Meldestellen, Denunziation, Anzeigenwut: Das Vertrauen in rechtsstaatliche Prozesse erodiert. Was ist zu tun, sollte man selbst einer Hausdurchsuchung unterworfen werden? Von Michael R. Moser
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Als rechtschaffener und unbescholtener Bürger hat man nichts zu befürchten, lautet eine landläufige Ansicht. Doch zahlreiche Fälle zeigen: Bereits harmlose Äußerungen in den sozialen Medien können im Prinzip jedem zum Verhängnis werden in einer Gesellschaft, in der Meldestellen „gegen Hass“ betrieben werden und in der Denunziation blüht.
Wie sollte man sich im Falle einer Hausdurchsuchung verhalten?
Zunächst gilt: Konsultieren Sie so schnell wie möglich und immer einen Rechtsanwalt. Eine Hausdurchsuchung ist eine ernste Maßnahme, die nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist. Bleiben Sie ruhig und kooperativ, um Eskalationen zu vermeiden.
Wichtig: Sie müssen die polizeiliche Maßnahme „über sich ergehen lassen“. Bitten Sie aber den leitenden Beamten oder Staatsanwalt vor Ort, Ihren Widerspruch gegen die Maßnahme in das Protokoll aufzunehmen. Geben Sie keine Unterlagen oder Gegenstände freiwillig heraus, sondern bestehen Sie auf einer förmlichen Beschlagnahme, das gilt insbesondere für Berufsgeheimnisträger wie Ärzte oder Steuerberater.
Für den Umgang mit der Hausdurchsuchung bietet es sich an, drei Phasen zu unterscheiden und getrennt zu betrachten: Vor der Tür, während der Durchsuchung und danach.
1. Vor der Tür: Erste Reaktion und Überprüfung
Bleiben Sie ruhig und höflich: Atmen Sie tief durch, seien Sie freundlich und respektvoll gegenüber den Beamten, diese erledigen auch nur, wozu sie verpflichtet sind. Vermeiden Sie Widerstand, Beleidigungen oder Versuche, die Durchsuchung physisch zu verhindern – das könnte zu weiteren Vorwürfen führen (zum Beispiel Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte).
Prüfen Sie die Identität der Beamten: Lassen Sie sich die Dienstausweise zeigen und notieren Sie Namen, Dienstgrade und Funktionen. Das hilft bei späteren Nachfragen oder Beschwerden.
Fordern Sie den Durchsuchungsbeschluss: Lassen Sie sich den richterlichen Beschluss vorlegen. Er muss den Grund, den Umfang und die zu suchenden Beweise angeben. Wenn kein Beschluss vorliegt (zum Beispiel wegen „Gefahr im Verzug“), weisen Sie höflich darauf hin, dass normalerweise ein richterlicher Beschluss erforderlich ist. Kopieren Sie den Beschluss (zum Beispiel per Foto mit dem Smartphone).
Widersprechen Sie der Durchsuchung: Äußern Sie klar Ihren Widerspruch und lassen Sie ihn im Protokoll vermerken. Das ermöglicht es später, die Verwertbarkeit gefundener Beweise später vor Gericht klären zu lassen.
2. Während der Durchsuchung: Beobachtung und Rechte wahren
Kontaktieren Sie sofort einen Rechtsanwalt: Rufen Sie einen Strafverteidiger bzw. Fachanwalt für Strafrecht an – Sie haben das Recht, jederzeit einen Rechtsanwalt zu konsultieren, und die Beamten müssen das ermöglichen. Bitten Sie, mit der Durchsuchung zu warten, bis der Anwalt eintrifft – die Polizei ist allerings nicht verpflichtet, auf den Rechtsanwalt zu warten. Sprechen Sie ausschließlich ohne Zuhörer mit Ihrem Anwalt.
Nutzen Sie Ihr Schweigerecht: Machen Sie keine Aussagen zur Sache, auch nicht in beiläufigen Gesprächen. Vermeiden Sie, aus Nervosität zu „plappern“. Die Polizei ist in diesem Fall nicht Ihr Freund – alles, was Sie sagen, wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden! Sagen Sie nur das Nötigste: Gesetzlich verpflichtet sind Sie nur zu den „Angaben zur Person“ nach Par. 111 OWiG. Unterschreiben Sie nichts! Das schützt Sie vor Selbstbelastung.
Ziehen Sie Zeugen hinzu: Fordern Sie die Anwesenheit von Zeugen (zum Beispiel Nachbarn oder Vertraute), um den Ablauf zu dokumentieren. Das gilt besonders, bis Ihr Rechtsanwalt da ist.
Bleiben Sie anwesend und beobachten Sie: Sie haben das Recht, bei der Durchsuchung dabei zu sein (nicht die Pflicht). Kontrollieren Sie, ob nur die im Beschluss genannten Räume durchsucht werden. Verlangen Sie eine raumweise Vorgehensweise, um besser zu überwachen. Behindern Sie die Beamten nicht aktiv, etwa indem Sie Beweise verstecken oder vernichten.
Schützen Sie sensible Daten: Geben Sie keine Passwörter, PINs oder Gegenstände freiwillig heraus. Verlangen Sie die Versiegelung von Schriftstücken oder Unterlagen, um unbefugten Zugriff zu verhindern.
Dokumentieren Sie Beschlagnahmen: Notieren Sie, welche Gegenstände beschlagnahmt werden. Fordern Sie Kopien der Unterlagen und ein Protokoll der Durchsuchung. Überprüfen Sie, ob Ihr Widerspruch darin vermerkt ist.
3. Nach der Durchsuchung: Nachsorge und Dokumentation
Dokumentieren Sie Schäden: Fotografieren Sie entstandene Schäden (zum Beispiel aufgebrochene Türen) und notieren Sie Zeugen. Das hilft bei Schadensersatzansprüchen. Fotografieren oder filmen Sie hingegen nicht einzelne Polizeibeamten – dem widerspricht das Recht am eigenen Bild.
Erstellen Sie ein Gedächtnisprotokoll: Schreiben Sie direkt im Anschluss alle Details auf – Ablauf, Gespräche, Funde). Erinnerungen verblassen schnell, und das Protokoll kann für Ihre Verteidigung nützlich sein.
Auch nach der Durchsuchung: Lassen Sie prüfen, ob die Maßnahme rechtmäßig war. Sie können gegen Beschlagnahmen vorgehen oder Schadensersatz verlangen, wenn Schäden entstanden sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Sie sind zur Duldung der polizeilichen Maßnahme verpflichtet, aber nicht zur aktiven Mitwirkung.
Bei Firmendurchsuchungen sollten Sie Mitarbeiter über ihr Schweigerecht informieren. Diese sollten möglichst keine Aussagen machen.
Wenn Sie unsicher sind, ob die Durchsuchung rechtmäßig ist, zum Beispiel wenn sie ohne Durchsuchungsbeschluss bei behaupteter „Gefahr im Verzug“ vorgenommen wird, notieren Sie alles und lassen Sie es später von Ihrem Rechtsanwalt prüfen.
Durchsuchungsbeschluss konkret
Wie können Sie sichergehen, dass der Durchsuchungsbeschlusses formal korrekt ist? Betrachten wir die Mindestinhalte eines solchen Dokuments.
Eine richterliche Durchsuchungsanordnung greift schwerwiegend in die durch Art. 13 GG geschützte räumliche Privatsphäre ein. Deshalb gelten hohe Anforderungen an Bestimmtheit und Begründung. Ein Durchsuchungsbeschluss muss daher mindestens Folgendes eindeutig enthalten:
1. Konkreter Tatvorwurf
Kurze, aber möglichst genaue Umschreibung der zu untersuchenden Straftat (Tatart, wesentliche Tatmodalitäten, relevanter Tatzeitraum). Pauschale Formulierungen wie „Steuerhinterziehung“ sind unzureichend; bei Steuerdelikten gehören etwa Steuerart und einschlägige Normen zur Mindestkonkretisierung. Der Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die erst einen Anfangsverdacht begründen würden.
2. Betroffene Personen, Verdächtige oder Dritte (zum Beispiel Zeugen)
Der Durchschuchungsbeschluss muss die Person des Beschuldigten bzw. des Betroffenen benennen; bei Durchsuchungen nach § 103 StPO (bei Dritten) muss die Beziehung zur Tat und der Zweck der Durchsuchung erkennbar sein.
3. Durchsuchungsobjekt
Auch eine präzise Bezeichnung des Ortes und Objekts ist notwendig: Wohnung und Anschrift, Räume, Nebenräume, ggf. Fahrzeuge oder andere Orte/Gegenstände, die durchsucht werden sollen.
4. Zweck der Durchsuchung
Es braucht eine klare Angabe, weshalb durchsucht wird (zum Beispiel Auffinden bestimmter Beweismittel), um den „äußeren Rahmen“ der Maßnahme abzustecken und die Durchführung messbar und kontrollierbar zu machen.
5. Gesuchte Beweismittel
Die gesuchten Beweismittel, die die Polizei sicherstellen soll, müssen möglichst genau bezeichnet sein, insbesondere nach der Art und des Inhalts der Beweismittel, nach denen gesucht werden soll – zum Beispiel „Rechnungen und Kontounterlagen für den Zeitraum 01/2022–12/2023“ statt „sämtliche Unterlagen“. Pauschale „Catch-all“-Formeln sind regelmäßig unzulässig, wenn eine Konkretisierung ohne Nachteile für das Verfahren möglich ist.
6. Richterliche Eigenverantwortung und Kontrolle
Der Richtervorbehalt verlangt eine eigenverantwortliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen; die richterliche Anordnung ist keine Formsache. Der Beschluss muss die Maßnahme so begrenzen, dass der Betroffene sie kontrollieren und Ausuferungen entgegentreten kann.
7. Verhältnismäßigkeit
Eine nachvollziehbare Abwägung, dass die Maßnahme im konkreten Fall erforderlich und angemessen ist, muss sich aus dem Beschluss ergeben. Schematische oder formularmäßige Begründungen ohne Einzelfallbezug deuten darauf hin, dass die erforderliche richterliche Prüfung nicht stattgefunden hat.
8. Zeitliche Eingrenzung des Tatgeschehens
Der Durchsuchungsbeschluss muss eine Tatzeit oder einen relevanten Zeitraum angeben; fehlt jede zeitliche Eingrenzung, kann der Beschluss seiner Begrenzungsfunktion nicht gerecht werden und dürfte rechtswidrig sein.
9. Form und Dokumentation; „Gefahr im Verzug“
In einfach gelagerten Fällen kann eine richterliche Anordnung ausnahmsweise mündlich erfolgen, muss aber zeitnah schriftlich dokumentiert werden. Bei „Gefahr im Verzug“ dürfen Ermittlungsbehörden ausnahmsweise ohne vorherige richterliche Entscheidung handeln; die konkreten Gründe der Eilkompetenz sind zu dokumentieren, und es muss eine nachträgliche richterliche Kontrolle gewährleistet sein. Diese Überprüfung erfolgt dann durch Ihren Rechtsanwalt.
Michael R. Moser ist Rechtsanwalt und Mediator mit Kanzleisitzen in Zürich, Karlsruhe und am Bodensee.




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Der ganze Text fußt auf einem verhängnisvollen Irrtum: er geht davon aus, dass wir immer noch in einem Rechtsstaat leben. Zu dieser Frage bitte Prinz Reuß anhören (3 Jahre Haft für nichts), Herrn Ballweg (3/4 Jahr Haft für Bon zu 19 Euro in der Steuererklärung falsch verbucht), Herrn Elsässer (der GAR NICHTS davon hat, dass seine perfekt abgefilmte Hausdurchsuchung nun als rechtswidrig eingestuft wird) oder Herrn Bolz, dessen Hausdurchsuchung selbst dem fröhlichsten Optimisten endgültig klargemacht haben müsste, in was für einem Staat wir mittlerweile leben. Dazu bräuchten wir noch nicht einmal die Geständnisse der 3 Göttinger Staatsanwälte im US-Fernsehen –… Mehr
So ist’s. Machen Sie’s wie ich und verlassen Sie dieses hoffnungslose Land solange Sie’s noch koennen ohne weitere Nachteile erleiden zu muessen. Man hat nur ein Leben!
Ich liebe dieses Land und werde hier bleiben, auch wenn die Union gemeinsam mit den anderen sozialistischen Parteien gerade ein neues klimaneutrales Paradies mit feministischem Anstrich errichtet. Erst wenn sie beginnen, das Paradies zu umzäunen und Paradiesflucht zu bestrafen, werde ich fliehen. Ich hoffe, dass ich dabei nicht auf eine Mine trete oder erschossen werde.
Die meisten Menschen kennen keinen Anwalt, der sich früh um 6 aus dem Bett klingeln läßt und 1h quer durch die Stadt fährt, um beim Mandanten zu sein, wenn die Polizei schon wieder abgezogen ist.
Und auch der Anwalt kann sich den polizeilichen Anordnungen nur fügen … auch wenn sie falsch sind.
Kooperation erscheint mir persönlich in solchen Fällen das Gebot der Stunde.
Was danach kommt, ist wie eine Schiffahrt auf hoher See.
Mein Glaube an einen funktionierenden Rechtsstaat – zumindest in politischen Belangen – geht gegen Null.
Was steht wohl als Begründung in der richterlichen Anordnung bei Hausdurchsuchung wegen Beleidigung? Wird nach Worten gesucht ?
Warum werden solche richterlichen Anordnungen nicht wenigstens nachträglich höchst richterlich auf Rechtmäßigkeit geprüft? Das wäre mal eine journalistische aktivistische Aufgabe. Aber dort wohl kein Interesse.
Alternativ dazu wären Panzerstahltür, vergitterte Fenster mit Rollläden (alles Kruppstahl) und ein Notvorrat an Lebensmitteln zu empfehlen.
Das Problem ist nicht, ob die genannten Ratschläge praktikabel und nützlich sind oder realitätsfremd. Sondern, dass die Zahl von Hausdurchsuchungen wegen Nichtigkeiten so zugenommen haben, dass jemand die Notwendigkeit sieht, solche Tipps überhaupt prophylaktisch zu geben. Noch vor fünf Jahren wäre ein solcher Artikel Satire gewesen.
Lieber Herr Moser, danke für den aufklärerischen Artikel und Ihren nötigen Pragmatismus. Aber die Tatsache, daß man so einen juristischen Tippgeber veröffentlicht, zeigt wie es um dieses Deutschland bestellt sein muß.
Leider muss ich mich meinem Vorredner anschließen, Deutschland ist kein Rechtsstaat, sondern ein korrupter Unrechtsstaat. Meine eigenen beruflichen Erfahrungen aus 45 Jahren Selbstständigkeit, die Justiz ist bewiesen Staats hörig und täglich werden hunderte Unrechtsurteile“ im Namen des Volkes“ gesprochen. Der entscheidende Punkt ist, niemand glaubt das, bedauerlicherweise, bis….ja bis es bei ihm klingelt, ihr leben aus den Fugen gebracht wird, dein Eigentum wird beschlagnahmt, man kommt in Untersuchungshaft und man denkt, das kann nur ein Albtraum sein. Nein ist es nicht, da erklärt dir ein betrunkenes Amtsrichterlein was du für ein böser bist. Das ist Deutschland….2025 ich kann nur warnen… Mehr
Ergänzend, falls eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat während sie nicht zu Hause waren, rufen sie die Polizei über Notruf und melden einen Einbruch. Derweil nichts anfassen, nur fotografieren.
Anwaltliche Vertretung braucht es wenn es vor Gericht geht, aber auch Anwälte müssen auf sich aufpassen, das ihnen nicht die Zulassung entzogen wird. Sehe mit wie viel Anwälten bei Prominenten Prozessen angetreten wird, das hat sein Grund.
! Das ist keine juristische Beratung, nur so ein Tip vom Nachbarn.
Als ehemals aktiver Kriminalbeamter möchte ich zu Ziffer 5 Ihrer sehr präzisen Ausführungen anmerken, dass der Durchsuchungszweck regenmäßig entfällt und die Durchsuchung beendet werden muss, wenn der Beschuldigte die beschriebenen Beweismittel an die Polizei übergibt, so dass sie sichergestellt oder ggf. beschlagnahmt werden können. In diesem Fall wäre die Durchsuchungsmaßnahme abgeschlossen.
Für die vollziehenden Polizeibeamten ist zu beachten, dass sie bei vorliegen eines offenbar rechtswidrigen Beschlusses der Remonstrationspflicht unterliegen.
Ist es eigentlich höchstrichterlich abgesegnet, dass das Recht eines Polizisten am eigenen Bild höher wiegt als mein Recht auf Unverletzlichkeit meiner Wohnung?
Der Betroffene ist für die Zeit der Hausdurchsuchung ein Gefangener,
welcher den Polizeianweisungen zu folgen hat – sonst, Wiederstand gegen die Staatsgewalt(sic)
„Sie sitzen sich jetzt da auf das Sofa und bleiben da sitzen“
Wenn sie pinkeln gehen wollen müssen sie um Erlaubnis fragen.
Sie müssen endlich begrifen – Leibeigenschaft wurde nicht abgeschaftt – blos die Herren haben gewechselt.