Kein „Leistungsschutzrecht“ durch die Hintertür und keine Einschränkung der Panoramafreiheit

Wollen Europaparlamentarier mit der Schnapsidee, die „Panoramafreiheit“ einzuschränken, beweisen, dass sie nicht von dieser Welt sind? Haben sie von den sozialen Medien und vom Internet wirklich so wenig Ahnung? Da muss einen die Angst überkommen, zu viele MEPs wären auch sonst nicht das Gelbe vom Ei. Öffentliche Gebäude gehören den Bürgern und niemandem sonst. Und Kulturschaffende von heute wollen auf so abstruse Weise gar nicht geschützt werden.

Statt neue Wege für ihr Geschäft im Online-Journalismus zu finden, glauben Verleger, die dem Geist des Papier-Zeitalters nicht entkommen, noch immer, die Zeit anhalten zu können. Der Einfluss von Lobby auf Politik wird selten so offensichtlich wie beim Antrag einer Gruppe von Europaabgeordneten der CDU/CSU und anderer Mitglieder der EVP-Fraktion: In letzter Minute soll ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger in den Bericht zum Urheberrecht an das Europaparlament aufgenommen werden, obwohl alle Fraktionen das einmütig abgelehnt haben.

Die deutschen Presseverleger hatten mit einer aufwändigen Lobbykampagne ein Leistungsschutzrecht erstritten, das vor allem Google für die Querfinanzierung von Verlagen zur Kasse bitten sollte; Verleger sollten Künstlern, Tonträgerherstellern, Filmherstellern und Sendeunternehmenden urheberrechtlich angeglichen werden. So die Begründungen. In der Praxis haben die Verleger bisher damit keinen Cent verdient. War das überhaupt das wirkliche Ziel?

In Deutschland jedenfalls gaben große Verlage Google eine Sondergenehmigung zur kostenlosen Verwendung ihrer Inhalte und damit exakt den Marktvorteil, gegen den sie das Leistungsschutzrecht schützen soll. Julia Reda, MEP der Piratenpartei, zitiert den ehemalige Chefredakteur von Zeit Online Wolfgang Blau, jetzt Chef-Digitalstratege beim britischen Guardian:

„Die ganz wenigen großen und international aktiven Verlagsgruppen … nutzen das Leistungsschutzrecht als Machtgeste gegenüber Google. Sie beweisen damit, dass sie in Europa trotz ihres schwindenden publizistischen Einflusses immer noch Parlamente für sich instrumentalisieren und Wettbewerbern das Leben ein bisschen schwerer machen können. Diesen wenigen großen Unternehmen ging es meiner Meinung nach nie ums Leistungsschutzrecht, sondern um ihre zukünftige Verhandlungsposition gegenüber den amerikanischen Plattformbetreibern in anderen Angelegenheiten. Ich frage mich oft, wie viele Parlamentarier überhaupt verstanden haben, wie sie da instrumentalisiert wurden, und ob die diversen Parteien diese Spielchen auch mitspielen würden, wenn Google ein europäisches Unternehmen wäre. Persönlich ist mir Google egal, das Internet aber nicht.“

Julia Reda beschreibt, worum es geht: „Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger greift ein Grundprinzip der Onlinekommunikation an: Das freie Verlinken von Inhalten im Internet. Weil große Verlage aus dem Printzeitalter es versäumt haben, nachhaltige Geschäftsmodelle für den Onlinejournalismus zu entwickeln, soll die Verlinkung auf ihre Presseartikel mit einem Preisschild versehen werden.“

Digitalkommissar Günther Oettinger ist schon länger für diesen geistigen Zoll genannt Leistungsschutzrecht. Mit einer Piratenaktion der Gruppe von EVP-MEPs will er sich gegen den versammelten Willen aller Fraktionen den Ball auf den Elfmeter-Punkt legen lassen. Ob es einen Schiedsrichter gibt, der bei diesem Lobby-Vorstoß Abseits pfeift?

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