Gericht will Ausmaß der Unterwanderung der AfD durch Verfassungsschutz prüfen

Im Rechtsstreit zwischen AfD und Verfassungsschutz will das Oberverwaltungsgericht Münster klären, bis zu welchem Grad die AfD durch Spitzel des Verfassungsschutzes unterwandert wurde. An dieser Frage scheiterte 2003 bereits das Verbotsverfahren der NPD.

IMAGO / Bihlmayerfotografie

Bis zu welchem Grad ist die AfD durch V-Leute unterwandert? Die Beantwortung dieser Frage wird am 12. und 13. März in Münster das Oberverwaltungsgericht beschäftigen, denn vom Entscheid der Richter wird abhängen, ob der Verfassungsschutz auch weiterhin die Partei als rechtsextremen Verdachtsfall bezeichnen darf.

Es ist nicht einmal mehr ein offenes Geheimnis, dass der Verfassungsschutz eine beträchtliche Zahl von Parteimitgliedern für seine Zwecke anwerben konnte. Bereits 2020 offenbarte der Leiter des Brandenburger Landesamts, Jörg Müller, dass man sich über die Anwerbung von AfD-Mitgliedern in Brandenburg „nicht beklagen“ könne, laut Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen verfüge man mittlerweile über eine „zweistellige“ Zahl an V-Leuten in der Brandenburger AfD.

Vor Gericht wird zu klären sein, inwiefern diese Spitzel einen „steuernden Einfluss“ auf die AfD gehabt haben. Denn an genau dieser Frage scheiterte bereits 2003 das Verbotsverfahren der NPD, als sich herausstellte, wie viele V-Leute tatsächlich in der Partei aktiv waren. Das Bundesverfassungsgericht begründete seine damalige Entscheidung unter anderem damit, dass nicht mehr klar erkennbar war, welche Positionen die NPD womöglich bloß deshalb einnahm, weil die Spitzel des Verfassungsschutzes durch ihre hohe Zahl einen „steuernden Einfluss“ auf die Partei gehabt hatten.

Tragen Agenten Mitschuld an radikalen Aussagen?

Diese Frage stellt sich nun auch im Hinblick auf die angebliche Radikalisierung der AfD, zumal ein Gesetz, das nach dem gescheiterten Verbotsverfahren der NPD in Kraft trat, besagt, dass der Verfassungsschutz keine Abgeordneten anwerben dürfe. Dies eingehalten zu haben, soll der Verfassungsschutz nun vor Gericht förmlich versichern.

Wie problematisch die massenhafte Unterwanderung durch den Verfassungsschutz sein kann, zeigt sich auch an den sogenannten „virtuellen Agenten“, den hauptamtlichen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, die sich im Internet unter falscher Identität als Rechtsextreme positionieren. Denn diese Agenten dürfen im Rahmen ihrer Spitzelarbeit auch gewisse Straftaten, zum Beispiel Volksverhetzung, begehen. Dies geschieht vor allem in Chatgruppen und sozialen Netzwerken, deren Überwachung aber gleichzeitig die Basis für den Bericht des Verfassungsschutzes zur vermeintlichen Radikalität der AfD bildet.

So stellt die Süddeutsche Zeitung die Frage, ob V-Leute und „virtuelle Agenten“ nicht einen entscheidenden Beitrag zur Radikalisierung des Umgangstons in bestimmten Chatgruppen geleistet haben. Der Autor des Beitrags, Ronen Steinke, keineswegs sparsam mit Kritik an der Partei und ihren Vertretern, postete bereits im Herbst 2022 bemerkenswertes zu dem Thema.

Bislang gibt sich der Verfassungsschutz äußerst bedeckt und betont, die „Relevanz“ der Frage nach den V-Leuten sei „nicht erkennbar“, sodass „zur Vermeidung unnötiger Ausführungen“ erst mal nichts verlautbart würde. Es bleibt abzuwarten, ob die Richter in Münster sich damit abspeisen lassen.

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Kommentare ( 55 )

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fatherted
2 Monate her

Erinnert irgendwie an diese NPD Geschichte….am Schluss bestand fast die ganze NPD aus V-Leuten die sich vom VS bezahlen ließen….und sich gegenseitig absprachen, was nun über wen mal wieder mal „durchgestochen“ werden sollte. Wenn der VS nun V-Leute in die derzeitige „rechte Szene“ (was auch immer das sein soll) einschleust und diese dort Straftaten (Hass und Hetze) begehen oder dazu aufrufen….fragt sich….ob nicht fast die ganze Szene aus solchen V-Leuten besteht….man „kämpft“ also gegen etwas, dass man selbst implementiert? So verstehe ich die ganze Sache derzeit….man mag mich korrigieren wenn ich falsch liege.

Autour
2 Monate her
Antworten an  fatherted

Sie liegen absolut richtig! Und das passiert was die rechte Szene angeht bereits seit den 90ern!

Britsch
2 Monate her
Antworten an  fatherted

auch so Manches, was als „rechtsextreme Anschläge“ propagiert und aufgeblasen wird kommt mir vor, daß es eher von Anderen begangen wurde um es „den Rechten“ in die Schuhe zu schieben und einen Grund zu haben gegen Diese vorzugeben.

Warte nicht auf bessre zeiten
2 Monate her

In neuen Parteien sammeln sich Egomanen. Egomanen sind von der eigenen Überlegenheit überzeugt. Deshalb gehen viele auch davon aus, mit anderen „spielen“ zu können, warum nicht auch mit dem Verfassungsschutz? Nicht jeder V-Mann ist automatisch ausschließlich ein Spitzel. Auch für den Dienst ist so ein Spiel nicht ohne Risiko, wie man an der DDR-Opposition gesehen hat. Die prominenten IM haben letztendlich durch ihre „Rückversicherung“ beim MfS die Gruppen erst richtig nach oben gebracht. Natürlich war das menschlich gesehen Verrat, politisch aber nicht nur, jedenfalls nicht in jedem Fall. Solange Dienste denken, es unter Kontrolle zu haben, lassen sie es laufen.… Mehr

Evero
2 Monate her

V-Leute des Geheimdienstes in politischen Parteien. Ich weiß nicht, wie ich das nennen soll, ohne mich nach den neuen selbstverordneten Naziregeln der Innenministerin der „Delegitimierung des Staates“ schuldig zu machen. So etwas gibt es ausser in Diktaturen vermutlich nur in Deutschland. Es ist doch klar, dass diese Regierung ein vitales Interesse daran hat, die Opposition in den Dreck zu ziehen. Diese Regierung hat es in 2 Jahren geschafft, Deutschland zum Schlusslicht der westlichen Wirtschaftsnationen zu machen. Und das ist erst der Anfang. Als wäre es nicht möglich, von aussen eine politische Partei, die ein Programm erstellt, die Versammlungen abhält, die… Mehr

flo
2 Monate her

Wie unten bereits geschrieben, bin ich unsicher, ob ein Gericht den Verfassungsschutz ausleuchten kann. Im Bundesverfassungsschutzgesetz, im Internet abzurufen, werden in den §§ 9a und 9b „verdeckte Mitarbeiter“ und „Vertrauensleute“ abgehandelt. Verdeckte Mitarbeiter dürfen „zur Aufklärung von Bestrebungen unter den Voraussetzungen des § 9 Absatz 1“ bzw. § 3 eingesetzt werden. § 3 betrifft die Sammlung und Auswertung von Informationen als Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden.  Dabei heißt es in § 9a, „ein dauerhafter Einsatz zur Aufklärung von Bestrebungen nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 und 4 ist nur bei Bestrebungen von erheblicher Bedeutung zulässig, insbesondere wenn sie darauf gerichtet sind, Gewalt… Mehr

PapaAN
2 Monate her

Ich hatte schon beim Potsdam Gate vermutet, dass ein V-Mann das private Treffen an den Staatsschutz weitergeleitet und dran teilgenommen hat. In der DDR nannte man diese Verräter IM. Die Verhältnisse im Grünen Reich 2024 scheinen schlimmer als damals in der DDR. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass diese V-Leute dafür sorgen sollen, dass die AfD verboten wird. Diese ganzen rechtsextremistischen Eskapaden, von denen wenig an die Öffentlichkeit kommt, werden von den Linksextremisten orchestriert! Eine Schande für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung, Neuwahlen sofort!

Juri St.
2 Monate her

Wer will auch schon entscheiden, was ist wirklich von der AfD und was kommt von Haldenwang‘s V-Leuten. Bei den vielen Haldewangschen Hass- und Hetze Fake Accounts müsste ja dann vielleicht auch der Verfassungsschutz verboten werden. Vermutlich lässt sich gar nicht aufklären, was wirklich von der AfD kommt und was nicht. Aber die Angst vor der AfD ist so groß, dass den sogenannten etablierten Parteien außer einem Verbot nichts einfällt.

Mermaid
2 Monate her

In der Hochzeit von Corona war ich auch in vielen kritisch eingestellten Telegram-Gruppen unterwegs.
Dort gab es meiner Ansicht nach zahlreiche Provokateure. Man konnte fast die Dienstpläne erkennen, wer von denen nun gerade arbeiten mußte. Die waren also ziemlich deutlich zu erkennen, also schlicht dämlich.
Man hat die dann einfach ignoriert.

Niklot
2 Monate her

Gab es nicht schon beim NSU Ungereimtheiten, die eine mögliche Verbindung des VS zum NSU vermuten ließen? Reihenweise sind Akten dazu verschwunden und Leute aus der VS-Führungsebene in den Ländern zurückgetreten. Die Katze lässt das Mausen also nicht.

Ich weiß schon gar nicht, wozu es die V-Leute braucht. Eine politische Partei agiert doch öffentlich, wirkt an der politischen Wiillensbildung mit. Da kann man doch gut beobachten. Wird vom VS beobachtet, ist dann wohl genau das nlcht, sondern „wird vom Verfassungsschutz beeinflusst“.

Last edited 2 Monate her by Niklot
Ernst K.
2 Monate her

Unterwanderung und Bespitzelung regierungskritischer Gruppen gab es auch in der zweiten deutschen Diktatur. Wer dort aufgewachsen ist, wird die heutige Praxis ganz besonders schätzen.

cernunnos
2 Monate her

Naja, in jedem relevanten Kommentarbereich sind Agenten unterwegs. Je nach Ausrichtung entweder im Moderatoren- oder Kommentatorenbereich. Mag nach Verfolgungswahn klingen. Aber ich bin in dem Bereich seit Ewigkeiten unterwegs. Schon vor 15 Jahren, als „Foren“ noch das Hauptding waren zur Diskussion, war das Usus, sobald es in sensible Bereiche ging, tauchten auf einmal Leute auf die jegliche Interaktion störten. Die Methoden sind altbekannt. Derailing etc. Anfangs konnte man noch mit denen spielen, es war unterhaltsam. Aber eine weitere Methode ist einfach nur Ermüdung. Das kann man heute noch sehen, zB bei TP (und viele kleine „Blasen“ von denen viele nicht… Mehr

Stephan Stahl
2 Monate her
Antworten an  cernunnos

Wenn das Gerücht einmal in der Welt ist, dass die nur nicht verboten werden konnten, weil alles V-Leute sind, dann ist so eine Partei tot.“ Muss nicht so sein Beispiel: Lech Wałęsa. Leider hatte das Folgen. Er hat einen Neuanfang in der Staatsanwaltschaft und Justiz verhindert. Genau so wie in Deutschland. Langsam werden wir zur DDR.