Die Rolle der Kanzlerin im Hintergrund der Kandidatenkür

Die Entscheidung für Laschet kam in letzter Minute vor dem Union-Crash. In diesem Theaterstück trat Angela Merkel nicht auf, aber sie führte von Anfang an die Regie. Und am Ende gewinnen nur die Grünen.

IMAGO / Sven Simon
Markus Söder, Angela Merkel und Armin Laschet (Fotomontage)

Sprichwörtlich im letzten Moment hat der Rastelli von der Isar die Notbremse gezogen. Bis zum Schluss hielt er dabei wie immer zehn Bälle gleichzeitig in der Luft. Gerade noch rechtzeitig erkannte Söder, dass er im Poker um die Kanzlerkandidatur der Unionsparteien überzogen hatte. Der nächste Schritt wäre die Missachtung eines Vorstandsbeschlusses der CDU Deutschlands gewesen. Die Folgen sind gar nicht auszumalen: Neuauflage des Geistes von Kreuth, was nicht weniger hieße, als den Bruch der beiden Parteien mit zwangsläufiger Auflösung der Fraktionsgemeinschaft im Deutschen Bundestag.

Ganz davon abgesehen, dass Söder wie Laschet irreparabel angeschlagen gewesen wären. Nur fünf Monate vor der Bundestagswahl wäre die neben der FDP einzig verbliebene bürgerliche Partei in einen Prozess der Selbstzerfleischung geraten. Söders Nachgeben folgte nicht einer inneren Überzeugung, sondern dem Instinkt des Spielers, der weiß, dass diese Partie aufs Erste verloren ist. Doch die Wunden bleiben und die Dolche im Gewand sind weiter gezückt. Der Zustand der Unionsparteien ist so kurz vor der Bundestagswahl fragil und extrem geschwächt. Nur eine Dame im Lande, gebärdet sich so, als ginge sie das Ganze nichts an. Die Kanzlerin sozusagen als schwebende Göttin über den Niederungen des Alltags. Dabei weiß Merkel genau, dass sie selbst die Ursache dieser bösartigen Wucherungen in ihrer Partei war und ist. 

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Erinnern wir uns: Nach einer Serie von Wahlniederlagen in Folge legte die Kanzlerin 2018 überraschend den Vorsitz ihrer Partei, der CDU, nieder. Fortan wolle sie nur noch als Regierungschefin agieren, und sich aus dem Alltag der Union heraushalten. In einem Moment, in dem in jeder anderen Partei die Diskussion über die Gründe der Niederlagen ausgebrochen wäre, machte sie sich einfach davon, frei nach dem Motto: nach mir die Sintflut. Ihrem Vorschlag entsprechend, fiel der Sonnenstrahl auf eine Frau aus dem Saarland. Annegret Kramp-Karrenbauer wurde Nachfolgerin und trat das Amt mit Frische, Elan und Freude an.

Nur hatte sie die Rechnung ohne die mit allen Wasser der Macht gewaschene Angela Merkel gemacht. Jeder, der die Pfarrerstochter aus Templin kennt, weiß, dass sie es niemals ertragen würde, dass jemand besser als sie auf ihrem Posten erfolgreich agierte. Schon bald nach dem Wechsel war die Distanz und die Kühle der Kanzlerin gegenüber der nun auch zusätzlich Verteidigungsministerin für jeden spürbar. Besonders die Vorstöße AKKs zu einer stärkeren Teilnahme der Bundesrepublik an den weltweiten Aktivitäten des Nato-Bündnisses und ihr unverschnörkeltes Ja zum Atlantischen Bündnis bei gleichzeitiger Härte im Umgang mit Moskau erregten Merkels Unwillen. Mit nicht einer Silbe trat sie den Schmähungen ihrer Ministerin seitens des Koalitionspartners und der versammelten Linkspresse entgegen.

Doch dann geschah etwas aus Merkels Sicht Ungeheuerliches. Infolge eines trickreichen Vorgehens der AfD wurde in Thüringen mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD der liberale Kemmerich zum Ministerpräsidenten des Freistaates gewählt. Merkel, zu diesem Zeitpunkt auf Staatsbesuch in Südafrika, grätschte, was ausgesprochen unüblich ist, aus der Ferne dazwischen. Das Ergebnis der MP-Wahl müsse sofort „rückgängig gemacht“ werden. Wohlgemerkt, die Kanzlerin sprach von einem auf höchst demokratische Weise zustande gekommenen Sachverhalt. Es kann sich nur um einen Freud’schen Versprecher gehandelt haben, was ihr da zwischen den Zähnen entfleuchte. Merkels Wille geschah und AKK stand bis auf die Knochen blamiert da. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die tiefenttäuschte Frau die Brocken hinwarf.

Nun begann wieder eine monatelange Hängepartie. Merkels einzige Sorge in dieser Zeit war, ein mögliches Comeback ihres Erzfeindes Friedrich Merz zu verhindern. Zum „Glückskind“ wurde der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet auserkoren. Ein harmoniesüchtiger und Merkel stets ergebener Mann, der sich für den Kamikaze-Job geradezu anbot. Der Coup gelang. Und schon fing das Gezerre um die Kanzlerkandidatur an. Auf dem Höhepunkt des Zweikampfes zwischen Söder und Laschet watschte Merkel den Kandidaten Laschet in aller Öffentlichkeit via ihrer Chef-Propagandistin Anne Will ab. Wieder wurde Einer zum begossenen Pudel, der nach Luft rang. Hatte die Kanzlerin etwa heimlich ihre Liebe zum Alpen-Rastelli entdeckt? Der jedenfalls überbot sich zu dieser Zeit vor Unterwürfigkeit und Anbiederung an die Chefin selbst. Jetzt musste man nur noch in der ersten Reihe sitzen und warten, bis der Urknall stattfindet. Schuld wären „der intrigante Söder“ und „der unfähige Laschet“ gewesen. Die CDU selbst aber wäre im ungewissen Nirgendwo verschwunden.

Kandidat vor der Entscheidung
Heute kann Armin Laschet seine Eignung als Kanzler beweisen
Stellt sich die Frage nach dem Sinn und Zweck dieses ganzen Spektakels. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Die Kanzlerin entdeckt ungeachtet der schweren Belastungen im Kampf gegen Corona erneut ihr Gewissen für Deutschland. In einem dramatischen Appell über alle Kanäle bietet sie sich nochmals, nicht ohne dabei für begangene Fehler um Verzeihung bittend, als Retterin in der Not an. Nach schwerer innerer Prüfung stehe sie noch einmal für das Kanzleramt zur Verfügung. Welch eine Erlösung für das Volk und wie groß der Dank! 

Denkbar ist aber noch ein anderes Kalkül, welches Merkel treibt. Je schwächer die Union, umso größer sind die Chancen für die Grünen. Mit den Werten der Christdemokraten war Merkel im tiefsten Inneren nie warm geworden. Es wäre nicht ganz von der Hand zu weisen, dass sie unter einer Kanzlerschaft Baerbocks die Fortsetzung ihres gesellschaftspolitischen Linkskurses für wahrscheinlicher hält, als mit jedwedem Repräsentanten der CDU. Zumindest hier wäre Merkel einmal prinzipienfest und sich selbst treu.

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Kommentare ( 125 )

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Caroline Hoelzl
2 Jahre her

Im Grunde haben wir doch seit spätestens 2015 eine mehr oder weniger grüne Politik. Wir haben die Energiewende, Energie aus Atomkraft wird es ab nächstes Jahr in D nicht mehr geben.Wir haben unkontrollierte Masseneinwanderung. Die Bundeswehr ist ein Witz. Hohe Belastung durch Steuern und mehr für Gerechtigkeit. Steuerliche Unterstützung für Gender Professuren und sonstiges Gedöns. Bürgerliche Partei die CDU?? Die etablierten Parteien unterscheiden sich doch nur noch dadurch, dass die einen etwas grüner sind als die anderen. Grün sind doch mittlerweile alle. Das ganze politische und mediale Establishment sind nur noch an gefälliger Wohlfühl Politik interessiert. Wohlklingendes Bla Bla Bla… Mehr

w.k.
2 Jahre her

Merkels unfähigster Minister und treuster Sklave- Altmeier hat sich öffentlich auf die Seite des neu gekrönten Königs der Umfragen und der Opportunisten, am Montag, von der Abstimmung gestellt. Sicher nicht eigene Idee. Ohne Erlaubnis der Domina darf er nicht mal aufs Klo.

Gottfried
2 Jahre her

Merkels Zeit geht zu Ende. So weltfremd wird nicht mal sie sein, dass sie das nicht weiß. Sie würde sicher gerne weiter „mitspielen“, aber das wird ihr verwehrt werden. Merkel hat nicht nur unserem Land schweren Schaden zugefügt, möglicherweise hat sie auch die CDU als Volkspartei ruiniert.

ExternerBlick
2 Jahre her

Einer Erklärung von Laschet („Mit dem Ende … von Merkel beginnt eine neue Zeit“) müssen nicht unbedingt TATEN folgen!

Manche befürchten: auch unter Laschet wird die CDU „inhaltlich entkernt“ bleiben.

Laschet scheint jedoch vom Katholizismus geprägt zu sein.

Merkel hielt es dagegen mit dem Spruch: „Eine Partei darf eigentlich keine Religion im Namen haben“.

Diese Merkel-Grundüberzeugung kommt wohl aus Ihrer DDR-Vergangenheit.

Insofern wird es einen Unterschied zwischen Laschet und Merkel geben.   

0816
2 Jahre her

wäre die neben der FDP einzig verbliebene bürgerliche Partei“

Das soll wohl ein sehr schlechter Witz sein. Die CDU ist keine bürgerliche Partei. Eine illegale Massenzuwanderung in unser Sozialsystem zu veranlassen, unter Bruch des Dublin III-Abkommens, unter Bruch des Asylbewerberleistungsgesetzes, unter Bruch von Artikel 16a Grundgesetz ist keine bürgerlich-demokratische Politik. CSU und FDP unterstützen diese verfassungswidrige Politik und haben das bürgerlich-demokratische Spektrum längst verlassen. Die AfD duldet zwar leider eine quertreibende und die Partei sabotierende nationalbolschewistische Minderheit um Höcke, vertritt aber ausschließlich eine bürgerlich-konservative und wirtschaftsliberale Programmatik.

Petra Horn
2 Jahre her

Schön wäre es, wenn Merkel von der Bildfläche verschwindet, allein . . .

Karamba
2 Jahre her

Nur mal so zur Erinnerung, es war Frau Merkel, die in rund 20 Jahren die CDU als Partei immer wieder dekapitiert hat.

Oliver Koenig
2 Jahre her

„wäre die neben der FDP einzig verbliebene bürgerliche Partei“

Späßchen gemacht? Es gibt nur noch eine einzige bürgerliche, konservative Partei in Deutschland.

schwarzseher
2 Jahre her
Antworten an  Oliver Koenig

…. und die steht ganz vorn im Alphabet.

teanopos
2 Jahre her

Im Ausland(New York Times) wird Merkel und ihre Union (noch) als konservativ wahrgenommen. Und außerdem wird offenbar wert darauf gelegt folgendes linksgrüne Narrativ zu bedienen: „short of ideas on how to keep Germany vibrant and rich in a world where its industrial and export model is outdated“ (https://www.nytimes.com/2021/04/17/world/europe/germany-green-party-merkel.html) Der Satz bezieht sich auf die CDU als auch auf die Industriekultur in Deutschland. Dass die CDU keine Ideen hat ist ja richtig, aber dass das Industrie und Exportmodel dieses Landes „outdated“ sein soll ist dann schon starker Tobak. Es sollte ledigleich erweitert werden, um die Digitalisierung; und auch das geschieht „dank“… Mehr

Last edited 2 Jahre her by teanopos
teanopos
2 Jahre her
Antworten an  teanopos

„Und jetzt soll bei uns mit Hilfe der Grünen offenbar ERNEUT der Versuch unternommen werden die Deutsche Industrie abzuräumen.“
Ergänzung/Korrektur: „Deutsche Industrie“ beinhaltet selbstverständlich die Hochtechnolgie.
Sie bedingen einander, im nationalen Kontext.

Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  teanopos

Die „deutsche Industrie“ hat bereits Firmensitze wie Dependancen überall auf der Welt. Seit langem ist „made in Germany“ mit der Einbildung, hier wäre noch die Weltspitze, nicht mehr der Fall.
Leider kann der „Mittelstand“ nicht so einfach seine Koffer packen – aber wegen des Virus sieht es für seine wirtschaftliche Zukunft mehr als trübe aus.

teanopos
2 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Das ist mir Durchaus bewusst, trotzdem gibt es noch Mittelständler/Hidden Champions die qualitativ hochwertig hier entwickeln und produzieren.
Sollen die auch noch gehen?
Das heißt das Thema bedarf einer ständigen Aktualität. Auch diese werden vom deutschen Behördenapparat erdrückt, auch diese leiden unter den Corona-Maßnahmen.
Und manchmal haben ich den Eindruck unsere Regierung wird Fremdberaten, von fremden Interessen geleitet, gerade auch in diesem Kontext.

Last edited 2 Jahre her by teanopos
Kaltverformer
2 Jahre her

Na ja, ich glaube ja schon seit einigen Jahren daran, dass die Agenda von Angela Merkel die Zerstörung der BRD ist.
Die CDU hat sie erfolgreich an die Wand gefahren (als fünfte Kolonne) und damit jeglichen Widerstand gegenüber den Grünen Utopien verunmöglicht.
Den CDU-Kandidaten hat sie der Lächerlichkeit preis gegeben und damit den Grünen Tür und Tor für eine Kanzlerschaft ermöglicht (die Wähler sind nun einmal aufgrund der Bildungsmisere wieder dämlich genug geworden) und damit wird Deutschland endgültig abgewickelt.