Friedrich Merz ist demoliert – und lässt sich mit Hilfe der Linken wählen

Der Bundestag hat Friedrich Merz im ersten Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit verweigert. Er wird vorerst nicht Bundeskanzler, der zweite Wahlgang ist nun für 15.15 Uhr angesetzt. Zeitgleich geht die Suche nach den Verrätern los.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern

Über 328 Stimmen verfügen CDU, CSU und SPD zusammen im Bundestag. Laut Präsidentin Julia Klöckner (CDU) waren alle 630 Abgeordnete des Hauses am Dienstag zur Abstimmung in den Reichstag gekommen. Doch nur 621 Abgeordnete gaben im ersten Wahlgang ihre Stimmen ab, einer davon machte seine ungültig. Zwar erreichte Merz noch eine relative Mehrheit von 310 zu 307 Stimmen bei drei Enthaltungen. Doch im ersten Wahlgang hätte Merz eine absolute Mehrheit benötigt, also mindestens 316 von 630 Stimmen.

Nun kann Merz im zweiten Wahlgang gewählt werden. Der beginnt gegen 15.15 Uhr. Eigentlich wäre das laut Satzung nicht möglich gewesen. Doch eine Sonderklausel sieht vor, dass ein zweiter Wahlgang am gleichen Tag stattfinden kann, wenn eine Mehrheit von zwei Drittel der Stimmen dies befürwortet. Dies war möglich, weil Friedrich Merz und die Union sich an die Linken gewandt haben und diese zugestimmt haben. Merz macht dafür seinen Hattrick komplett: Für seine Kanzlerschaft verbeugt er sich nicht nur bis zur Erkenntnislosigkeit vor der SPD und den Grünen – sondern nun auch vor der Linken. Obwohl die Union ausdrücklich beschlossen hat, nicht mit den indirekten Nachfolgern der SED zusammenarbeiten.

Gescheiterter Wahlgang im Bundestag
Kanzlerwahl: „Wir retten Friedrich Merz nicht“
Verpasst Merz im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit erneut, wird es spannend. Im dritten Wahlgang genügt eine einfache Mehrheit: Mit 310 gegen 307 Stimmen wäre ein Kandidat zum Beispiel gewählt. Noch spannender wird es, wenn es nur eine relative Mehrheit gibt. Treten dann etwa in einem Beispiel drei Kandidaten an und A erhält 300 Stimmen, B 250 Stimmen und C 60 Stimmen, dann kommt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ins Spiel. Denn dann entscheidet er, ob A mit 300 Stimmen gewählt wäre, obwohl B und C gemeinsam mehr Stimmen auf sich vereinbart hätten. Steinmeier könnte in dem Fall aber auch Neuwahlen ausrufen.

Hinter diesen Szenarien versteckt sich noch viel Konjunktiv. Genauso wie hinter der Suche nach den Verrätern. Sicher ist nur, dass es die gegeben haben muss. Über 328 Stimmen verfügen CDU, CSU und SPD im Bundestag zusammen, nur 310 davon hat Merz erhalten. Vorausgesetzt, dass der CDU-Chef keine Stimmen aus den Reihen der Opposition erhalten hat, dann haben ihm 18 Abgeordnete der Regierungsfraktionen die Stimme verweigert. Im anderen Fall sogar mehr.

Wer sind nun diese mindestens 18 Verräter und was treibt sie an? Die Bild spekuliert, dass es sich um die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und ihren engeren Vertrautenkreis handeln könnte. Aus Rache für die Nicht-Berücksichtigung Eskens im Kabinett. Eine Möglichkeit. Auch denkbar, dass es sich um Linke aus der SPD und deren Nachwuchs-Organisation Jusos handelt. Aus Rache für die Abstimmung gegen die illegale Einwanderung, die Merz im Januar mit Hilfe der AfD durchgesetzt hat.

Ein denkbares Szenario ist aber auch, dass die Verräter aus Reihen von CDU und CSU kamen. Sie haben einen Wahlkampf gemacht für niedrigere Steuern, einen härteren Kampf gegen illegale Einwanderung und für eine seriöse Haushaltspolitik. Das alles hat ihr Spitzenkandidat ebenfalls versprochen. Doch unmittelbar nach der Wahl hat Merz angekündigt, für die Bürger werde alles teurer, da ließe sich nichts machen. Zwar wolle er gegen illegale Einwanderung vorgehen, aber nur wenn alle EU-Partner damit einverstanden seien. Außerdem pulverisierte Merz die Schuldenbremse und machte eine Neuverschuldung von rund einer Billion Euro möglich. Dem Spitzenkandidaten machte es offensichtlich nichts aus, dass sein Wort nichts wert war – möglich, dass es 18 Abgeordnete aus Reihen der Union anders gesehen haben. Nun auch noch die Zusammenarbeit mit den Linken. Merz wird für immer mehr CDU-Mitglieder zur Enttäuschung und zur aufgedeckten Lebenslüge.

Merz-Desaster im Bundestag
AfD fordert Neuwahlen
Sicher ist, dass Merz massiv beschädigt ist. Sein Fraktionschef Jens Spahn und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil haben ihm zugesichert, dass die Mehrheit für ihn stünde. Darauf basierend hat er bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages verkündet, dass CDU, CSU und SPD harmonisch zusammenarbeiten wollten, um das Land schnell und zielgerichtet nach vorne zu bringen. Schon mit dem ersten Schritt erweist sich das als genauso leere Worte wie die Wahlversprechen des möglichen zehnten Kanzlers der Republik.

All seine neun Vorgänger haben eine solche Schmach nicht erlebt. Von Konrad Adenauer bis Olaf Scholz haben es alle geschafft, sich ihre Mehrheit zu sichern. Auch wenn die nur aus einer Stimme bestand, statt wie bei Merz – theoretisch – aus zwölf Stimmen. Wenn überhaupt, dann startet Merz in seine Kanzlerschaft zuerst als Wortbrüchiger, Gescheiterter und nun auch als Kollaborateur mit den Linken. Als Mann, der nicht einmal seine eigenen Leute hinter sich versammeln kann. Dass da kein Optimismus in der Bevölkerung aufkommt. Dass da nur wenige glauben, dass die Formation aus CDU, CSU und SPD die gewaltigen Probleme des Landes bewältigen kann – wen wundert’s?

Friedrich Merz gehört zu einer Allparteienkoalition aus CDU, CSU, SPD, Grünen und Linken, die sich den Erhalt der „Brandmauer“ zum obersten Ziel gemacht hat. Die Ausgrenzung der größten Oppositionspartei ist das einzige Ziel, das diese Parteien noch energisch verfolgen – und dass sie erreichen. Nur klappt halt sonst nichts mehr. Derweil schrumpft die Wirtschaft im dritten Jahr in Folge, können Städte und Gemeinden die Folgen der illegalen Einwanderung nicht mehr schultern, wächst die Zahl der Gewaltverbrechen, sinkt das Bildungsniveau im internationalen Vergleich und ist die Armee nicht verteidigungsfähig – laut ihres eigenen Verteidigungsministers.

Eine Wahl von Merz im zweiten oder dritten Wahlgang. Eine rot-grüne Minderheitsregierung. Neuwahlen. Derzeit ist vieles möglich. Vieles unsicher, etwa die Frage, wer die Verräter in Reihen von CDU, CSU und SPD waren. Nur eins ist offensichtlich: Das politische Personal der Allparteienkoalition hat die Lage nicht im Griff. Statt sich nur darum zu kümmern, die AfD außen vor zu halten, sollten sie sich dringend mal wieder um die Problemlösung bemühen. Gelingt ihnen das weiter so schlecht wie bisher, dann wird die AfD als größte und deutlich erkennbarste Oppositionspartei weiter zulegen. Jenseits der „Brandmauer“ scheint es auch keine Mehrheit zu geben, wie zuerst die Ampel und nun Union und SPD bewiesen haben.

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Kommentare ( 69 )

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Gerro Medicus
7 Monate her

Ein Anführer einer angeblich „bürgerlichen Partei der Mitte“, der es nicht einmal hinbekommt, für sich eine sichere Mehrheit für seine Wahl zu organisieren und der dann noch die Charakterlosigkeit hat, sich mithilfe der Kommunisten / der Mauermörderpartei, die ihn im Wahlkampf als Nazi etc. tituliert haben, zum Kanzler wählen zu lassen, verdient nur noch Verachtung. Solch ein Mensch sollte Deutschland nicht repräsentieren dürfen, weder im In- noch im Ausland.

joly
7 Monate her

Nur mal angenommen: Sollte die AFD einige Abgeordnete empfohlen haben, den Fritze zu wählen damit er später weiß, dass er nur durch die AFD auf Merkels Sessel zu sitzen kam, dann könnte die Zahl der Unionsverweigerer sehr viel höher sein. Das gilt dann auch für sympathisierende Grüne und Rote. Das ganze Suchen nach Unionsverweigerern ist so sinnlos wie angeln in der Wüste. Arbeiten und Erfolg haben – das ist die Lösung. Innere und äußere Sicherheit, billige und ausreichende Energie; damit sollte Fritze mal anfangen.

ketzerlehrling
7 Monate her

Er ist nicht wählerisch. Das nennt man durchsetzungsstark, je nach Sichtweise.

Sabine W.
7 Monate her

Ist es nicht peinlich? Ist es nicht schrecklich peinlich und erbärmlich für eine ehemalige ‚Volkspartei‘, dass sie nicht nur vor ein paar Wochen noch für einen Ein-Billion-Schuldenberg, den Merz Tage zuvor noch wahlversprecherisch kategorisch abgelehnt hatte, sich mit dem nur noch ‚geschäftsführenden‘ Interims-Bundestag ins Bett gelegt haben? Und ist es nicht noch peinlicher, die ‚unvereinbaren‘ Linken dazu zu bequatschen, dass sie auf jeden Fall für den neuen Kanzler-Darsteller votieren? Was für eine neue Regierung soll das sein? Wer führt sie, wer zieht WIRKLICH die Fäden? Heißt der eigentliche Kanzler nicht doch Lars Klingbeil und Herr Merz ist das pro forma-Aushängeschild… Mehr

Dieter Rose
7 Monate her

Das sehen Sie leider falsch. Der Südkurier titelt:
„…im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt
18 Abweichler verweigern ihm zunächst die Stimme“
Das große Lügen geht weiter!
Die Plätze an den öffentlichen Zitzen sind gesichert! Wohl bekomm’s! (Dem Volk eher nicht.)

Gabriele Kremmel
7 Monate her

Man kann es auch gut finden, dass durch die Beteiligung der Linken der Unvereinbarkeitsbeschluss als solcher eine Relativierung erfahren hat. Heißt: Brandmauern sind per se beweglich.

Michael M.
7 Monate her

Ich tippe < 1 Jahr 🥳

Dieter Rose
7 Monate her
Antworten an  Michael M.

Volle Wahlperiode, es gibt noch mehr Tricks, sich an der Macht zu halten.
Erster Schritt: Vereinigung aller Parteien zur MED ( da das N für neu verdächtig ist/national nimmt man M), also Moderne Einheitspartei Deutschlands, solange bis man für das D einen passenden Ersatz gefunden hat!

Privat
7 Monate her

Die SED Nachfolgepartei und die giftig Grünen haben dem M. zu seinem Ziel verholfen.
Wie geschmacklos, wie impertinent und charakterlos.
Fazit – Die CDU/CSU – sie gehen inzwischen immer über Leichen, um an ihr Ziel zu gelangen.
Da wähle ich doch besser die Alternative, die AFD.

Gerro Medicus
7 Monate her
Antworten an  Privat

Die LINKE ist NICHT die SED-NACHFOLGEPARTEI, sie IST DIE SED 2.0

Juergen Schmidt
7 Monate her

Zwischen den beiden Wahlgängen, in den Hinterzimmern des Bundestag, hat Friedrich März wahrscheinlich nochmal schnell das Land an die GRÜNEN und die SED verraten.
Schließlich muss jetzt Blackrock unbedingt ins Kanzleramt, um jeden Preis. Was mit Deutschland und den Deutschen wird, ist inzwischen sowieso nachrangig.

Nibelung
7 Monate her

Ein ausgehandelter Sieg mit den Falschen ist die denkbar schlechteste aller Varianten weil man sich beim denkenden Wahlvolk schwerst beschädigt und mit diesem Makel wird er leben müssen, denn die vergessen nichts und werden immer darauf hinweisen unter welch erbärmlichen Umständen er zum politischen Führer gewählt wurde, was kein Ruhmeszeichen ist, sonder abgrundtiefe Verachtung verdient um mit Zinkereien an die Macht zu kommen, weil der Anständige eine andere Meßlatte anlegt und nicht nach dem Muster aller Unanständigen verfährt. Er repräsentiert genau den falschen Katholiken, der für ein Linsenmuß den Herrn, in diesem Fall den Wähler erneut verraten hat und man… Mehr

pavaroo
7 Monate her
Antworten an  Nibelung

Offensichtlich haben sie die letzten 20 Jahre im Tiefschlaf verbracht, ansonsten könnten sie nicht behaupten daß das Wahlvolk nichts vergisst.
Das genaue Gegenteil ist der Fall, der Michel geht bereits morgen zur Tagesordnung über und schwärmt vom neuen Kanzler.

elly
7 Monate her
Antworten an  Nibelung

 denn die vergessen nichts „
leider doch. Auf die Vergesslichkeit der Wählerschaft konnten und können sich Politiker verlassen