nur mit Hilfe der Grünen und der Linken möglich war. Außerdem stecke in dem Koalitionsvertrag „in der Wirtschaftspolitik an einigen Stellen mehr Robert Habeck als Carsten Linnemann“. Seine Partei, die Grünen, würde im Gegensatz zu der Union staatspolitische Verantwortung übernehmen.

Maischberger hakt ebenfalls kritisch nach. Wie steht es um den Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber den Linken? Linnemann versichert, dass sie „mit solchen Parteien innerlich nicht zusammenarbeiten“ würden, „und wenn die Vorsitzende der Linken noch sagt, sie möchte gerne den Kapitalismus und die Soziale Marktwirtschaft abschaffen und Sozialismus einführen – keine Chance!“ Ob Merz in der Lage ist, seine linke Regierung ohne die Linke aufrechtzuerhalten, bleibt fraglich. Gibt Linnemann doch verlegen zu, dass durch die vielen gebrochenen Wahlversprechen eine „Glaubwürdigkeitslücke“ entstanden ist. Ob Linnemann deswegen kein Ministeramt übernommen habe, fragt Maischberger spitz. Bescheiden kontert Linnemann: „Einfach nur ein Ministerium zu übernehmen, um Minister zu sein, ist nicht mein Ding.“ Nicht so Kanzler Merz.

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Felsenfest steht dagegen die Brandmauer zur AfD. Linnemann wirft Maischberger AfD-Rhetorik vor, als diese über „die Schließung der Grenzen“ sprechen möchte. „Wir wollen keine Grenzen schließen.“ Was sowieso schon lange keiner mehr glaubt. Linnemann möchte die AfD lieber inhaltlich bekämpfen und „möchte den Brand [hinter der Brandmauer] löschen“. Ein Verbotsverfahren, auf welches Banaszak hofft, kritisiert Linnemann vehement. „Am Ende sagt das Bundesverfassungsgericht, es ist okay. […] Da machen Sie die Partei erst richtig groß. Oder das Verfassungsgericht sagt, wir verbieten die Partei, dann haben Sie das Verbot. Nur, Sie müssen sich die Frage stellen, warum haben 10 Millionen Wähler diese Partei gewählt. Offenkundig waren sie unzufrieden. Und Unzufriedenheit kann man nicht verbieten.“ Banaszak gibt nach dieser Belehrung keinen Ton mehr von sich und Maischberger widmet sich schnell der Verabschiedung.

Freundlicher wird es im Einzelgespräch zwischen den beiden Frauen Sandra Maischberger und Bärbel Bas. Bas hat ihren ersten großen öffentlichen Auftritt als Bundesministerin für Arbeit und Soziales im Merz-Kabinett. Nicht im Kabinett ist Saskia Esken. Obwohl sie um ein Ministeramt gekämpft habe, so Maischberger. „Verstehen Sie, dass es Leute gibt, die sagen, das ist nicht fair?“ Bas versteht das, aber es geht doch hier um Frauen: „Sie hatte am Ende auch für zwei sehr junge Frauen Platz gemacht und das hat sie ganz bewusst gemacht.“ So werden Probleme in der SPD gelöst. Bas selbst löst das Ministerium von Hubertus Heil ab und gibt zu: „Es war natürlich eine Proporz-Entscheidung.“

Auf die Satzvervollständigung „Jetzt, wo ich Friedrich Merz besser kenne, finde ich ihn …“ von Maischberger, antwortet Bas überlegt: „Er ist verlässlich. Wir nähern uns gerade an. Wir duzen uns noch nicht, aber das kann ja noch kommen.“ Die ernsten Worte von Bas haben einen ironischen Beigeschmack. Merz verlässlich? Immerhin arbeitet die Koalition an ihrem Vertrauen zueinander.

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Kommentare ( 36 )

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36 Comments
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Jenny
7 Tage her

„Banaszak erinnert Linnemann daran, dass die Bildung der neuen Regierung nur mit Hilfe der Grünen und der Linken möglich war. Außerdem stecke in dem Koalitionsvertrag „in der Wirtschaftspolitik an einigen Stellen mehr Robert Habeck als Carsten Linnemann“. Eine 11%-Partei, die abgewählt wurde, bestimmt die Politik und alle in der Sendung finden das völlig okay so, niemand nimmt daran Anstoß. Damit prahlen diese Typen auch noch und halten die Opposition, die mehr als doppelt so viele gewählt haben, für Demokratiegefährder. Alles soll so weitergehen, bis zur Selbstaufgabe Deutschlands. Einmischung von Außen verbitten sie sich. Ich denke, dass es ohne Einmischung von… Mehr

Medea
7 Tage her

Friedrich Merz verlässlich???
Ist das Neusprech, sinngemäß „wer sich (auf ihn) verlässt, ist verlassen??? Nicht nur von allen guten Gei…???

Ombudsmann Wohlgemut
7 Tage her

„möchte den Brand hinter der Brandmauer löschen“
Er plappert also nur nach, was Merz Unsinniges von sich gab.
Ansonsten hört man wieder nur die übliche Kartellparteien-Rhetorik…

U.S.
7 Tage her

Lars K, und die SPD überlassen dem Friedrich M großzügig das BK in Berlin, den Rest übernimmt Lars K und die SPD: 1) weitere unbegrenzte Massenimmigrationen aus allen Armutsregionen des gesamten Planeten, insbesondere Afrika Maghreb Region und aus islamistischen Ländern, auch illegal Einreisende, sehr gerne Eingeflogen aus Afghanistan und Sudan, 2) Migranten Gewalt wird in der OeR Presse nur geringfügig erwähnt “ ein Auto fuhr in eine Menschenmenge“ (das Auto war deutsches Fabrikat, der Fahrer war Deutscher) 3). Weiterhin unbegrenzte Schuldenaufnahmen in Billionenhoehe ( wenn Friedrich M dagegen ist, geht es ihm wie Dr Christian L/ ehemaliger Finanzminister) 4) keine… Mehr

Harry Charles
7 Tage her

SCHWARZER RAUCH – WEIßER RAUCH: RASSISMUS? Muss die Kirche, die sich ja so eifrig an dem woken Teufelszeug beteiligt, diesen uralten Brauch nicht auch schleunigst der cancel culture zuführen? Dass weißer Rauch etwas Gutes bedeutet und schwarzer etwas schlechtes? Was erlauben, um es mit den Worten eines Italieners zu sagen. Ansonsten: Staatskrise? Wieso denn es wurden doch alle linken Forderungen erfüllt, wir Bürger werden weiter ausgebeutet für linke/linksgrüne Spinnereien und Merz wurde ja schon nach Fronkreich zum Rapport bestellt: die müssen sich einerseits ins Fäustchen lachen, (was sie natürlich nicht zeigen), andererseits sind sie wohl heilfroh, dass der teutonische Goldesel… Mehr

Logiker
7 Tage her

Es ist frappierend, wie man sich bei TE bis auf eine Ausnahme beharrlich weigert zum Ukraine-Konflikt Stellung zu beziehen.

Dabei ist genau dieses Thema das entscheidende für Europa und Deutschland.

Ich sag mal vorsichtig: schade, sehr schade.

Ist halt blöd, wenn man nicht weiß, wie es kommen wird – so, oder vielleicht doch andersrum, oder doch wieder nicht……
Da kann auch gestandenen älteren Herrn schon mal die Meinung abhanden kommen.

Sorry, mußte mal sein.

Last edited 7 Tage her by Logiker
Ein Sumpf zieht am Gebirge hin
7 Tage her
Antworten an  Logiker

Nun, sagen wir es mal so: Die anfängliche Parteinahme für die Ukraine kam bei großen Teilen der Leserschaft nicht gut an. Weil sich an der inneren Haltung wohl auch nicht viel geändert haben dürfte, hüllt man sich in Schweigen. Schließlich benötigt man den zahlenden Leser. In Gegensatz zu Lügel und Zeit übrigens. Die leben von anderen Zuwendungen.

Kassandra
7 Tage her
Antworten an  Logiker

Für Deutschland wie die EU einschließlich GB ist die Einreise der Massen entscheidend. Außer für Ungarn und weitere EU-Ostländer.
Und vielleicht, dass diese Massen als „Territorialmacht“ wie von Gabriel neulich bekundet, von und durchgängig durch uns alimentiert und ausgerüstet dann Richtung Russland weiter „marschieren“ werden sollen.
So vielleicht der Plan.

Elmar
7 Tage her

Ich habe alternativ zu Maischberger Arsenal versus PSG angeschaut und denke, dass ich damit alles richtig gemacht habe. Liebe Frau Johler, wenn ich jetzt etwas polemisch werden wollte, würde ich Ihnen jede Menge Masochismus bescheinigen, was ich natürlich nicht tue. Ich frage mich nur, wie sie das abstruse Geschwafel bis zum Ende der Sendung ausgehalten haben.

Logiker
7 Tage her

Hand auf’s Herz:

wie vielen der TE-Autoren ist mit der Wahl von F.Merz zum Kanzler ein Stein vom Herzen gefallen?

Nur für diejenigen, die nicht in der Lage sind zwischen den Zeilen zu lesen…..

Last edited 7 Tage her by Logiker
Siggi
7 Tage her

Nun weiß man, wofür die Grünen bezahlt werden. Die haben nur noch eine Aufgabe, wie die geschmierten Medien, alles gehen die Kritiker und bald stärkste Kraft im Land, der AfD zu machen, damit diese Koalition so unkritisiert weitermachen kann. Ein leicht zu durchschauendes Spiel des Merz. Ließt man dazu die nun veröffentlichten ersten Seiten des Verfassungsschutzberichtes, ist offensichtlich, dass da nur Papier erzeugt wurde. Selbst die kleinste Kritik an der Migration, wird als rechtsextrem ausgelegt. Das hat vor Gericht keinen Bestand, das sind Binsen. Stellt man einmal die Äußerungen des Merz gegenüber, wird klar, dass hier eine inhaltslose Masse an… Mehr

Manfred_Hbg
7 Tage her

Zitat: „Seine Partei, die Grünen, würde im Gegensatz zu der Union staatspolitische Verantwortung übernehmen.“

> Hahaha….. -Jau, ein kurzer Blick auf’s Land zeigt wie die „staatspolitische Verantwortung“ der Grünen aussieht: Untergangsstimmung allerorts!