Friedrich Merz erklärt die Kritik an seinem Kulturstaatsminister für „haltlos“ – in einem Skandal, in dem Unterlassungserklärungen vorliegen, die Staatsanwaltschaft prüft und "Medienpartner" ihre Logos tilgen. Damit kettet sich der Kanzler an seinen fragwürdigen Staatssekretär.
picture alliance/dpa | Michael Kappeler, Screenprint ARD - Collage: TE
Friedrich Merz hat gesprochen und in der Affäre Weimer eine klare Entscheidung getroffen: nicht für Aufklärung, sondern für weitere Abriegelung. In einem ARD-Interview nach dem G-20-Gipfel erklärt er sämtliche Vorwürfe gegen seinen Kulturstaatsminister kurzerhand für „falsch“.
Vorermittlungen? Nicht der Rede wert
Es ist eine bemerkenswerte Volte: Während die Justiz Vorermittlungen führt, Urheberrechtsverletzungen in großer Zahl begangen, Unterlassungserklärungen unterschrieben wurden, die Öffentlichkeit über Unternehmensanteile getäuscht und belogen, Kontakte zu Politikern monetarisiert wurden, vorgebliche Medienpartner ihre Logos tilgen lassen, Bilanzfälschung im Raum steht, sagt der Kanzler: Alle diese belegten und nachvollziehbaren Kritikpunkte sei haltlos. Damit übernimmt er die Verteidigungslinie seines Ministers – und macht sie zur Linie der Bundesregierung.
Im Zentrum steht weiterhin der Ludwig-Erhard-Gipfel, das Flaggschiff im Weimer-Portfolio. Dort wurden teure Teilnahmepakete für zehntausende Euro angeboten, verbunden mit dem Versprechen, Zugang und Einfluss auf politische Entscheidungsträger zu erhalten. Genau das ist die Sollbruchstelle zwischen Konferenzökonomie und einer Vermarktung politischer Nähe. Merz aber verneint jedes Problem: „Da wird nichts verkauft“, erklärt er, das sei eine Veranstaltung „wie zahlreiche andere Medienverlage sie im gleichen Format regelmäßig machen“. Er reduziert die Debatte auf Formfragen und ignoriert die politische Substanz: den Eindruck, dass Nähe zu Regierungsmitgliedern hier ein Teil der Leistung war. Entscheidend ist nicht, ob dies andere Verlage tun – hier geht es um ein Mitglied der Bundesregierung, dessen Unternehmen Kontakte zu Kabinetts-Kollegen monetisiert. Und das findet Merz also in Ordnung“?
Augenwischerei mit einer Treuhand-Lösung
Gleichzeitig präsentiert der Kanzler die Übergabe von Weimers Anteilen an einen Treuhänder als souveräne Lösung. Weimer sei kein Geschäftsführer mehr, habe „auch seine Anteile vollständig abgegeben“, obwohl er das nicht hätte tun müssen. Damit, so Merz wörtlich, seien „alle Vorwürfe ausgehoben“. Das ist eine erstaunlich schlichte Logik: Ein Interessenkonflikt, der über Jahre bestand und in dem Zeitraum wirksam war, in dem auch Rechtsverstöße und fragwürdige Geschäftsmodelle zu Tage traten, soll dadurch erledigt sein, dass man die Konstruktion und auch erst auf massiven öffentlichen Druck im Nachhinein anpasst – auch das nur behauptet und kosmetisch. Denn der Treuhänder arbeitet zu treuen Händen des Eigentümers. Der Treuhänder ist eben nicht unabhängig, sondern Dienstleister. Mehr noch: Viele der Vorwürfe gegen Weimer betreffen ja Vorgänge, für die er unbestreitbar vollinhaltlich verantwortlich ist: Urheberrechts-Dienstahl, Identitätsdienstahl, Bilanzmanipulation. Und mit dem Treuhänder soll es also weitergehen wie bisher: Ehefrau Götz-Weimer verdient an den Kontakten des Kulturministers Wolfram Weimer. Da mögen die Kabinettsmitglieder von Friedrich Merz gerne mitspielen. Unternehmen müssen sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass sie versuchen, Politiker zu korrumpieren. Nicht nur derjenige, der sich bestechen läßt, macht sich strafbar – auch derjenige, der besticht und Mittel dafür aufwendet.
Die Vergangenheit lässt sich aber nicht treuhänderisch ausbuchen.
Hinzu kommt: Die Justiz hat sich längst eingeschaltet. Die Staatsanwaltschaft München führt ein Vorermittlungsverfahren wegen Urheberrechtsverletzungen gegen die Weimer Media Group. Unterlassungserklärungen mit empfindlichen Kostennoten zeigen, dass es hier nicht um Missverständnisse geht, sondern um Rechtsverstöße, die das Unternehmen übrigens bereits in seiner Kommunikation einräumt und verspricht, künftig zu vermeiden. Das rechtfertigt Merz jetzt – und klebt sich die Vorwürfe an das Jacket.
Wenn Merz in dieser Lage behauptet, alle Vorwürfe hätten sich als falsch erwiesen, steht das nicht nur quer zur öffentlichen Faktenlage – es stellt die Frage, auf welcher Informationsgrundlage der Weimer-Amigo im Kanzleramt sein Urteil überhaupt trifft.
Recht gilt nicht, wenn Rechte wie Linke kritisieren
Politisch noch belastender ist die Begründung, mit der Merz seine blinde Loyalität abrundet: Weimer werde „von ganz links und von ganz rechts“ angegriffen, das sei ein Beleg dafür, dass er gute Arbeit mache. Damit ersetzt der Kanzler eine inhaltliche Bewertung durch ein abgenutztes Freund-Feind-Schema. Kritik, die aus unterschiedlichen politischen Lagern kommt, ist in einer pluralen Demokratie normal. Sie als Legitimationsausweis zu nutzen, heißt, sich der Mühe zu entziehen, die Vorwürfe in der Sache zu prüfen. Wer die Herkunft der Kritik in den Mittelpunkt stellt, statt ihren Gehalt, versucht nicht zu klären, sondern zu diskreditieren. Konkret: Wenn Linke und Rechte einen Vorgang der Korruption und Bestechlichkeit erheben ist das gegenstandslos? Merz hat ein schlichtes Verständnis von Recht und Gerechtigkeit. Korruption ist weltweit strafbar – egal ob von links, rechts, oder von beiden Seiten kritisiert.
Für Merz wird die Affäre damit ab heute Abend zur eigenen Vertrauensfrage.
Solange die Weimer Media Group wegen Urheberrechtsverstößen unter Druck steht, solange die Konstruktion der Gipfelformate mit öffentlichen Geldern und politischer Präsenz nicht transparent aufgearbeitet ist, solange offenbar vorgebliche Medienpartner Logos zurückziehen und beteiligte Länderregierungen schweigen, ist die Kanzlerformel „haltlos“ eines: eine haltlose Schutzbehauptung. Sie schützt nicht primär den Kulturstaatsminister, sondern die Entscheidung, ihn überhaupt ins Amt gehoben zu haben und sie verschiebt die Verantwortung von Weimer auf den Kanzler selbst.
Weimer wiederum wird diese Rückendeckung als Einladung verstehen, weiter im Amt zu bleiben, als sei nichts geschehen. Dass er nun seine Anteile an einen Treuhänder übergeben will, bisher ist dies nicht erfolgt. Das ändert nichts an den Jahren, in denen Geschäftsmodell, politischer Aufstieg und mediale Selbstdarstellung eng verflochten waren. Die Konstruktion mag in der Gegenwart entschärft werden – sie erklärt nicht, wie es dazu kommen konnte, dass ein Medienunternehmer mit dieser Vorgeschichte an die Spitze der Kultur- und Medienpolitik im Kanzleramt berufen wurde.
Merz ist nun an den Mühlstein Weimer gekettet
Der Kern der neuen Entwicklung liegt daher nicht in dem, was Merz sagt, sondern in dem, was er nicht tut. Er lässt nicht unabhängig untersuchen, er trennt das Amt nicht von der Person, solange alle offenen Fragen nicht geklärt sind. Stattdessen versucht er verzweifelt die Debatte für erledigt zu erklären, während von SPD über Linke, AfD und FDP Aufklärung sowie Rücktrittsforderungen im Raum stehen. Merz hat sich einen Mühlstein um den Hals gelegt – und wird damit untergehen.
Damit bestätigt Merz genau jenen regierungsnahen Wohlfühlmodus, den er selbst jahrelang an den etablierten Medien kritisiert hat.
Die Affäre Weimer ist damit in eine neue Phase eingetreten. Sie ist nicht mehr nur ein Problem eines überdehnten Medienunternehmens, sondern hat ein Ende im Kanzleramt eingeläutet.
Dass Merz die Kritik pauschal als „haltlos“ abtut, während Verfahren laufen, Rechtsverletzungen dokumentiert sind und die öffentliche Finanzierung der Weimer-Formate weiter im Raum steht, wird ihm niemand außer den Amigos und Profiteuren in den Reihen der Union sowie in den Redaktionsstuben bei Bild und Welt, noch als Stärke auslegen.
Es ist der Moment, in dem aus einem Ministerproblem ein Kanzlerproblem wird. alles andere als haltlos. Denn der Hehler, das weiß der Volksmund, ist so schlimm wie der Stehler. Wolfram Weimer hat übrigens unbestritten weit mehr als 700.000 € an öffentlichen Mitteln kassiert. Selbstverständlich ist das ganz legal, kein Missbrauch, keine Selbstbedienung. Es ist eine Einladung an das Bundeskabinett und führende Beamte, auch mal in den Honigtopf zu langen.

Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Wie kann man nur einem eingefleischten politischen Lügner glauben ?
Zur Zeit müsste kritischer Investigativjournalismus Hochkonjunktur haben. Betrügereien sind in vielen Bereichen (NGOs, Zertifikathandel, Wahlauszählung, Korruption in Ukraine, etc.) bereits an der Oberfläche erkennbar. Leider verschließen riesige Medienkonzerne die Augen. Miniläden wie Apollo lassen Senatswahlen in Berlin wiederholen und bringen hoffentlich einen BK zu Fall. Viele Journalisten werden diese verpassten Gelegenheiten im Nachhinein bereuen. Chapeau jedoch an die Mutigen.
Ich habe den Artikel nicht gelesen. Allerdings im Vorfeld darüber gestaunt, wie man, ob der Vorwürfe, die monatelang Aufklärung bedürfen, sich vorbehaltlos vor jemanden stellt.
Das nenne ich Überforderung. Merz ist in dieser Position überfordert. Nicht partikular, sondern gänzlich.
Wie ging eigentlich der „Basta-Kanzler“ in anderen Zeiten mit solchen Themen um? Wiewohl Schröder halt irgendwie als ganz anderes Kaliber erschien als der uns nun Zugemutete.
M. demontiert sich selbst.
Noch weit schlimmer:
Er bemerkt offensichtlich nicht einmal, dass er es tut. –
Ich – sicherlich nicht nur ich – bedauere zutiefst, dass ich vor nichteinmal allzu langer Zeit zumindest ein kleinwenig Hoffnung in seiner Person sah. –
•
Erst war da die „ewige“ Merkel.
Man meinte, schlimmer könne es nicht kommen.
Dann kamen der schöne Habeck und „pretty“ Annalena samt Scholz.
Und man meinte, n o c h schlimmer könne es nicht kommen.
Dann kam Merz …
Er hat wohl ein ganz anderes Selbstbild, als das auffällige Fremdbild anderen eröffnet.
Aber vielleicht stecken da etliche in knietiefem Sumpf – was bei Betrachtung der wahren Lage der Nation nicht verwundern dürfte.
Womit hat Weimar diesen Kanzlerkasper in der Hand??? Hat Fritze irgendwelche Medikamente genommen oder was hat er geraucht, dass er in ein derart massives, kognitives Dissonanz -Loch gefallen ist??? Haben sie ihm mittels einer Klimaanlage bei der Klimakonferenz die letzten Gehirnzellen eingefroren? Keine Ahnung, eigentlich egal, Fritze sollte mit seinen Amigos schleunigst das Weite suchen, bevor doch noch jemand ausrastet.
Dieser linksgrünrote SPD-Kanzler wäre kein großer Verlust. Im Gegenteil: Das beste, was Deutschland passieren kann.
Fritzchen Merz hat seinem Amigo Weimer Treue geschworen. Damit hat er sich in den Fokus der Weimer-Affaire gebracht, und damit angreifbar gemacht.
Weimer wird vielleicht seinen Busenfreund aus dem Feuer befreien, indem er zurücktritt.
Besser kann man eine Freundschaft nicht beschreiben.
Höchst erstaunlich finde ich die „Selbsteinschätzung bzw ungeheure Machtanmassung“ die hinter Merz Glauben an den Gewinn der „Vertrauesfrage“ stellt.
Irgendwie ist das nicht mehr „von dieser Welt“ …
Irgendwie „dämmert ein Morgen herauf“ …
Wird es womöglich „ganz plötzlich ganz schnell gehen“ ???
Was, bitte soll denn dieser, wie schreibe ich das denn jetzt, aber es gab Zeiten, als man das Wort „Hühnerhaufen“ noch benutzen durfte, also sollen diese wie auch immer in den Reichstag gekommenen MdBs denn anstellen, um weiter Diäten zu beziehen?
Zumal Markus Krall alles erklärte, was zu wissen notwendig ist – und dabei wohl auch die ganz rechts Sitzenden ausgespart sehen wollte: https://www.youtube.com/watch?v=ztuvaeWsDiA
Was heißt, dass die sich wählen lassen wollen durch AssessmentCenter wie Grundvoraussetzungen ausgesiebt werden müssen. Von der Abschaffung der Liste einmal ganz abgesehen.
Woran soll er sich auch sonst ketten? Vielleicht an sich selbst. Angekettet und eingemauert innerhalb der Brandmauer wartet er regungslos auf „ein Licht am Ende des Tunnels seiner inhaltslosen und desaströsen Politshow“. Aber Achtung, es ist der entgegenkommende Zug!
Das Problem ist nur, dass dieser sogenannte „Weimer-Skandal“ ja nur bei TE stattfindet…
Deshalb sieht Merz das als Sturm im Wasserglas.
SO ist es nun wirklich nicht mehr!
Auch Andere berichten seit einiger Zeit.
Und die Zahl der „Assoziierten“ von Weimer hat längst angefangen mindestens zu bröckeln (siehe sogar FAZ), wenn nicht sogar schon eine Absetzbewegung eingesetzt hat.
Man sollte nicht unterschätzen wie intensiv RTY & Co in Bundestag und Fraktionen gelesen/diskutiert wird. Wenngleich wohl noch „verschämt“. „Roland & Co sind längst keine „Marginalie“ mehr.
Danke Roland Tichy !!!
Das Thema wird Schadens-gemanagt. Man lässt es kurz mal aufblitzen , aber dann setzt man auf das kollektive Vergessen.
Merke! Wer Geld verteilt ( es muss auch nicht das eigene sein) hat immer Freunde.
„Der Bund unterstützt Journalismusprojekte, bei denen bis zu 80% der Gesamtkosten übernommen werden können“
Natürlich habe ich kein Monitoring über die Qualität oder Vielseitigkeit dieser Förderung im Netz gefunden.
Daher lesen wir von diesem Regal im Selbstbedienungsladen relativ wenig, sondern nur von den erfolgreichen, schönen, intelligenten Supermarktleiter.
Und wahrscheinlich deshalb auch immer wieder Geldflüsse, die die Freundschaft mit der 4. Gewalt aufrecht erhalten: https://www.tichyseinblick.de/meinungen/was-kann-deutschland-nix-kann-deutschland/
Ich lass ja die Werbung bei TE blicklos passieren – aber mal schauen, ob auch da was „aufblitzt“. Vielleicht aus Versehen?