Die Unzulänglichkeiten der Politiker sind häufiger Gegenstand der öffentlichen Debatte. Die Vertreter der Wirtschaft kommen besser weg. Zu Unrecht – wie nun Arbeitgeberboss Steffen Kampeter mit seinem Sinn für Planwirtschaft beweist.
picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Rund sechs Milliarden Euro fehlen den Krankenkassen dieses Jahr. Knapp zehn Milliarden Euro zahlt der Bund zu wenig für die gesundheitliche Versorgung der Empfänger von staatlichen Transfers, vor allem Bürgergeld. Es wäre nun einfach, das Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung zu beheben: Der Bund zahlt den Rentnern, Betrieben und Beschäftigten, die mit ihren Beiträgen die Kassen bilden, einfach das, was die für die Bürgergeld-Empfänger bezahlen.
Zu einfach. Zumindest für Steffen Kampeter. Er ist Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Er vertritt also die Interessen der Betriebe, die mit ihren Beiträgen die Krankenkassen finanzieren – und auch die Beschäftigten. Denn so ganz ohne Arbeitnehmer gäbe es halt keine Arbeitgeber. Kampeters innovativer Vorschlag: Der Bund soll die Praxisgebühr einführen. Schon wieder. Das soll die Kosten im Gesundheitswesen senken. Wie damals. Als es nicht geklappt hat. Aber dieses Mal funktioniert es. Bestimmt.
Die Praxisgebühr gab es zwischen 2004 und 2012. Zwischenzeitlich ging die Zahl der Behandlungen zwar zurück. Doch schon 2007 waren die Fallzahlen wieder so hoch wie 2003, wie seinerzeit die Ärzte Zeitung berichtet hat. Die Zahl der Überweisungen an Fachärzte stieg laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Folge der Praxisgebühr um 40 Prozent an. Sodass zwar den Kassen durch die Gebühr eine Einnahme von 6,5 Milliarden Euro entstanden ist – die aber durch die höheren Kosten aufgefressen wurden.
Für die Praxen bedeutete die Gebühr zudem entsprechenden Aufwand: Wechselgeld bereithalten und gegen Diebstahl sichern. Mehr Buchführung, kompliziertere Abrechnungen. Mahnverfahren. Verprellte Patienten – samt entsprechenden Diskussionen. Im besten Fall bedeutete die Praxis weniger Behandlungen und mehr Bürokratie. Im schlechtesten Fall ausschließlich mehr Bürokratie. Sowie chronisch Kranke, die sich nicht mehr zum Arzt trauten. Mehr Verwaltung, weniger Leistung – von der Politik erwarten viele Bürger nichts mehr anderes.
Doch der Ruf nach mehr Verwaltung und weniger Leistung kommt eben nicht aus der Politik. Er kommt von einem Vertreter der Wirtschaft. Womit Kampeter beweist, dass die Verbände längst kein marktwirtschaftliches Gegengewicht zur grünlinken Politik des Bundes darstellen – sondern sich selbst zu Polit-Kommissaren in den Kombinaten degradiert haben. Die Politik könnte den Betrieben und Beschäftigten einfach die Kosten dessen erstatten, was die für Langzeitarbeitslose bezahlen müssen. Doch mit der Forderung würde Genosse Kampeter sich für viele Berliner Party diskreditieren. Also spricht er sich für ein bereits gescheitertes, planwirtschaftliches Element aus. Wenn die Beschäftigten schon mehr für die Kassen zahlen müssen, sollen sie auch weniger dafür erhalten. Vorwärts immer, rückwärts nimmer.
312 Milliarden Euro haben die Krankenkassen laut einer Übersicht des Verbands der Ersatzkassen im vergangenen Jahr ausgegeben. Den größten Posten davon machten mit 102 Milliarden Euro die Besuche in Krankenhäusern aus. Für Arznei zahlten sie 55 Milliarden Euro. Die ambulante ärztliche Behandlung kostete demnach 50 Milliarden Euro. Fachärzte eingerechnet.
Das Einsparpotenzial der Praxisgebühr würde – selbst im besten Fall – weniger als die Hälfte dessen ausmachen, was die Kassen an Quersubvention für die Empfänger von Bürgergeld bezahlen. Der ganze bürokratische Aufwand nicht eingerechnet. Dass in der Politik viele nicht rechnen können – oder wollen – daran haben sich immer mehr Bürger bereits gewöhnt. Dass es bei den Vertretern der Wirtschaft offenbar nicht besser aussieht, lässt für die Zukunft des Standorts wenig Gutes vermuten.

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Was hält der Mann eigentlich von Subventionsabbau, um die Sozialkassen bzw. deren steigenden Steuerzuschuss gegen zu finanzieren? Ich nehme an, natürlich nichts. Solche Vorschläge von Lobbyisten laufen streng nach dem Prinzip „Hansemann, geh du voran!“. Ein wohlwollender, unabhängiger Staat, den wir leider nicht mehr haben, ist von solchen Partikularinteressen unabhängig und allein dem Gemeinwohl verpflichtet (Man darf ja noch träumen.).
„Zumindest für Steffen Kampeter. Er ist Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).“
Seine vorherige Karriere, Parteisoldat, das zur verfilzung.
Und diese Parteisoldaten finden sie fast überall, in Verbänden und sonstigen verdächtigen Vereinigungen.
Was erwarten Sie eigentlich von einem Vertreter derartiger Verbände, ob nun auf Arbeitgeber- oder auch Arbeitnehmerseite oder von wirtschaftsferner Seite wie z.B. der DLRG? Kurzer Blick auf die Führungsschicht und dann zu Wikipedia (bei nackten Lebensläufen kann man denen noch einigermaßen trauen). Und was sieht man da? Abgehalfterte Politiker. Die Parteien haben sich nicht nur den Staat mit seinen „politikfernen“ Bereichen wie der Judikative oder der Administration zur Beute gemacht. Sie durchziehen wie ein Krebsgeschwür alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, Ich habe keine Vorstellung darüber, wie man das noch mit einigermaßen legalen Mitteln zurückfahren kann. Wohin Krebs führt, dazu fragen… Mehr
Wie wäre es denn, den Kassen die Zahlungspflicht für Nichteinzahler von den Schultern zu nehmen. Diese Kosten müssen den Verursachern in Rechnung gestellt werden, wem also, selbstverständlich den Politikern, die duch ihr unverantwortliches Verhalten die Schieflage der Kassen erst generiert haben. Wenn den überforderten Kassen dieser Klotz vom Bein genommen wird, können sich die Dinge normalisieren. Und ja, die Kosten für jene, die nie einbezahlen, müssen dem Staat, der diese nicht tolerierbaren Zustände erst gestattet, gegenüber geltend gemacht werden. Die Einlassung eines Kommetators bezgl. von fiktiv Rechnungen ist entlarvend. Natürlich wären die Kassen gehalten, die Rechnungen gegenzurechnen. Aber auch die… Mehr
Das Zusammenspiel zwischen der Politik und der Unternehmerschaft mit allen üblen Auswüchsen ist doch schon lange bekannt und wahrlich keine Neuheit mehr und gerade die Wirtschaft hat sich doch verbogen bis zur eigenen Idenditätsaufgabe, obwohl die Machenschaften eindeutig gegen die Interessen der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter gerichtet war und hauptsächlich von den Gewerkschaften als Mittler gesteuert wurden und die sind ja bekanntlich ultralinks, was mit dem Unternehmertum sowas von gegensätzlich ist, wie es schlimmer nicht gehen kann. Wer hat sich den bei den großen unseligen Themen wie Corona oder das Klima bis zur Unkenntlichkeit dem politischen Mainstream angepaßt und sich… Mehr
Rund sechs Milliarden Euro fehlen den Krankenkassen dieses Jahr. Rund 1.400 Euro von den fehlenden sechs Milliarden Euro habe ich kürzlich wiedergefunden. Dank eines Fehlers der gesetzlichen Krankenkassen, die durch einen Irrtum binnen eines Monats die Zuständigkeit für zwei Arztbesuche zurückgewiesen hatte, wodurch sie mir weitergeleitet wurden. Dadurch hatte ich ausnahmsweise den Einblick in die Abrechnungsschlüssel und ich staunte nicht schlecht: Rechnung A: Die zahnärztliche Verrechnungsstelle überlieferte mir eine Rechnung, weil ich mir angeblich Fäden nach einer Implantatioin habe ziehen lassen. Das Problem: Ich habe überhaupt keine Implantate, habe mir auch keine Fäden ziehen lassen und überhaupt habe ich den… Mehr
Solche Ungereimtheiten interessieren die Krankenkassen tatsächlich nicht. Ich habe mal eine Praxis wieder verlassen weil ich dort 2 Stunden trotz Termin rumgesessen habe.Den Arzt hatte ich vorher noch nie konsultiert und ich habe mich dann nach einem Anruf bei der Krankenkasse davon überzeugen können das angeblich erfolgte Leistungen bezahlt wurden.
Absolut zutreffend was sie über Kampeter, dessen Denk- und Verfahrensweise sagen. Keine Zierde der Arbeitgebererbände.
Überhaupt: „DIE VERBÄNDE!“ (ganz allgemein)
Auch die öffentlich rechtlichen Kammern z. B. nur.
Einstmals als Mittler zwischen Staat und Wirtschaft/Berufsverbänden gedacht.
Nicht wirklich selten nur noch – seit vielen Jahren schon – weit eher Hemmschuhe jeder mit Vernunft vorgeschlagenen Lösung und Vermittlertätigkeit zwischen MACHERN und Bedenken tragenden „kostspielig wuchernden Geschwüren nicht ganz unähnlichen“ UNTERLASSERN.
Von den dortigen nicht ganz seltenen Pöstchenschiebereinen und Druckpostenbesetzereien und Pensionen-Verteilereien garnicht erst zu reden. –
Wenn ich ahnen wuerde, dass die Beitraege zukuenftig in die Hoehe gehen und ich als Arbeitgeber damit auch wieder 50% davon berappen soll, in Vorahnung, dass die Politik mir keinen Bonus dazu gibt, dann versuche ich vorab schon mal andere Geldquellen zu propagieren.
Wenn ich ich so ein mieses, hinterlistiges Stueck waere, dann wuerde ich mich um ein oeffentliches Amt bewerben.
Hätte Herr Kampeter doch.
CDU- und Funktionärs-Dummschwätzer. Er soll sich lieber darum kümmern, daß die Wirtschaft endlich die Unausgebildeten endlich ausgebildet. Dann gibt es keinen „Facharbeiter-Mangel“ mehr. Das Thema „Praxisgebühr“ – diese typische CDU/CSU-Kleingeist-Idee ist sowie ein Nonsens – geht ihn sowieso nichts an, da es meistens ja Rentner, seine (!) Demenz-Wähler, sind, die am häufigsten zum Arzt laufen … Wie häufig laufen überhaupt Beamte zum Arzt? An die wird schon wiederum nicht gedacht.
Bei der Wiedereinführung wird aber die Ärztekammer noch ein Wörtchen mitreden. Die Ärzte waren so froh, als die Gebühr wieder abgeschafft worden war.
Von der Ärztekammer ist nichts zu erwarten, siehe Corona!