„Omagate“, ÖRR und Parteienstaat

Omagate beim WDR und die Weichzeichnung von Terror als "Streit" beim ZDF sind sprechende Symptome: In den ÖRR haben Aktivisten der NGOs und anderer steuerfinanzierter Organisationen der sogenannten Zivilgesellschaft die Macht übernommen.

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Marc Felix Serrao schrieb in der NZZ: „Die Diskussion sollte jetzt erst beginnen. Denn dem WDR ist nicht einfach nur ein Fehler unterlaufen. Der Riesensender, mit knapp 4.300 festen Mitarbeitern der grösste des Landes und, nach der BBC, der zweitgrösste des Kontinents, ist selbst ein Fehler. Um das zu erkennen, muss man erst das gebührenfinanzierte System als solches und dann den WDR im Besonderen in den Blick nehmen.“

Aus dem lesenswerten Text greife ich hier nur den Satz des Intendanten auf, den Serrao aus dem Geschäftsbericht des WDR zitiert: „Wir ermöglichen den Menschen in Nordrhein-Westfalen, an gesellschaftlichen Diskussionen teilzunehmen.“

Ähnliches wird sich bei anderen Sendern finden. Ich bezweifle, ob schon mal irgendeinem Parteioberen aufgefallen ist, dass der ÖRR mit solchen Sätzen die  Überflüssigkeit der Parteien dokumentiert. Was dieses Indendantenwort sagt, definierte das Grundgesetz als Aufgabe der Parteien viel bescheidener als der Intendant die Aufgabe der ÖRR.

Parteien sollten nach GG „an der Willensbildung des Volkes mitwirken“, der WDR „den Menschen ermöglichen, an gesellschaftlichen Diskussionen teilzunehmen.“ Die Verfasser des Grundgesetzes gingen offensichtlich davon aus, dass die Bürger ihren politischen Willen selbst bilden und gesellschaftliche Diskussionen selbst führen können, woran die Parteien deshalb lediglich „mitwirken“ sollten.

Dass die Parteien seit Ende der 1960er Jahre aus dieser „Mitwirkung“ die direkte Inbesitznahme der staatlichen Institutionen und halbstaatlichen Einrichtungen gemacht haben und die Kontrolle über alle „bezuschussten“ und staatlich privilegierten Einrichtungen übernahmen, war das erste. Dass die Parteien dabei ihre Macht an die radikal kleine Gruppe ihrer Leute an den Spitzen der Fraktionen im Bundestag verloren, was die ganze innerparteiliche Demokratie zur Farce macht, war das zweite. Die dritte Machtverlagerung fand und findet statt, indem die Deutungshoheit über das moralpolitisch Richtige und Falsche den alten Trägern des Zeitgeistes von „Aktivisten“ in durch nichts und niemanden legitimierte NGOs und andere steuerfinanzierte Organisationen der sogenannten Zivilgesellschaft weggenommen wurden und werden.

Machtverschiebung vier überlagert Nummer drei: Hatten erst die Parteispitzen und dann die Fraktionsspitzen über Rundfunk-, Fernsehräte und das ganze Gremienwesen des ÖRR die Sender regiert, sagen heute Aktivisten in den Sendern des ÖRR – im Auftrag ihrer politischen Führung in den NGOs – den Fraktions- und Parteispitzen, wie ihre Leute zu regieren haben.

Den wirtschaftlich viel erfolgreicheren Epigonen der Achtundsechziger, als diese selbst es vereinzelt auch schon waren, ist es gelungen, die Machtordnung einer halbwegs rechtsstaatlichen und ansatzweise demokratischen Republik auf den Kopf zu stellen und die einst teilweise vorhandene Gewaltenteilung auszuhebeln.

Omagate beim WDR und jetzt die Weichzeichnung von Terror als „Streit“ beim ZDF sind sprechende Symptome: In den ÖRR haben Aktivisten der NGOs und anderer steuerfinanzierter Organisationen der sogenannten Zivilgesellschaft die Macht übernommen. Sie pfeifen auf Intendanten und Chefredakteure, die sich ab und zu für das Tun von Aktivisten entschuldigen. Es ist ja nur eine Frage der Zeit, wann diese Überbleibsel aus dem alten Parteienstaat den Kulturkriegern unserer Tage Platz machen müssen.

Was die Kulturkrieger systemisch nicht wahrnehmen können, ist, dass sie in ihrer täglichen Verschärfung des Krieges gegen alles andere und jeden anderen bereits selbst Teil jenes Prozesses sind, der mit dem alten historischen Bild zutreffend beschrieben ist: Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.

Durch Reformen, da widerspreche ich Serrao, ist da allerdings nichts zu machen. Den Finanzstöpsel ziehen, beim ÖRR und beim Parteienstaat, ist das einzige, was hilft. Neubau ist angesagt, keine Renovierung.

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Kommentare ( 195 )

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A. Reig Tapia
4 Jahre her

Wie immer brillant auf den Punkt gebracht.

Wolfgang Brauns
4 Jahre her

Dazu kommt noch die völlige „Aussperrung“ von Andersdenkenden in den ÖR.
Belegen kann ich das mit der Themenvorschau in einer Magazinsendung dieser Woche. Dort hieß es: „Demokratie beschützen durch Kampf gegen Rechte“.
Nicht Rechtsradikale, nein normale Rechte müssen bekämpft werden, damit die Linken – dann wohl endlich alleine? – mit der Demokratie „einverstanden“ sein können!

Libertardistani
4 Jahre her

Möglicherweise reden wir aneinander vorbei, Herr Goergen. Ich gebe Ihnen in vielen Bereichen recht. Das Abgeordnetenmandat sollte jedoch gut finanziell bestückt sein, um Lobbyismus und anderen Abhängigkeiten vorzubeugen. Die Partei darf heute schon nicht ins Mandat reinreden. Einen Wahlkreismitarbeiter darf man unter Auflagen ruhig beschäftigen, auch wenn den der Bund bezahlen sollte, am besten einen qualifizierten Arbeitslosen. Die Fraktionen sollen durchaus Gelder bekommen, um Stäbe aufzubauen. Früher benötigte man viele Sekretärinnen. Zu verhindern wäre allerdings, dass auf diese Weise Ausbildungslose und Bummelstudenten zu MdBs werden, das geht auch mir gegen den Strich. Die Parteistiftungen sind ein problematisches Feld. Eine gewisse… Mehr

Senni
4 Jahre her

Die Schweizer haben das bessere Lied kreiert :

Mein Enkel, der fliegt jedes Jahr
nach Bali, nach Bali, nach Bali.
Mein Enkel, der fliegt jedes Jahr nach Bali.
Mein Enkel ist ne junge Umweltsau.

Mein Enkel, der kauft nur noch bei
Zalando, Zalando, Zalando.
Mein Enkel, der kauft nur noch bei Zalando.
Mein Enkel ist ne blöde Umweltsau.

Mein Enkel postet jeden Tag nur
Blödsinn, nur Blödsinn, nur Blödsinn.
Mein Enkel postet jeden Tag nur Blödsinn.
Mein Enkel ist ne blöde Onlinesau.

Denis Diderot 2018
4 Jahre her

1. Abschaffung, Reform oder Neubau Etwas Grundsätzliches vorab. Bei einer Industrieproduktion sinkt der menschliche Einfluss auf ein Endprodukt. Er bleibt spürbar in der Fortwirkung der Ingenieursleistung, manchmal entscheidet auch heute noch die Qualität der Facharbeiter. Bei einer Dienstleistung ist Standardisierung wesentlich schwieriger. Sie gelingt bei Zustelldiensten noch ganz gut, wird bei Diensten höherer Art zunehmend unmöglich. Es kommt bei solchen dominierend auf die Personen an. So ist es beim Rundfunkjournalismus. Da liegt der Hase im Pfeffer. Herr Goergen und Herr Spahn haben in ihren redaktionellen Beiträgen und im Leserforum mehrfach erörtert, was ein Journalist ist. Die verantwortlichen Redakteure im ÖRR… Mehr

Andreas aus E.
4 Jahre her
Antworten an  Denis Diderot 2018

Danke für Ihren Kommetar – Klasse!

Denis Diderot 2018
4 Jahre her
Antworten an  Denis Diderot 2018

Jens Frisch
Schneider hätte ich auch sehr gerne persönlich kennengelernt. Der Mann beim Sender, der Texte hart redigierte, war ein nur Schneider-Schüler. Er schenkte mir ein Buch von Schneider. Gelernt habe ich dennoch.
In Erinnerung geblieben ist mir über die Erfahrung in der Redaktion hinaus die ausgezeichnete Betriebskantine. Selten habe ich so gut in einer Kantine gespeist. Gebührengelder halt.

Portofino
4 Jahre her

Die Gleichgültigkeit, mit der Nachteile für die eigene Klientel durch die Eurorettung, Nullzinspolitik, Energiewende, Klimahysterie, Zuwanderung, hingenommen werden, zeugt von einer unvermuteten Schwäche der gesamten Zivilgesellschaft. Nun sind sich alle Lager einig, wie in einer echten Volksdemokratie, sprich: Ökodiktatur.
Alle Parteien der Bundesrepublik stehen vor einem Scherbenhaufen multikultureller Illusionen, die aus grüner ideologischer Blindheit jahrelang aufgekommen ist.

Digenis Akritas
4 Jahre her

Die Profiteure der Ruinen werden sich einem Neubau wirkungsvoll in den Weg zu stellen wissen. Das Ganze nähme gleichsam die Formen einer Räumung von widerrechtlich besetzten Häusern an. Zivilgesellschaftlich wird das wohl nicht abgehen. Es herrscht schon lange „kalter Bürgerkrieg“ (Thorsten Hinz).

Sonny
4 Jahre her

Ich stelle mittlerweile die Glaubwürdigkeit eines jeden staatlichen Organs infrage. Ohne Ausnahme.
Doch, mit einer Ausnahme: Die Frau S… im Standesamt unserer Gemeinde – die finde ich noch glaubwürdig. Sie hat unserem im Ausland arbeitenden Sohn ermöglicht, bei einem hiesigen Wochenendbesuch den Kirchenaustritt vorzunehmen, in dem sie an einem Samstag diesen „Kundendienst“ vor Ort im Gemeindebüro erledigte.

fatherted
4 Jahre her

Die ÖR verrechnen sich…zwar sind sie auch online präsent….treffen aber nicht die Zielgruppen. Viele informieren sich anderweitig…insofern ist das bestehen des ÖR in seiner jetzigen Form nur eine Frage der Zeit….aber die nächsten 20 Jahre haben die noch die Baby-Boomer die an der Glotze hängen und sich berieseln lassen. Noch nicht mal ein Feigenblatt….haben die ÖR nötig. Man könnten ja ansatzweise an daran glauben, dass der ÖR die Meinungen der Gesamtgesellschaft abbilden würde, wäre da wenigstens ein Journalist/Sendung/Medium das sich ansatzweise auch konservative Meinungen zu eigen machen würde….ist aber nicht. Alles sind gleichgeschaltet….Konservative Äußerungen werden im Keim erstickt….die Mitarbeiter entfernt….sogar… Mehr

Kassandra
4 Jahre her

Hier berichten Antifas von ihrer „Gegendemo“ am Samstag in Köln – und erwähnen andere Pressemeldungen, aus denen sie auf „Rechte“ schließen.
Wie kommen solche dazu, die Welt aus hintergrundlosen Berichten in aus ihrer Sicht „gute“ oder „böse“ einzuteilen?
Solche, wie den „Gürtelschläger“ in Bonn gab es jedenfalls meines Wissens Jahrzehntelang nicht in D. https://de.indymedia.org/node/58398