ARD, ZDF und neue Akteure auf dem Spielfeld

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hat wie ein Freibrief gewirkt: Künftig scheint ein politisches Veto gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags unmöglich. Doch es gibt drei Sorgen, die sich die Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks machen müssen. Von Mario Thurnes

picture alliance / dpa | Soeren Stache

Mitarbeiter von ARD und ZDF kennen einen neuen Gottseibeiuns: Bild TV. Seitdem Springer seine Politinformationen im Bewegtbild zeigt, trommeln öffentlich-rechtliche Mitarbeiter dagegen an. Die Kanäle unterscheiden sich. Mal twittern Mitarbeiter offiziell privat, dann privat offiziell – all den Publikationen gemein ist der Tenor, dass ein neues mediales Angebot eine Gefahr für die Medienvielfalt sei – darauf beanspruchen sie selbst das Exklusivrecht.

Doch genau dieses Exklusivrecht stellt nicht nur Bild TV in Frage. Auch die privaten Fernsehsender haben unlängst eine Informations-Offensive gestartet. So verspricht Pro7 in seinem Claim seine Zuschauer zu infotainen statt zu entertainen und RTL hat mit dem Triell gezeigt, dass politische Bildung auf den Privaten nicht schlechter funktioniert, als in ARD oder ZDF. Über fünf Millionen Zuschauer wollten das im Schnitt sehen.

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Fünf Millionen Zuschauer gelten im klassischen Fernsehen mittlerweile als Erfolg. Denn immer mehr wechseln zu den Streamingdiensten. Und auch die Spartensender haben Terrain gewonnen. Zum einen weil ihre Zahl zugenommen hat. Nach Ergebnissen von TNS-Infratest erreichten rund 50 Sender schon im Jahr 2015 zusammen rund 40 Prozent Marktanteil, obwohl sie alleine für sich keine fünf Prozent erreichen. Manche dieser Sender schreiben eigene Erfolgsgeschichten, wie zum Beispiel Pro7 Maxx mit Football-Übertragungen.

ARD und ZDF haben die Segmentierung des Marktes als Problem längst erkannt. Das lässt sich in Studien nachlesen – von den öffentlich-rechtlichen Sendern selbst in Auftrag gegeben. Nun hat Winston Churchill vorgegeben, wie solche repräsentativen Umfragen anzuwenden seien. Am besten vertraue man nur denen, die man selbst gefälscht habe.

So fragen die Sender nach der Akzeptanz von Werbung im öffentlich-rechtlichen Programm. Die ist laut den Antworten hoch. Mit den Zahlen gehen dann ARD und ZDF hausieren. Gut. In der Fragestellung wird eine mögliche Gebührensenkung angedeutet. Ok. In Wirklichkeit ist eine solche ausgleichende Gebührensenkung nicht in Sicht. Und ja, man könnte das für ein Foppen der Befragten halten – aber die Zahlen, die dabei herauskommen, sind für die Auftraggeber der Studie so herrlich bestätigend.

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Doch ab und an findet sich in diesen Studien bemerkenswertes. So hat die Repräsentativumfrage von ARD und ZDF sich danach erkundigt, welche Medien eher unabhängige Informationen anbieten: der öffentlich-rechtliche Rundfunk, das sagten 33 der Befragten. Nur 26 Prozent meinten, das leisteten am ehesten die Privaten. Doch 34 Prozent entschied sich für keinen von beiden. Und das in dem Feld, in dem das Verfassungsgericht die Begründung für die notwendige Gebührenerhöhung erkannt hat.

Dabei bilden die Informationen zumindest im ZDF nicht den Schwerpunkt. So machten die Sendeminuten des Bereichs Information in der Primetime zwischen 19 und 23 Uhr nur 39,3 Prozent des Programms aus. Die Fiktion allein kommt auf 47,3 Prozent, die Unterhaltung auf 5,7 Prozent und der Sport auf 2,2 Prozent.

Der Schwerpunkt des ZDF liegt also in den Bereichen, in denen gerade die Jüngeren am leichtesten attraktive Alternativen finden: der Unterhaltung. So verkommt das Programm zum Seniorenspaß, das gilt besonders im Vorabendprogramm. Wenn die Rosenheim-Cops ermitteln, erreichen sie über 25 Prozent Einschaltquote. Doch bei den Menschen zwischen 14 und 59 Jahren sind es nur zwischen zehn und 15 Prozent.

Insgesamt lag der Marktanteil des ZDF 2020 bei 13,6 Prozent, der des Ersten bei 11,3 Prozent. Bei den 14- bis 49-Jährigen waren es aber nur 6,4 Prozent beim ZDF und die ARD mit 6,9 Prozent – in diesem Bereich bewegen sich die öffentlich-rechtlichen Sender auf Augenhöhe mit Vox.

Wollen ARD und ZDF mehr sein als eine Resterampe für Menschen, die keinen Prime-Anschluss haben oder nicht wissen, wie man Bild TV empfängt, müssen sie sich verändern. An der Stelle könnte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Bumerang für die Öffentlich-Rechtlichen werden. Denn das Gericht hat sich darauf bezogen, dass das Land Sachsen-Anhalt gegen seine Handlungspflicht verstoßen habe, als der Landtag über den Staatsvertrag mit der geplanten Gebührenerhöhung einfach nicht abgestimmt hat.

Sprich: Sich wegducken, reicht nicht. Will die Politik den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu aufstellen, muss sie das über die Rahmenbedingungen tun. Doch vermutlich wird eher das Bernsteinzimmer gefunden, als dass sich SPD, Grüne, Linke, FDP und CDU in dieser Frage einigen. SPD, Grüne und Linke empfinden keinen Handlungsdruck angesichts eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dessen Mitarbeiter nach eigenem Bekunden zu 90 Prozent eine dieser Parteien wählen würden. Und die FDP ist medienpolitisch zu schwach aufgestellt, da sie als einzige der fünf Parteien keine Staatskanzlei besetzt.

Bleibt die Union. Doch in der Medienpolitik ist die CDU noch ratloser als in anderen Politikfeldern. 16 Jahre lang hielten ARD und ZDF der Bundeskanzlerin treu die Fahne, darauf ruhten sich die Christdemokraten aus. Nun erleben sie den Alptraum eines Wahlkampfs, in dem sich öffentlich-rechtliche Mitarbeiter für das rot-grüne Original aussprechen, da das rot-grüne Chamäleon weg ist.

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Eine gemeinsame, gestalterische Medienpolitik ist also auf lange Sicht nicht zu erwarten. Doch es gibt eine weitere Möglichkeit, Gebührenerhöhungen zu stoppen: Wenn sie unverhältnismäßig sind. 2020 sind die Löhne nach langen Jahren des Wachstums erstmals rückläufig gewesen. Eine Folge der Corona-Politik. Für 2021, das mit einem halben Dutzend „Nur noch vier Wochen durchhalten“-Lockdowns gestartet ist, ist eine ähnliche Entwicklung möglich.

Für ARD und ZDF bedeutet das eine Zwickmühle. Egal wo sie die Steine hinstellen, drohen sie geschlagen zu werden: Das ZDF erwartet für dieses Jahr ein Defizit von 206,5 Millionen Euro. Dabei ist im Ertrags- und Aufwandsplan die Gebührenerhöhung bereits berücksichtigt. Sparen müsste der Sender vor allem an seinen Pensionen – allerdings ist das angesichts bestehender Verpflichtungen nicht so einfach: Alleine für die alten Tage des ehemaligen Intendanten Thomas Bellut stellt das ZDF über 5 Millionen Euro zurück.

Gleichzeitig müssen ARD und ZDF im Programm umbauen: Die Angriffe privater Medien im Netz abwehren, wenn es um Nachrichtenkompetenz geht. Und im Unterhaltungsbereich jünger werden. Eigentlich bräuchte es dafür Reformen und die müssten wiederum von der Politik flankiert werden. So werden ARD und ZDF weiter wursteln, ihre Programme mit durchgenudelten Serien wie Monk auf ZDF „Neo“ strecken und zusehen, wie weiter Zuschauer abwandern oder wegsterben.

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Kommentare ( 23 )

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Scotty60
2 Jahre her

Bild-TV und die Privaten sind keine wirkliche Alternative zu den Öffentlich-Unrechtlichen, denn es ist der gleiche Einheitsbrei. Ok, Bild gibt sich zur Zeit scheinbar etwas oppositionell, was aber harmlos ist. Außerdem dürfte es eine temporäre Erscheinung sein, denn den Chefredakteur Julian Reichelt hat man schon versucht loszuwerden, erfolglos. Und solange Friede Springer eine Duzfreundin von Frau Merkel ist, dürftte der Aktionsradius der Bild determiniert sein. Och es gibt finanzielle Defizite? Bei den Pensionen und Intendantengehältern (300-400.000 €/anno) kein Wunder! Die Pensionen beim ÖR müssen paradiesisch sein, 2,5 Milliarden Euro, sprich typisch 75 %, mehr als bei Beamten. Die NZZ spricht… Mehr

Scotty60
2 Jahre her

Bild-TV und die Privaten sind keine wirkliche Alternative zu den Öffentlich-Unrechtlichen, denn es ist der gleiche Einheitsbrei. Ok, Bild gibt sich zur Zeit scheinbar etwas oppositionell, was aber harmlos ist. Außerdem dürfte es eine temporäre Erscheinung sein, denn den Chefredakteur Julian Reichelt hat man schon versucht loszuwerden, erfolglos. Und solange Friede Springer eine Duzfreundin von Frau Merkel ist, dürftte der Aktionsradius der Bild determiniert sein. Och es gibt finanzielle Defizite? Bei den Pensionen und Intendantengehältern (300-400.000 €/anno) kein Wunder! Die Pensionen beim ÖR müssen paradiesisch sein, 2,5 Milliarden Euro, sprich typisch 75 %, mehr als bei Beamten. Die NZZ spricht… Mehr

Grenz Gaenger
2 Jahre her

„und RTL hat mit dem Triell gezeigt, dass politische Bildung auf den Privaten nicht schlechter funktioniert, als in ARD oder ZDF.“

Stimmt – kann man nicht widersprechen. Das bislang gezeigte niedrige „Niveau“ der ÖR konnte selbst RTL nicht unterbieten.

Wolf Koebele
2 Jahre her

Und dann muß ich einen Lobesartikel lesen, der die Dauerwiederholungen rühmt, weil sie unter „Retro“ laufen. Etikettenschwindel, der von der Verbraucherzentrale gerügt werden müßte.

K.Behrens
2 Jahre her

Nehme ich nur einen aus dem Apparat des NDR, Hubertus Meyer-Burckhardt! Der läuft im Hamburger Stadtpark mit „privater Trainerin“ rum. Auf meine persönliche Ansage, dass er ungeschminkt etwas neben der Spur ist? Sehr schwierig, der Herr möchte ausschließlich ob seines „intellektuellen Verstandes“ wahr genommen werden. Möglicherweise ist dieses Exemplar-Alt-Herren-Riege-talk dafür verantwortlich, wie deutsche Männer wahr genommen werden? Aus meiner weiblichen Sicht nicht mal ein Komiker! Dazu die Komiker im „Rundfunkrat“ des NDR…da fließt Kohle ohne Ende für den „Rundfunkrat“? Nur wer überprüft das „Rechnungswesen des NDR“, bei aller deutscher Gründlichkeit sollte dafür Zeit sein!

Ben Goldstein
2 Jahre her

Die Zuschauer von ARD und ZDF sind die verlässlichsten Wähler. Die gucken Tatort und Rosenheimcops und wählen CDU-SPD-Grün. Wenn doch einmal das Stromnetz zusammenbricht und die Nachbarschaft in rassischen Unruhen hochgeht, werden Dieselgeneratoren beigefahren, damit der Schwedenkrimi weiterläuft. Da kann ein Komet einschlagen und die Sonstwas-SOKO aus dem Nest von sonstwo wird weiterermitteln. Erst wenn der letzte Spießer den Löffel in den Couscous abgibt, gehen die Lichter aus. Bis dahin sendet man zur Not auf Youtube weiter.

Berlindiesel
2 Jahre her

Ich vermisse in diesem Beitrag eine Reflexion darüber, wozu wir überhaupt einen per Zwangssteuer finanzierten staatlichen Rund- und Fernsehfunk brauchen. Den Beitrag von Herrn Thurnes, der ja im Feuilleton erscheint und somit nicht ein Meinungsstück ist, sondern für die Redaktionsmeinung von TE steht, vermeidet diese Fragestellung und hält sich an Oberflächlichkeiten auf, so der systemwidrigen Werbung im ÖRR, oder dem Anteil an Unterhaltung. Ich würde TE einmal bitten, zu fragen, warum wir nie eine öffentlich-rechtliche Zeitung hatten? Oder Bäckereien. Sie lachen? Der Zustand der Brotversorgung hatte schon immer das Zeug, eine Revolution anzuzetteln. Ohne Brot verhungern wir. Warum gibt es… Mehr

Zylinderbohrung
2 Jahre her
Antworten an  Berlindiesel

Sie sprechen mir sowas von aus der Seele! Ich sehe das vor allem beim Radio so. Wie soll ein Sender gegen SWR3 ankommen? Oder 1Life ?

Biskaborn
2 Jahre her

Zwei Anmerkungen zu dem interessanten Artikel. Die Privaten sind längst auf stramm Grün-Linken Kurs eingeschwenkt, kaum oder besser kein Unterschied demzufolge keine Alternative zu den ÖRR, siehe zuletzt die Kanzlerkandidatenrunde, was waren das für jämmerliche Fragen! Eine Partei, die wurde hier glatt vergessen, stemmt sich als Einzige gegen diesen zwangsfinanzierten ÖRR in der aktuellen Form!

Guzzi_Cali_2
2 Jahre her

Ich habe seit über 30 Jahre keinen Fernseher mehr und seit gut 25 Jahren auch kein Radio, muß aber für etwas, was ich – wenn ich unbedingt wollte – übers Internet anschauen KÖNNTE, trotzdem zahlen. Dabei wäre es so einfach: Technisch zeigen die Streamer wie das geht.Entweder volles Program, Partikularinteressen oder Einzelsendungen. Aber da würden die ÖR eingehen wie die Primeln. Was sie über kurz oder lang sowieso tun.

Scotty60
2 Jahre her
Antworten an  Guzzi_Cali_2

Die ÖRR müssen in Pay-TV umgewandelt werden! Mit gleichem Recht könnte z. B. die Senderkette Sky mit seinen etwa 30 (allerdings hochwertigen) Kanälen ebenfalls periodisch Geld fordern!

Takeda
2 Jahre her

Keine Reform der Welt wird den ÖRR retten können! Der Zug ist abgefahren und ein aufbäumen, wird eher ein Kampf gegen Windmühlen.

Netflix, Prime, Sky und wie sie alle heißen, schießen wie Pilze aus den Boden. Dokus, Filme, Serien uvm wann man will, wo man will. Ohne, pardon dummes, ideologisches, erzieherisches „Gelabber“… ohne Werbung.

Dafür zahle ich persönlich lieber, als ich eine sogenannte „Demokratieabgabe“ abdrücken muss(!).