George Floyd-Ausstellung in Holocaust-Gedenkstätte

Während die Republik immer noch über Jana aus Kassel debattiert, stößt eine Ausstellung auf keinerlei Empörung, die die US-Polizei in die Nähe der Nazis rückt und George Floyd zu einer Art nachträglichem Holocaust-Opfer stilisiert. Von Michal Kornblum.

imago images / ZUMA Wire

„Wer sich heute mit Sophie Scholl o Anne Frank vergleicht, verhöhnt den Mut, den es brauchte, Haltung gegen Nazis zu zeigen. Das verharmlost den Holocaust und zeigt eine unerträgliche Geschichtsvergessenheit …“ twitterte unser Außenminister Heiko Maas vor einigen Tagen, der nach eigener Aussage wegen Auschwitz in die Politik gegangen ist. Die Aussagen einer Elfjährigen, die sich mit Anne Frank verglich und die von der inzwischen bekannten Jana aus Kassel entwickeln sich zu einem nationalen Skandal. Die Dauerempörten, gelangweilt und frustriert von Lockdown und Homeoffice, tun das, was sie am besten können, und treten einen Shitstorm los.

Eine neue Ausstellung einer Holocaust-Gedenkstätte in Florida war aber keines Kommentars oder Tweets würdig. Denn das Holocaust Memorial Resource and Education Center eröffnete kürzlich eine Ausstellung über den Tod von George Floyd. Gezeigt werden 45 Fotografien in schwarz-weiß, teilweise mit kurzen Zitaten von Personen, wie sie auf den Tod Floyds reagieren. Lisa Bachmann vom Holocaust Center erklärt: „Wir haben diese Ausstellung errichtet, damit Menschen herkommen können, diesen Menschen in die Augen blicken können und die Gefühle der Menschen nachfühlen, die sie gefühlt haben.“

To align Floyd’s tragic death with the massacre of 6million Jews is hugely insensitive

But it’s also political: it positions police as Nazis. Awful decision

pic.twitter.com/NSZN0IGiUd

— Martin Daubney (@MartinDaubney) November 22, 2020

Vielleicht bin ich einfach nicht modern oder offen genug, aber ich finde diese Ausstellung in diesem Kontext skandalös. Ich erinnere mich an frühere Ausstellungen mit großen Portraits von Holocaust-Überlebenden, die mit kurzen Berichten und Informationen ihr Zeugnis über die NS-Zeit ablegten. Nun wirkt diese George Floyd Ausstellung wie ein verhöhnender Abklatsch früherer Ausstellungen, da die Idee weder originell noch neu ist, und auch der Ort kaum unpassender sein könnte. Die Symbolik dieser Ausstellung ist tiefgreifend: Während die schwarze Bevölkerung (im besonderen George Floyd) auf die Ebene von Holocaust-Opfern gestellt werden, wird die Polizei zu Nazis stilisiert. Über die Causa Floyd wurde ausreichend geschrieben und debattiert, aber es hätte meine Vorstellungskraft übertroffen, dass selbst der größte BLM-Anhänger eine Scheinparallele zum Dritten Reich aufbauen könnte.

In den Kommentaren schreibt ein pensionierter, jüdischer Polizist, dass er den Versuch, eine Verbindung zwischen dem Holocaust und George Floyd herzustellen, als kränkend empfindet.

Heft 12-2020
Tichys Einblick 12-2020: Lockdown im Kopf
Dass dieser Ort für diese Propaganda missbraucht wird, ist der eigentliche Eklat. Es scheint nur keinen sonderlich zu beunruhigen. Die Dauer- und Berufsempörten sind sehr selektiv in ihrer Wahrnehmung von Skandalen und Furore. Wir leben in einer Zeit und Gesellschaft, in der die gleiche Aussage aus zwei verschiedenen Spektren völlig unterschiedliche Reaktionen auslöst. Das Gesagte wird unwichtig, wichtig ist nur noch, wer etwas sagt.

Der Außenminister und natürlich auch andere Politiker und hunderttausende Moralapostel im Internet können sich auf Knopfdruck kollektiv die Finger wund twittern, wenn eine politische persona non grata etwas Falsches oder Unüberlegtes gesagt hat. Wenn Aussagen eines elfjährigen Kindes von Spitzenpolitikern diskutiert werden, könnte man fast meinen, dass diese unterbeschäftigt wären. Andere Kinder werfen in diesem Alter mit antisemitischen Beleidigungen um sich, oder später als Erwachsene mit Steinen in Synagogenfenster wie am letzten Freitag in Essen.

Diese Unverhältnismäßigkeit in der Bewertung von „Skandalen“ ist unerträglich. In unserer Gesellschaft ergötzt sich ein – leider beachtlicher – Teil daran, mit dem Finger auf einzelne Menschen zu zeigen und sie wie im Mittelalter mit – virtuellen – faulen Eiern und Tomaten zu bewerfen. Ihre Pseudobetroffenheit ist nicht selten frappierender als der ursprüngliche Auslöser. Wenn sich mit unerschöpflicher Ausdauer unisono über dümmliche Vergleiche auf Demos echauffiert, aber zur Holocaust-Relativierung in einer Holocaust-Gedenkstätte geschwiegen wird, dann wurde in unserer Gesellschaft das individuelle Denken verlernt. Der Heiligenschein mancher Leute ist dann schließlich nichts mehr anderes als eine Notbeleuchtung.

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