Nach Anne Will Spekulationen bis zum grünen Jamaika-Kanzler hin

Ampel oder Jamaika: Röttgen (CDU), Schwesig (SPD), von Notz (Grüne) und Otto Fricke (FDP) hielten sich alle bedeckt. Hat Röttgen einen Joker in der Tasche: etwa Habeck (Grüne) Kanzler bei Jamaika?

Screenprint: ARD/Anne Will

Es gibt Talkshows, da erfährt man nicht viel Neues und trotzdem macht das Zusehen Spaß. Einen solchen Seltenheitswert kann auch Anne Will diesmal verbuchen. Es war so, als säße sie in einer Runde von Kartenspielern, die alle über ihr Blatt sprechen, ohne auch nur einen Moment etwas darüber zu verraten. Denn keiner weiß, ob nicht irgendwo ein Joker versteckt ist, denn man ist ja erst am Beginn des Spieles. Die Trophäe, um die es dabei geht, ist nicht mehr und nicht weniger als die Teilhabe an der Regierungsmacht in Deutschland. Einigkeit unter allen Playern, das wurde schnell klar, herrscht darüber, dass eine Neuauflage einer großen Koalition nur im äußersten Notfall möglich sein sollte. Ansonsten aber ist es wie bei der Damenwahl. Wer flirtet besser miteinander, und welches Paar tanzt eleganter über das Parkett. Zwei Optionen sind nach den Kräfteverhältnissen möglich.

Pokerspiel um die Macht im Lande
Zur Zeit die Nase vorn hat die sogenannte Ampel – also eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Taktischerweise halten die beiden Kleineren, also Liberale und Grüne, ihre Entscheidung offen und hoffen, damit ein Drohpotenzial gegenüber SPD und CDU in Reserve zu haben. Gewagt ist dieser Balanceakt aber auch, weil die Bevölkerung dieser Zockerei bald überdrüssig werden kann. Denn die Leute erwarten schnell effizientes Handeln durch eine neue Regierung.

Die Spieler des Abends kamen aus unterschiedlichen Ligen. Die mit Abstand cleversten waren Norbert Röttgen für die CDU und Konstantin von Notz von den Grünen. Beide argumentierten strategisch und überlegt. Der Jurist von Notz hat in der Vergangenheit in kluger Voraussicht ein intellektuelles Netzwerk mit Kompetenz gemeinsam mit den Liberalen aufgebaut, das jetzt für die Ampel startklar bereit steht. Röttgens eindeutige Achillesferse ist das Fehlen einer möglichen Kanzlerfigur auf Seiten der CDU. Nur ein Narr kann dabei noch an Armin Laschet denken.

Pokerspiel um die Macht im Lande
Regierungsverantwortung in einer Jamaika-Koalition, also ein Bündnis zwischen CDU, Grünen und FDP, ohne Kanzler und mit einer zerstrittenen Partei übernehmen zu wollen, wäre ein Stück aus dem Tollhaus. Doch was wäre, wenn die Union das Kanzleramt gar nicht anstrebt und Habeck von den Grünen dieses Amt antrüge? Absolutes Bingo nennt man so etwas. Unendliches Medien-Lob wäre den Christdemokraten sicher. Wir wollen mitregieren, ohne Anspruch auf den Chefsessel.

Für die SPD selbst ist ein solches Angebot nicht möglich, die Partei würde das niemals akzeptieren. Und schon wäre die CDU auch ohne Kanzler wieder ganz vorn mit dabei. Als Partei könnte sie sich jenseits von Ministerposten konsolidieren und den überfälligen Neuanfang nach Merkel in Angriff nehmen. Es geht bei diesem Spiel um viel für unser Land. Zweifelsohne wäre eine Jamaika-Koalition das Beste für uns alle. Denn auch die SPD würde als Kanzler-Partei schnell in so starke innerparteiliche und ideologie-getriebene Konflikte geraten, dass die für eine gute Regierungsfähigkeit notwendigen Voraussetzungen schnell verrauscht wären. Die übrigen Parteienvertreter Manuela Schwesig für die SPD und Otto Fricke für die Liberalen ließen sich mit den bekannten Floskeln ein. Als Feindbild unter ihren Gästen, ohne das Anne Will ja nicht auskommt, hatte sie diesmal Norbert Röttgen ausersehen. Aber auch das tat der seit Langem spannendsten Will-Runde keinen Abbruch.

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Kommentare ( 77 )

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Harald Kampffmeyer
2 Jahre her

Zitat: „Denn die Leute erwarten schnell effizientes Handeln durch eine neue Regierung.“
Tatsächlich? Da jede neue Regierung ‚grüne Politik‘ zum Schaden von uns Deutschen machen wird, wünschen wir uns eher eine Regierung, die nicht zu effizientem Handeln fähig ist. Da bleibt der Schaden geringer.

Zitat: „Zweifelsohne wäre eine Jamaika-Koalition das Beste für uns alle.“
Wieso? Grüne mit einer CDU/CSU, die im ‚Grünsein‘ noch die Grünen übertrumpft, wäre nicht das ‚Beste für uns alle‘ sondern Schadensoptimierung für uns alle.

country boy
2 Jahre her

„Aber auch das tat der seit Langem spannendsten Will-Runde keinen Abbruch.“ Spannend? Was ist an einer Aneinanderreihung von Plattitüden und Phrasen denn spannend? Will hat einmal mehr, wie es im deutschen Mainstream üblich ist, den Politikern, die nichts zu sagen haben, unendlich viel Zeit gegeben, nichts zu sagen. Wenn jemand tätsächlich etwas zur deutschen Politik zu sagen hat, wird der Staatsfunk den Teufel tun und ihm Gelegenheit geben, dies auch zu tun. So geht das doch nun bei uns schon seit einigen Jahren. Interessant war höchstens, dass sämtliche Teilnehmer der Runde aus dem Sendegebiet des Nord- und Westdeutschen Rundfunks kamen.… Mehr

F. Hoffmann
2 Jahre her

Habeck und Lindner könnten sich bei der CDU Friedrich Merz ausbedingen. Der wäre kompromissbereit in allen Lebenslagen, würde optisch ganz gut in eine 3er Boygroup passen und Söder würde platzen.

F. Hoffmann
2 Jahre her

Gestern Abend, ca. 21:45 war auch auf BILD TV eine interessante Runde, u.a. mit Lauterbach und Prof. Stöhr. Lauterbach hat gelabert, Prof. Stöhr ihn sanft gegrillt. Später dann auf Links Rechts Mitte bei Servus umgeschaltet, war auch interessant, u.a. durch den Jugendforscher Prof. Heinzlmaier, der schon im April in einer Studie herausgefunden hat, dass das Drittel grüne Oberschichtjugend eben nicht die Vorstellungen des Gros der heutigen Jugend widerspiegelt. Interessant war auch „Air Türkis“ ein junger Tichy‘s Autor, der Heinzlmaier bestätigte und sich auch sonst in der Debatte sehr gut schlug.

ChamSys
2 Jahre her

Ich befürchte, Herr Gafron könnte Recht behalten. Ich habe die Sendung gestern auch gesehen und dieser Gedanke kam mir auch direkt. Die Grünenanbiederung der Union ist schon seit Jahren ein Fakt und dazu gehört nicht nur der blödsinnige Atomausstieg. Die wollen doch gar keine konservative Partei mehr sein; jeder Konservative wird ins rechte Eck geschoben. Liebe Leute, die unionsgeführte Bundesregierung glaubte 2018 eher einem Twitteraccount der „Antifa Zeckenbiss“, als dem eigenen Chef des Verfassungsschutzes und hat ihn daraufhin kalt hestellt. Wieso dann nicht gleich mit den Grünen fusionieren?

Anti-Merkel
2 Jahre her

Jamaika mit Grünem Kanzler*in –> CxU 2025 unter 5%, weil für alle Grün*innen-Untaten mitverantwortlich.
Wer zu einer Partei steht, die dazu beiträgt, die Klimapanik ins Kanzleramt zu bringen, wählt 2025 gleich die Grün*innen — alle anderen weichen dann zu einer anderen Partei aus, die nicht an dieser Horrorkoalition beteiligt war.
Wäre vielleicht gar nicht so schlecht.

Prataev
2 Jahre her

„Die mit Abstand cleversten waren Norbert Röttgen für die CDU …“

Wer, bitte, ist Norbert Röttgen? Selten so gelacht, Herr Gafron.

Da war die Analyse der Faz durchaus zutreffender:
„Es war schlicht lächerlich, wie Röttgen faktisch eine Koalitionsbildung ohne Bundeskanzler vorschlug. Das alles begründete er mit Nachdenklichkeit, die sich bei genauem Hinhören als reines Geschwafel herausstellt. Wer nach einer Bestätigung suchte, warum ihn Angela Merkel einst als Bundesumweltminister mit dürren Worten entließ, fand gestern Abend eine späte Bestätigung für ihre damalige Einschätzung der Qualitäten des CDU-Politikers.“

Last edited 2 Jahre her by Prataev
Adorfer
2 Jahre her
Antworten an  Prataev

Naja, der Herr Gafron. Seine Beiträge regen i. d. R. bei mir zum Kopfschütteln an. Aber warum nicht. Ich habe nichts dagegen wenn ich Meinungen lese die ich nicht teilen kann.

November Man
2 Jahre her

Trittin mahnt zu Eile bei Sondierungen und Koalitionsgesprächen.“Die Welt wartet ja nicht auf uns“, sagte Trittin im Bayerischen Rundfunk.
Gerade dann, wenn die Grünen zeitlichen Druck aufbauen wollen sollte man besonders wachsam sein, langsam tun und nochmals überlegen ob die Grünen überhaupt in einer deutschen Bundesregierung was verloren haben.Die Grünen sind eher schädlich als nützlich für Land und Leute.
Außerdem haben sie nur drittklassiges Personal zu bieten.
Egal wie, die Grünen in einer Regierungskoalition muss verhindert werden, koste es was es wolle. Die Grünen sind/werden nämlich noch teurer.

Albert Pflueger
2 Jahre her
Antworten an  November Man

Das mit dem drittklassigen Personal gilt doch für alle Parteien, die gerade um Koalitionen pokern. Für die derzeitig regierenden ohnehin, denn abgesehen davon, daß sie die falschen Ziele verfolgen, haben sie ihre Absichten ja auch nicht umsetzen können. Integration? Energiewende? Bildungspolitik? Infrastruktur? Flutkatastrophe? Bundeswehr? Corona?
Wer da von Grünen oder FDP Besserung erhofft, wird enttäuscht werden.

Frank v Broeckel
2 Jahre her

Weshalb die Migrationswelle selbst nach sechs Jahren immer noch NICHT beendet worden ist?

Weil zwei Drittel von zwei Drittel IMMER und überall vier Neuntel ergibt, und eben nicht nur explizit bis zum Jahre 2021!

Denn ansonsten hätten wir diese Migrationswelle überhaupt nicht gehabt!

chino15
2 Jahre her

„Gute Regierungsfähigkeit“ mit SPD, Grünen, CDU/CSU und FDP??? Niemals! Von mir aus könnten die Koalitionsgespräche bis 2025 dauern. Damit wären die Möglichkeiten, unsere Situation durch noch mehr Umverteilung, Verbote, offizieller Förderung der Massenmigration usw. noch deutlich weiter zu verschlimmern immerhin etwas begrenzt. In den letzten 10 Jahren waren alle wichtigen Entscheidungen Fehlentscheidungen. Auch in der letzten Legislaturperiode war die Zeit der Koalitionsverhandlungen noch die harmloseste. Also lieber gar keine Regierung als Ampel, Jamaika oder GroKo.