Tichys Einblick
Staatsanwaltschaft winkt ab

Potsdamer Treffen: Kein Hochverrat, kein gar nichts

Der Generalbundesanwalt prüft ein Verfahren gegen die Teilnehmer des Potsdamer Treffens wegen Hochverrat. Das stimmt zwar, aber es bedeutet nichts. Wegen der juristischen Wortwahl klingt nach viel, was in Wahrheit wenig ist. Das Missverständnis ist erwünscht. Leider fallen die meisten darauf herein.

IMAGO / Nicolaj Zownir
Bei „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“ gibt es die Figur Turtur. Das ist ein Scheinriese: Von weitem sieht er monströs groß aus – doch je näher er kommt, desto kleiner wird er. Wir begegnen ihm gleich wieder.

„Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, ist ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz.“ Nicht ungeschickt hat Olaf Scholz versucht, die Teilnehmer des vom auch staatsfinanzierten Portal „Correctiv“ abgehörten Potsdamer Kaffeekränzchens zu kriminalisieren.

Doch während sich der Verfassungsschutz unter seinem fürchterlichen Chef Thomas Haldenwang gewohnt willfährig vor den politischen Karren des Bundeskanzlers spannen lässt, zeigt sich die Justiz unabhängiger als erwartet. Auf Anfrage lässt die Staatsanwaltschaft Potsdam wissen: Es ist kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Zwar sei eine „Anzeigesache anhängig“, die man „dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof zuständigkeitshalber zur Prüfung der Übernahme vorgelegt hat“.

Dass die im Gleichschritt „gegen Rechts“ marschierende rot-grüne Wohlfühlblase in Deutschland versucht, mithilfe von Strafanzeigen gegen Andersdenkende auch die Justiz für ihr ideologisches Projekt zu instrumentalisieren, muss inzwischen als normal gelten. Zwar segeln die Aktivisten damit natürlich hart an der Grenze zum sogenannten Rechtsmissbrauch – aber der Apparat wird halt trotzdem immer erst einmal angeworfen.

Wenn irgendjemand gegen irgendjemanden irgendeine Anzeige erstattet, dann ist die Staatsanwaltschaft gesetzlich dazu verpflichtet zu prüfen, ob eine Straftat vorliegen könnte. Die bloße Prüfung eines Sachverhalts nach einer Anzeige bedeutet also erst einmal: gar nichts. Dabei handelt es sich auch ausdrücklich nicht um „Ermittlungen“, wie leider (und fälschlicherweise) nur allzu oft in unseren Qualitätsmedien zu vernehmen ist.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat also nun ihr offenbar vorliegende Anzeigen pflichtgemäß geprüft und entschieden, dass das Treffen nichts geliefert hat, was einer Ermittlung würdig wäre. Offenbar gab es nun auch mindestens eine Anzeige wegen Hochverrat (§ 81 StGB). Dafür wäre aber nicht die Potsdamer Staatsanwaltschaft zuständig, sondern der Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Also hat Potsdam diesen Teil der Prüfung, wie es sich gehört, nach Karlsruhe weitergereicht.

Für den Nicht-Juristen klingt es natürlich dramatisch, wenn jetzt zu lesen ist: „Generalbundesanwalt prüft Verfahren wegen Hochverrat“. Dass das nach einer entsprechenden Anzeige der völlig normale und zwingend vorgeschriebene Verwaltungsvorgang ist, weiß ja fast keiner.

Die ganze „Prüfung wegen Hochverrat“ ist also wie Turtur: ein Scheinriese.

Es ist wohl keine allzu steile These, wenn man annimmt, dass genau das erwünscht ist: beim breiten Publikum den Anschein zu erwecken, da seien gefährliche Staatsfeinde am Werk – obwohl es dafür nicht den geringsten Anhaltspunkt gibt.

Das wiederum kann auch nicht weiter verwundern: Inzwischen musste sich „Correctiv“ bei der Darstellung des Potsdamer Treffens mehrfach selbst korrigieren. Genauer: Es wurden Gesprächsteile veröffentlicht, die es gar nicht gab. Auf welch dünnem Eis sich das linke Portal bewegt, lässt sich gut daran ablesen, dass der „Correctiv“-Text gar keine Zitate von Teilnehmern enthält, mit denen Forderungen nach willkürlicher Staatsgewalt, also Vertreibungen bzw. Deportationen, irgendwie belegt werden könnten.

Dabei wäre es für „Correctiv“ ja ein Leichtes, zu Dokumentationszwecken den gesamten Mitschnitt des abgehörten Treffens zu veröffentlichen. Man fragt sich: Warum machen die das nicht? Aber solange das Portal statt mit belegbaren Zitaten lieber mit raunenden Darstellungen arbeitet, die sich dann auch noch als teilweise frei erfunden herausstellen – solange gilt: Kein Hochverrat, kein gar nix.

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