Grüne freuen sich: Nach Ostern beginnt große Kraftwerks-Abschaltung

Habecks Wirtschaftsministerium nimmt demnächst 15 Kohle-Kraftwerksblöcke vom Netz. Ersatz gibt es nicht – die Bundesregierung setzt auf das Prinzip Hoffnung.

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RWE-Kraftwerk Bergheim Niederaußem. 26.12.2023

Für viele Grüne kommt der eigentliche Feiertag erst nach Ostern: Dann nämlich lassen Robert Habecks Bundeswirtschaftsministeriale und die ihnen unterstellte Bundesnetzagentur gleich 15 Kohle-Kraftwerksblöcke abschalten. Die grüne Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger kündigte den Termin schon auf X (vormals Twitter) an. Die Abschaltung lobte sie als Leistung der Bundesregierung: „Der Kohleausstieg nimmt endlich wieder Fahrt auf.“

— Kathrin Henneberger (@KathrinAnna) March 25, 2024

Die Abschaltung von Kraftwerkskapazität in großem Stil, so Henneberger, sei nötig, um das „1,5-Grad-Ziel“ zu erreichen. Dem Einwand, Deutschland trage nur etwa zwei Prozent zum weltweiten anthropogenen CO2-Ausstoß bei, kommt sie mit dem Verweis auf die Vergangenheit zuvor: Seit 1960 habe das Land insgesamt 30 Milliarden Tonnen Kohlendioxid emittiert, und trage deshalb, so Henneberger, „eine historische Verantwortung“.

Betroffen von der Abschaltung sind die Blöcke C, D und E des Braunkohle-Kraftwerks Neurath mit insgesamt 600 Megawatt, die Blöcke E und F des Braunkohlekraftwerks Niederaußem (200 Megawatt), beide in NRW, außerdem Block E und F des ebenfalls mit Braunkohle befeuerten Kraftwerks Jänschwalde in Brandenburg (1000 Megawatt). Dazu kommen noch mehrere Steinkohleanlagen, beispielsweise das schon etwas vorfristig im März 2024 vom Netz genommene Kraftwerk Bremen-Farge mit einer Kapazität von 350 Megawatt.

Die Abschaltung erfolgt, obwohl zu den 60 Gigawatt an neuen Gaskraftwerkskapazität, die nach Habecks Vorstellungen die Lücken füllen sollen, wenn Solar- und Windparks zu wenig liefern, noch nicht einmal Planungen existieren. Bis jetzt ist auch unklar, wer überhaupt als Betreiber in Frage kommt. Denn ein Lückenfüller-Kraftwerk, das immer vorgehalten muss, aber nur etwa 1000 bis 2.500 Stunden im Jahr ans Netz darf, kann sein Geld unmöglich mit der Stromvermarktung verdienen, sondern braucht Zuschüsse – entweder vom Staat direkt oder von den Netzbetreibern. Im ersten Fall kommen die Steuerzahler dafür auf, im zweiten die Stromkunden. Speicher im industriellen Maßstab stehen ebenso wenig zur Verfügung.

Der erneute Verzicht auf eine grundlastfähige Stromerzeugung im Gigawattbereich macht die Stromversorgung Deutschlands nach Ostern noch anfälliger für Schwankungen. Im Jahr 2022 mussten die Stromkunden über die Netzgebühren insgesamt 4,2 Milliarden Euro für sogenannte netzstabilisierende Eingriffe bezahlen – dann, wenn nicht verwendbare und speicherbare Überschüsse für Prämien bis zu 500 Euro pro Megawattstunde ins Ausland verschenkt werden mussten, wenn Wind- und Solarparks abgeregelt, ihre theoretische Leistung aber trotzdem vergütet wurde, aber auch, wenn bei Strommangel energieintensive Unternehmen etwa aus der Elektrometallurgie eine Kompensation dafür erhalten, dass sie ihre Anlagen herunterfahren. Für 2023 liegen noch keine Zahlen zu den Kosten der Netzeingriffe vor.

Habecks Ministerium geht davon aus, dass Sonne, Wind, die wenigen verbliebenen konventionellen Kraftwerke und das Ausland jederzeit genügend Strom liefern. Ab Ostern befindet sich Deutschland gewissermaßen im Experimentalmodus, was die Energieversorgung betrifft.

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