Weniger Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger: Grundeinkommen durch die Hintertüre?

Statt bis zum Jahresende will die Bundesregierung ein ganzes Jahr die meisten Hartz-IV-Sanktionen lockern. Jobcenter und Wirtschaftsexperten sehen den Vorstoß kritisch. Droht ein Grundeinkommen durch die Hintertüre?

IMAGO / Michael Gstettenbauer

Bereits am Freitag hat der Bundestag zum ersten Mal darüber debattiert: Die Bundesregierung will die Sanktionen bei Pflichtverletzungen für Empfänger von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) aussetzen – vorerst für ein Jahr. Sie beruft sich dabei auf das Bundesverfassungsgericht, das 2019 eine Neuregelung bei Pflichtverletzungen von Arbeitslosen gefordert hatte. Die Mehrausgaben sollen 2022 nach Berechnung der Bundesregierung 12 Millionen Euro betragen.

Doch es geht um mehr. Das von der Ampel angedachte „Sanktionsmoratorium“ soll nur eine Zwischenlösung sein. Denn der eigentliche Plan lautet: Bürgergeld. Die SPD hat eine Neuregelung der Arbeitslosenhilfe schon lange im Blick. An Hartz IV hängt immer noch das Trauma der Agenda 2010. Die Sozialdemokratie ist bis heute tief bei diesem Thema gespalten. Das „Bürgergeld“ soll nicht nur die Erinnerung tilgen – sondern einen ideologischen Fehler korrigieren.

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Was genau sich die Ampel unter dem Bürgergeld vorstellt, bleibt dabei noch offen. Denn eigentlich hatte die Aussetzung nur von Juli bis Ende 2022 gelten sollen. Nun aber schwenkt die Ampel um, verlängert das Moratorium auf zwölf Monate. Das ist nicht zuletzt deswegen spannend, weil die FDP es als ihren Erfolg gegen SPD und Grüne verbucht hatte, dass vom Konzept „Fördern und Fordern“ nicht nur der erste Teil übrigblieb.

Die Befürchtung der Liberalen: Das Bürgergeld könnte das Einfallstor für ein bedingungsloses Grundeinkommen sein; eine Art Trojanisches Pferd, das Rot-Grün ins Sozialgesetz einschreibt und danach ausbaut. Die FDP hatte daher im Vorfeld auf eine Frist bis Ende 2022 bestanden; und wer Termine nicht einhält, so der Wunsch der Liberalen, sollte weiterhin eine Leistungskürzung von bis zu 10 Prozent bekommen. Nach Ablauf des Moratoriums sollen auch Kürzungen von bis zu 30 Prozent wieder möglich sein.

Bei der Konkretisierung der Pläne fand sich die FDP in einer sonderbaren Allianz wieder. Denn auch bei den Jobcentern befürchtet man offenbar, durch zu sanfte Sanktionen den Missbrauch zu befördern. Ohne Konsequenzen fällt es den Mitarbeitern schwer, den Arbeitssuchenden bei Pflichtverletzung zu drohen.

TE hatte bereits vor 2 Jahren über die angespannte Stimmung auf den Arbeitsämtern berichtet. Schon damals sagte eine Mitarbeiterin: „Das, was ich da an Sanktionen habe, das ist wirklich nichts.“ Die „Sanktionsgeschichte“ würde von den Medien „hochgespielt“. Die Wirklichkeit sähe anders aus. Es werde massiv betrogen. „Letztendlich war das für uns Geldleister das einzige Druckmittel, Leistungen dann eben einzustellen.“

Selbst die Süddeutsche Zeitung, die wenig für ihre marktradikale Ader bekannt ist, berichtet über den Aufschrei in den Jobcentern: „Ohne Sanktionen tanzen uns Hartz-Empfänger auf dem Kopf herum“, titelt das Münchener Blatt.

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Auch bei der öffentlichen Anhörung von Sachexperten zum Thema für Arbeit und Soziales herrscht Uneinigkeit. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, bezeichnete die jetzige Sanktionspraxis als „ganz vernünftig“. Klagen und Konflikte gebe es wenige. Rechtswissenschaftler Professor Gregor Thüsing kritisierte den Gesetzentwurf, weil er „tief“ in den Grundsatz des Forderns und Förderns eingreife. Der jetzige Zustand sei „verfassungskonform“.

Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln erklärte, dass die Sanktionen sich „kurzfristig förderlich“ auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auswirkten. Die Sanktionen seien beizubehalten und wie vom Bundesverfassungsgericht bestätigt anzuwenden. Demnach sei eine „Totalsanktion“ bei Totalverweigerung möglich. Dies sei auch wichtig im Sinne der Gerechtigkeit gegenüber anderen Hartz-IV-Empfängern. Diese sprächen sich dafür aus, dass sich alle an die Regeln hielten.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Caritas, die Diakonie und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierten die Sanktionen und begrüßten deren Aufhebung.

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Kommentare ( 29 )

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Jan des Bisschop
2 Jahre her

Ich bin für das bedingungslose Grundeinkommen, es sollte aus 3 Mahlzeiten täglich, einer nächtlichen Unterkunft, körperliche und Kleidungshygiene und einer medizinischen Basisgrundversorgung bestehen. Jeder der mehr will muss arbeiten, dafür können die Bürger Arbeitsangebote schaffen. Die Bürger können die Kosten Vorsteuer geltend machen. Für die Arbeitnehmer bleibt der Lohn bis zu einer Grenze steuerfrei, die ihm ein normales Leben ermöglicht, nur die Sozialversicherung steigt, aber diese wird so umgestellt, dass wirklich jeder einzahlt, dadurch sinken die Beiträge. Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung werden zur Individualversichuerng, Krankenversicherung wird zur Basisbürgerversicherung, Jeder kann Zusatzversicherungen abschließen, wenn er es will, jeder kann auch seine Eigenbeteiligung… Mehr

bruecke222
2 Jahre her

Vollständige Enteignung ist Programm des Great Reset.
Diese Enteignung läuft über Verschuldung. Schulden die über Enteignung des Volkes abgebaut werden.
Wenn nun Ukrainern, die nach Deutschland kommen Hartz4 geboten wird ist der Weg für globales Grundeinkommen geöffnet. Wieviel dann den Deutschen bleibt kann sich jeder ausrechnen.

Monika
2 Jahre her

Ich bin ja mal gespannt, wann die vom Club Med in der EU merken, daß Deutschland derzeit alles dafür tut, demnächst kein Geld und- viel wichtiger für die Schuldenkünstler- keine Bonität mehr zu haben. Die Infrastruktur in Deutschland ist schon ziemlich abgerockt, wenn demnächst keine Energie mehr für die Produktion mehr da ist, dann wird es eng. Eigentlich gehörte derzeit jeder Euro in eine moderne Ertüchtigung des Landes gesteckt, gemacht wird das Gegenteil, die „Armen“ werden mit Geld ruhiggestellt, für das sie nichts leisten müssen. Interessant wird, ab welchem Anteil an Leistenden die Sache kippt, denn ich kann mir nicht… Mehr

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Der DGB versteht sich schon länger eher als Interessenvertretung der Arbeitslosen und nicht der Arbeiter.

pbmuenchen
2 Jahre her

Womöglich werden einige noch froh darüber sein, denen es jetzt nicht passt, wenn es hier so weiter geht…

ketzerlehrling
2 Jahre her

Dieses Grundeinkommen ist dann der Garant für „flächendeckende und generationsübergreifende“ Armut im Land. Die Pferdefüße, die dieses Grundeinkommen beinhaltet, darüber schreibt niemand.

Sani58
2 Jahre her

Klar, weil die meisten „nix verstenn “ und sowieso nicht mit Sanktionen belegt werden. Wie in der DDR oder im sozialistischen Polen, Bulgarien, Tschechien….. Leistung lohnt selten. Und wie dazumal bald auch hier, auch für Geld gibt’s nicht viel. Oder nur mit Beziehungen.

Kantig
2 Jahre her

Sanktioniert kann man doch nur die, die noch Anstand besitzen oder Menschen die immer arbeiten gegangen sind und aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr können. Aber die müssen erstmal das verdiente und erarbeitet haben versilbern. Die Anderen interessiert das überhaupt nicht ausserdem haben die Angst vor denen. War mal beim Arbeitsamt mit einem abgelaufenen Ausweis…. man, man. Hätte meinen Pass lieber wegwerfen………

Last edited 2 Jahre her by Kantig
Bernd Bueter
2 Jahre her

Endlich!
Die Rente ab Schulabschluss.

Pech für Wilhelmshaven. Die Hartz 4 Hauptstadt verliert ihre Stammbewohner.
Das Bedingungslose Grundeinkommen, immer frisch ins Ausland überwiesen und es lebt sich dort dann gender-, grün- und arbeitsfrei wie im Paradies.
Die Superdoofen, die so blöd sind, hier noch für die grün-roten zu arbeiten und die sogar immer wieder wählen, kriegen zur Belohnung noch mehr LAUTERLÜGEN.

Tizian
2 Jahre her

Die wissen schon, wen sie alles ruhigzustellen haben und natürlich auch, wer das alles zu bezahlen hat. Denn natürlich beißt man nicht die Hand, die einen füttert. Nicht ohne Grund bringt der Staat immer mehr Menschen in die soziale und finanzielle Abhängigkeit, egal wie es den „Finanzierenden“ geht. Bei denen klärt das im Zweifel das Finanzamt, falls nötig „unbürokratisch“ schnell bis zur Kontopfändung. Diese Probleme hat der „Alimentierte“ nicht und deshalb ist für den auch alles paletti in Schland.