Nach Kritik am Lockdown: Söder entlässt Ethikratmitglied

Ein Mitglied des bayrischen Ethikrates hat es gewagt, Söder und die Bundesregierung zu kritisieren. Prompt folgt der einstimmige Beschluss des Ministerrates.

IMAGO / Marja

Gerade mal eine Sitzung hatte der bayrische Ethikrat Bestand, schon muss das erste Mitglied ihn verlassen. Eine Sprecherin der bayrischen Staatskanzlei gab gegenüber Bild bekannt, dass der Ministerrat einstimmig beschlossen habe, die Bestellung von Christoph Lütge, Wirtschaftsprofessor der TU München, zu widerrufen.

Der Professor, der im Oktober bei der Gründung des bayrischen Ethikrates noch als „hochkarätiger Experte“ vorgestellt wurde, ist nun schon von der Liste der Mitglieder des Rates gestrichen. Lütge war seit Beginn des Corona-Virus immer wieder mit Kritik an dem Vorgehen der Regierung aufgefallen. Im Bezug auf den Corona-Gipfel twitterte er bspw.: „Die heutigen Beschlüsse machen fassungslos. Einfach nur fassungslos. Merken Merkel, Söder und Co. nicht, wie stark längst die Stimmung gekippt ist?“

Die Sprecherin der Staatskanzlei begründete den Rauswurf Lütges mit „wiederholten Äußerungen von Herrn Professor Lütge, die mit der verantwortungsvollen Arbeit des Ethikrates nicht in Einklang zu bringen sind”. Konkrete Beispiele gab sie nicht.

Heft 02-2021
Tichys Einblick 02-2021: 2021 - Endlich wieder leben
Vor ein paar Tagen meldete sich auch Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) zu den Aussagen Lütges zu Wort. Er sprach davon, dass Lütge „mit seinen fragwürdigen Aussagen die Grenze einer fachlich fundierten Diskussion überschreite“. Auch die TU München distanzierte sich von Lütges Aussagen. Er vertrete nicht die Ansichten der Uni-Leitung.

Schon seit Monaten prangerte Lütge die Corona-Politik der Regierung an und warnte immer wieder vor den drohenden wirtschaftlichen Kollateralschäden des Lockdowns. Zuletzt im Dezember sagte er in einem Interview: „Das, was wir derzeit erleben, ist im Grunde der Offenbarungseid der deutschen Corona-Politik. Der Lockdown ist das schlechteste, was uns passieren kann, und jetzt kommt er trotzdem.“ Ebenfalls warnte Lütge vor den psychischen und sozialen Folgen des Lockdowns.

Diese Kritik war Söder nun wohl zu viel. Dabei sind die Aussagen Lütges durchaus nicht fragwürdiger als die Politik, die er kritisiert. Eine Studie des Professors für Medizin und Epidemiologie an der Stanford Universität, John Ioannidis zeigte, dass Stay-at-home-Pflicht und Geschäftsschließungen keinen signifikanten Effekt auf den Anstieg der Infektionszahlen haben. Unumstritten sind hingegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen.

Bedeutet das also im Umkehrschluss dass auch solche Studienergebnisse „fragwürdig“ sind? Nicht fragwürdig, sondern wohl eindeutig eine Phrase war dagegen Söders Versprechen bei der Gründung des Ethikrates sich „möglichst breit aufzustellen“. Kritiker seiner Politik sind darin wohl nicht so gerne gesehen.

Anzeige

 

Unterstützung
oder

Kommentare ( 136 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

136 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
christin
3 Jahre her

„Unumstritten sind hingegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen.“

Es wird sich noch im Laufe dieses Jahres, aber spätestens 2022, herausstellen, ob einer vom Fach, also ein Wirtschaftsprofessor, oder Jemand der in der Partei groß geworden ist und zu einem Amt gekommen ist, bessere Einsicht in die Materie hat.

Wolfgang M
3 Jahre her

Lütge ist Wirtschaftsprofessor und äußerst sich zu psychischen und sozialen Folgen. Vielleicht hätte er dies den Psychologen und den Sozialwissenschaftlern im Ethikrat überlassen sollen.
Bezüglich der wirtschaftlichen Folgen gäbe es genug zu berichten. Viele Betriebe werden in die Insolvenz geraten und unsere Kinder werden noch für das aktuell großzügig verteilte Geld zahlen müssen.

Delegro
3 Jahre her

Volltreffer. Und Ihre Aussage passt auf viele Politiker (gerade auch in Berlin). In Wirtschaftsunternehmen nennt man solche Menschen Frühstücksdirektoren und lediglich Kostenfaktoren. Das kostet nur Geld. Ernst nimmt die keiner. bedrohlich wird es ernst, wenn diese Versager meinen auch noch tatsächlich Entscheidungen mit treffen zu müssen. Da kommt dann die geballte Ladung an Minderqualifikation, Unfähigkeit und Arroganz zu tragen.

Entenhuegel
3 Jahre her

Schon der Begriff und die Institution „Ethikrat“ sind nichts anderes als pure Anmaßung. Von der Seite ist also nichts außer polit-gefälliger Propaganda zu erwarten. Und nun hat einer nicht mitgespielt – und muss halt raus.

Scherz beiseite, ein weiteres und für jeden, der es denn sehen will, offenkundiges Zeichen dafür, wie seitens der Altparteien immer mehr Institutionen geschaffen bzw. alimentiert werden, um willfährige Claqueure und Apparatschiks des Systems zu generieren. Und jeder mit eigener (anderer) Meinung und Rückgrat fliegt raus. Einfach nur noch widerlich …

Deutscher
3 Jahre her

Frage an Radio Eriwan: Was unterscheidet Söder von seinem Idol Strauß?

Radio Eriwan: Dass Strauß niemals Söder zu seinem Idol gewählt hätte.

Christoph Mueller
3 Jahre her

Wozu bedarf es eigentlich eines Ethikrats in Bayern, wenn der sowieso nur Söders Meinung vertreten darf?

Last edited 3 Jahre her by Christoph Mueller
Ottokar
3 Jahre her

Unerträglich – dieser Möchtegernkönig von Bayern. Ein übler Opportunist und krankhafter Selbstdarsteller – eine Riesenenttäuschung. Hoffentlich bekommt der die verdiente Quittung im September. Doch das bleibt wohl nur wie so oft ein frommer Wunsch. Der gehirngewaschene Wähler ist offensichtlich auch in Bavaria taub und blind…

Wolfgang M
3 Jahre her
Antworten an  Ottokar

Wenn die gedankenlosen Querdenker Pech haben, gibt es als Quittung im Winter Söder als Kanzler. So unwahrscheinlich ist das nicht.

EndemitdemWahnsinn
3 Jahre her
Antworten an  Ottokar

Gerade in Bayern ist der Wähler besonders gehirngewaschen und blind. Bayern mit seinen blinden CSU-Wählern ist vielleicht sogar der Hauptschuldige, dass die FDJ-Sekretärin überhaupt Kanzlerin werden konnte.

friedrich - wilhelm
3 Jahre her

…wenn in china jemand sich kritisch äußert, wandert er ins gefängnis! so weit ist es n o c h nicht in deutschland! aber sicher bald!

Christoph Mueller
3 Jahre her
Antworten an  friedrich - wilhelm

Die Methode jemanden zur Unperson zu erklären, ist viel wirksamer! Da gibt es dann noch nicht einmal einen Entlassungstermin oder auch nur die Hoffnung auf Entlassung wie im Gefängnis.

friedrich - wilhelm
3 Jahre her
Antworten an  Christoph Mueller

……ixch wollte hiermit eigentlich besonders die totalüberwachung und das belohnungs- und bestrafungssystem per punktekonten für jeden einwohner chinas ansprechen! dazu kommt noch, daß die welt eigentlich china mit dem lockdown gefogt ist und nicht zum beispiel schweden! das heißt: die welt folgt einer diktatur!

Karl Schmidt
3 Jahre her

Mir liegt an der Feststellung, dass die Universitätsleitung der TU München nicht meine Ansicht vertritt. Ich habe außerdem Anlass, klarzustellen, dass auch Herr Söder, Frau Merkel und Herr Lauterbach nicht für mich sprechen – und viele andere Personen übrigens auch nicht. Eigentlich spreche ich stets nur für mich – es sei denn ich trete als Vertreter für einen anderen auf. Das würde ich aber deutlich machen. Generell sehe ich mich durch den Bonzenstaat, der sich zwischenzeitlich in Deutschland etabliert hat, nicht mehr vertreten: Nach meinem Verständnis bestimmen die Bürger, wo es lang geht und nicht der Politiker, der nur unsere… Mehr

Agrophysiker
3 Jahre her
Antworten an  Karl Schmidt

Interessant ist vor allem das Argument, dass er nicht die Ansicht der TU München vertritt. Daraus geht ganz klar hervor, dass es eben um Haltung und nicht um Wissenschaft geht. Denn Wissenschaft für die Leitung der TU noch eine Rolle spielen würde, dann ginge es darum, ob die Ansichten von Professor Lütge wissenschaftlich gut begründet sind und welche Gegenargumente es gibt. Aber offensichtlich ist die TU Leitung auf einen noch schlechteren Niveau als die Autoren von „100 Wissenschaftler gegen Einstein“. Aber dafür bekommt diese sicherlich erstklassige Haltungsnoten.

Braumueller
3 Jahre her

Über die Beschaffenheit der Charaktere der Akteure muss wohl nicht gerätselt werden?