Landratswahlen in Sachsen: Eine zerklüftete Parteienlandschaft ohne Gewinner

Fast alle Parteien verlieren in Sachsen – und die CDU bleibt als stärkste unter den schwachen Parteien als Sieger übrig. „Sachsen steht nicht davor, nach Links zu rücken“, konstatiert die ehemalige sächsische Spitzenpolitikerin Antje Hermenau gegenüber TE.

imago images / Steinach

Die CDU konnte die Kommunalwahlen in Sachsen größtenteils für sich entscheiden. In den meisten Landkreisen liegen die Christdemokraten weit vorne, müssen sich jedoch einem weiteren Wahlgang am 3. Juli stellen. Nur in den Landkreisen Nordsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Leipzig konnten die Kandidaten der CDU schon im ersten Wahlgang die nötige absolute Mehrheit erringen. In weiteren sechs Landkreisen wird erst der zweite Wahlgang Anfang Juli über die künftigen Amtsträger entscheiden. Auch dort kann sich die CDU wegen guter Ergebnisse im ersten Wahlgang sowie der „Querfront“-Mentalität anderer etablierter Parteien gegen die AfD gute Chancen ausrechnen, als Sieger vom Feld zu gehen. 

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Während die sich selbst im „progressiven Bündnis“ sehenden Kräfte von SPD, Grünen und Linken bei allen Wahlen weit abgeschlagen hinten liegen, musste auch die AfD eine enttäuschende Wahl hinnehmen. Der Partei gelang es nicht, im ersten Wahlgang einen Landratsposten zu gewinnen. „Unser Ziel, schon in der ersten Runde einen Landrat zu stellen, haben wir nicht geschafft“, sagte AfD-Parteichef Jörg Urban am Montag in Dresden. Es werde auch in der zweiten Runde nicht einfach, „noch die Nase nach vorn zu kriegen“. Die AfD wird wohl vor allem unter einem Phänomen gelitten haben, das die Wahl auszeichnet: Die Fragmentierung des konservativ-rechten Lagers. Dafür spricht das in vielen Wahlkreisen starke Auftreten der rechten Sammlungsbewegung „Freie Sachsen“,die in vielen Wahlkreisen zweistellig ins Ziel kam.  

„Insgesamt wird die CDU sehr erleichtert sein“, bewertet die ehemalige sächsische Spitzenpolitikerin Antje Hermenau den Ausgang der Kommunalwahlen in ihrem Bundesland im Gespräch mit TE. Hermenau war u.a. Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der Grünen in Sachsen und Abgeordnete des Bundestages.
Zwar habe die CDU keine „Erbhöfe“ mehr, in denen ihnen ein Sieg sofort sicher sei, so Hermenau weiter, aber die Christdemokraten hätten sich unterm Strich behaupten können.

Dies sei oft auch auf profilierte Kandidaten wie den Landrat Udo Witschas aus Bautzen zurückzuführen, der unter anderem mit dem Aussetzen der Impfpflicht für Pfleger in seinem Landkreis für bundesweite Schlagzeilen sorgte (TE berichtete).

Dennoch: Für die Union ist es eine Fortsetzung eines langen Zusammenbruches der Partei im Osten. Das lässt sich teilweise auch im Vergleich zur letzten Wahl erkennen: Im Vogtlandkreis beispielsweise gewann die CDU 2015 noch im ersten Wahlgang – jetzt muss sie mit 42 Prozent, 14 Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl, in eine Stichwahl gehen. In Zwickau halbiert die CDU ihr Ergebnis sogar, von souveränen 60 Prozent 2015 zu 30 Prozent bei der aktuellen Wahl. Ähnliches zeichnet sich in den meisten Kreisen ab: Empfindliche, oft zweistellige Verluste für die CDU. Hermenau spricht von einer Zersplitterung dessen, was mal die CDU war: Nicht nur an die AfD, sondern auch an andere rechte Parteien habe die Union ehemaliges Wählerklientel verloren.    

Hermenau stellt heraus, dass die linken Parteien schwache Ergebnisse eingefahren haben: „Sachsen steht nicht davor, nach Links zu rücken“, konstatiert sie. Mit Blick auf das starke Abschneiden von Parteien wie den „Freien Sachsen“, den „Freien Wählern“, aber auch die Ergebnisse von CDU und AfD attestiert Hermenau dem rechten bis bürgerlichen Wählerspektrum ein hohes Maß an Zersplitterung – etwas, was der AfD geschadet und der CDU taktisch genützt haben dürfte. Dass Parteien wie die „Freien Sachsen“ der AfD eine bedeutende Anzahl an Wählern abgejagt haben dürften, könne auch an einem „Abnutzungsfaktor“ liegen, unter dem die AfD leide: Seit fast 10 Jahren sei die AfD in Sachsen wählbar, habe sich aber nicht beweisen können. „Die Ausgrenzungsstrategie der anderen Parteien ist aufgegangen“, meint Antje Hermenau.

Die gleiche Art der Ausgrenzungsstrategie könnte die linken Parteien jetzt aber selbst in Bedrängnis bringen: In Bautzen hatten die linken Parteien scharf gegen Landrat Witschas geschossen. Nun müssten sie, der AfD-Ausgrenzungsstrategie folgend, selbigen unterstützen. Ein Eigentor für SPD und Grüne – und vielleicht eine Lehre. „Man sollte sich unter Demokraten mit solchen Beschimpfungen zurückhalten“, kommentiert Hermenau.

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Kommentare ( 16 )

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Hans Buttersack
1 Jahr her

Die Wählerschaft der AfD rekrutiert sich keineswegs nur aus ehemaligen CDU-Wählern. Ihre Wahlerfolge ab 2015 verdankte die AfD zu einem erheblichen Teil auch der Mobilisierung bisheriger Nichtwähler. Bei der sächsischen Kommunalwahl hat sich ein Trend fortgesetzt, der auch schon bei den vorangegangenen Landtagswahlen in anderen Bundesländern zu erkennen war: Ein hoher, z.T. über 50% liegender Anteil von Nichtwählern bei gleichzeitig abnehmenden und schlechten bis mittelmäßigen Ergebnissen für die AfD. Offenbar wird die AfD von den Nichtwählern nicht mehr als wählbare Alternative zu den etablierten Parteien angesehen, weshalb es der AfD nicht gelingt, in größerem Umfang Wähler aus diesem Spektrum zu… Mehr

Sonny
1 Jahr her

Hätte merkel die cdu nicht total deformiert, würden die roten und grünen, nach einem halben Jahr Regierungszeit im Bund, in kaum einem Bundesland noch irgendein Bein auf den Boden bekommen.
Das Problem sind also in diesem Fall nicht die roten und die grünen, sondern die zerstörte CDU und deren Anschleimerei an die sozialistischen Parteien.

Return
1 Jahr her

In Deutschland werden rechte Parteien erst regieren, wenn Sie eine eigene Mehrheit haben. Eine Koalition mit den etablierten Parteien wird es niemals mehr geben.

Selbst wenn die AfD mit den Freien Sachsen in Sachsen 49% der Stimmen im Parlament erringen könnten, würde die CDU eher gemeinsam mit der Linkspartei, Grünen, und SPD eine Koalition bilden.

Ob solche Koalitionen zwischen AfD und Altparteien überhaupt erstrebenswert wären, ist eine andere Frage. Mehr als faule Kompromisse und kosmetische Korrekturen würden vermutlich nicht dabei rauskommen, die dann nur Wähler enttäuschen. In Österreich endeten Koalitionen für die FPÖ mit der ÖVP regelmäßig in einem Desaster.

Last edited 1 Jahr her by Return
Zack
1 Jahr her

Die Grünen haben fast 50 Jahre gebraucht, um dort zu stehen, wo sie nun sind. Die AFD wird weitaus weniger lange Zeit brauchen, weil die Zeiten von Wohlstand für jedermann mittlerweile vorbei sind, wenn es nach der derzeitigen Politikerriege geht!

Biskaborn
1 Jahr her

Solange sich die konservativen Parteien, die CDU als konservativ zu bezeichnen fällt schwer, nicht klar zu Bündnissen nach Wahlen zusammenschließen , bleibt konservative Politik in diesem Land ein Wunschtraum. Die Links-Grüne Maschinerie kann so alles in ihrem Sinne platt walzen!

Ossitusse
1 Jahr her

Ich habe gestern auch „meinen“ bewährten Landrat wiedergewählt. Warum? Nicht, weil er CDU ist, sondern weil er jemand ist, der unseren Landkreis seit Jahren gut führt und die anderen drei Kandidaten für mich keine Alternative waren. Ich finde, Bürgermeister- und Landratswahlen haben mit Parteien eher wenig zu tun, da wählt man doch eher die Person, der man vertraut (oder glaubt, vertrauen zu können). Auf Landes-/Bundesebene wähle ich ganz anders. Ich glaube, dass die meisten das ähnlich handhaben, deshalb sollte man das nicht als „Wahlsieg“ für die CDU feiern. Erschreckend allerdings auch wieder die geringe Wahlbeteiligung, in unserem LK nur knapp… Mehr

Max Anders
1 Jahr her

Es ist schon etwas ernüchternd, daß viele gestern „auf Nummer sicher“ gewählt haben. Zu groß sind die Ängste, daß die Kleinstadt oder der Landkreis angesichts eines AFD Landrates oder Bürgermeisters kommunalpolitisch ausgegrenzt wird. Immerhin, ein paar Überraschungen gab es, z.B. daß in Bautzen der nach der letzten Wahl in die SPD eingetretene Bürgermeister bitterböse mit nur 14 % zum Teufel gejagt wurde. Und in Radeberg – bisher SPD regiert – konnte sich die Kandidatin von CDU/Grünen und SPD mit 41 % an die Spitze setzen, steht im 2. Wahlgang allerdings möglicherweise einem recht populären Parteilosen gegenüber, für welchen die AFD… Mehr

89-erlebt
1 Jahr her

Dann sollen doch auch die Sachsen den „Kuchen“ der schwarz-rot-grünen Tranfo essen. Lausitz zur Arbeitsplatzlosen Seen Landschaft, Bautzen ohne Siemens und Lauchhammer ohne Vestas. Sur politische Demenz in diesem Land wütet schlimmer als CoV oder Treuhand. Selbst Egon Krenz muss sich wohl die Augen reiben.

Berlindiesel
1 Jahr her

Die Zersplitterung des „rechten“ Sektors kommt einer Beantwortung des Henne-und-Ei-Problems gleich. Wobei auch in Sachsen die Frage gestellt werden muss, was eigentlich den rechten Sektor umfasst. Gehört die CDU noch dazu? Ist sie also keine linke Partei, obwohl die mit den Grünen und der SPD koaliert, und eine Fortsetzung nach der náchsten Landtagswahl geplant ist? Das gleiche Phänomen haben wir ja gerade in Frankreich. Die größte Bedrohung für den Linksliberalen Macron kommt – von links. Rechts nehmen sich alle die Stimmen gegenseitig weg, was in einem Mehrheitswahlsystem besonders fatal ist. Problem eins scheint mir, dass „rechts“ inhaltsleer ist. Rechts ist… Mehr

Protestwaehler
1 Jahr her

Die CDU nach wie vor dem „rechten“ Lager zuzuordnen halte ich allerdings für sehr gewagt, somal sie inzwischen völlig schamlos auch mit Linken u. Grünen kooperieren.