Musterung Pflicht, Dienst „freiwillig“. Ein Gesetz wie ein Taschenspielertrick. Der Bundestag bereitet die Rückkehr der Wehrpflicht vor, während Schüler, die dagegen demonstrieren wollen - anders als noch bei den Klimademonstrationen - an die Schulpflicht erinnert werden.
picture alliance / Flashpic | Jens Krick
Der Bundestag hat mit der Mehrheit von CDU/ CSU und SPD ein Gesetz beschlossen, das angeblich einen „freiwilligen Wehrdienst“ einführt, in Wirklichkeit aber die Rückkehr der Wehrpflicht vorbereiten soll. Bei der CDU/ CSU stimmten alle Abgeordneten für das Gesetz, zwei gaben keine Stimme ab. Bei der SPD gab es eine Gegenstimme und zwei nicht abgegebe Stimmen.
Das die Wehrpflicht wieder kommen soll, wird, wie alles bei dieser Regierung, nicht offen benannt, sondern verbrämt, verschwurbelt durch die Hintertür mit Fragebogenpädagogik und Musterungszwang benannt. Ein infantilisiertes Deutschland bekommt jetzt eben auch eine Wehrpflicht, die sich nicht so nennen darf.
Man hätte sich fast gewünscht, Boris Pistorius hätte gesagt: „Ja, wir brauchen wieder eine Wehrpflicht.“ Doch wie so oft in diesen Tagen präsentiert die Bundesregierung eine Lösung, die mutig klingen will, in der Realität aber vor allem ein Placebo für eine sicherheitspolitisch marode Republik ist.
Die Musterung ist Pflicht, der Wehrdienst angeblich nicht
Alle Männer ab Jahrgang 2008 werden künftig verpflichtet, sich der Musterung zu stellen. Das ist ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, ein staatlicher Zugriff auf den Körper junger Männer. Das ist nichts weniger als die Vorstufe zur Wehrpflicht. Nur heißt sie jetzt eben, politisch opportun, „Wehrerfassung“.
Die Entscheidung dann zu dienen, soll freiwillig sein. Im Klartext: Erst werden alle erfasst, dann wird ausgesiebt, und sollte das nicht ausreichen, kommt die Pflicht. Oder wie Pistorius es ehrlicherweise, wenn auch unbeholfen, formulierte:
„Wenn es nicht reicht, werden wir um eine Teil-Wehrpflicht nicht umhinkommen.“ Ein Satz, der trotz des verbalen Zuckergusses wie ein Donnerhall im Plenum hallte.
Jugendliche sollen den Kopf hinhalten und merken das auch
Während die Abgeordneten ihre historische Entscheidung feierten, standen Schüler auf der Straße. Und zwar nicht aus hedonistischem Streikreflex, der inzwischen zur schulischen Mode geworden ist, sondern, weil sie diesmal tatsächlich und direkt betroffen sind.
Die Generation Z soll für eine Außen- und Sicherheitspolitik geradestehen, die seit Jahrzehnten von den gleichen Parteien ruiniert, ignoriert oder wegmoderiert wurde. Dieselben Politiker, die heute den Wehrdienst predigen, haben gestern Kasernen geschlossen, die Wehrpflicht abgeschafft und eine Armee demoralisiert, entrechtet und entkernt, bis sie nicht einmal mehr marschieren konnte, ohne dass eine taz-Kolumnistin in Ohnmacht fiel.
Und jetzt sollen 18-Jährige plötzlich jene Last schultern, die Politik, Medien und Gesellschaft 15 Jahre lang unter „Frieden schaffen ohne Waffen“-Illusionen weggelächelt haben.
Schülerstreik? Bitte nur nach dem Unterricht
Die Reaktionen der Behörden auf die Proteste sind entlarvend. Während Jugendliche ermutigt worden waren, bei den Fiday-for-Future-Demonstationen mitzumachen, wird es ihnen hier schlicht und einfach während des Unterrichts verboten. Man erklärt den Jugendlichen zwar staatstragend, sie hätten jetzt eine „historische Verantwortung“, verbietet ihnen aber, während der Unterrichtszeit gegen diese Verantwortung zu demonstrieren.
Der mdr berichtet, dass Schüler in Sachsen gegen die Pläne zum Wehrdienst demonstrieren wollen. “Geplant sind Aktionen etwa in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Döbeln, Annaberg-Buchholz und Pirna teilte die Initiative „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ mit. Der Schülerrat Sachsen lehnt jedoch eine Unterstützung des „Schulstreiks“ sowie der Schülerdemos am Freitag gegen Wehrpflicht ab. Begründung: Das Mandat der Schülervertretung sei darauf ausgerichtet, „schulische Interessen zu vertreten, die Beteiligung an politischen Demonstrationen zählt nicht zum schulpolitischen Mandat, weil Schülervertretungen kein allgemeines politisches Mandat besitzen und insbesondere keine politische Bevormundung der Schülerinnen und Schüler anstreben dürfen.“
Das Kultusministerium in Dresden verweist bei Demonstrationen gegen die Wehrpflicht auf die geltende Schulpflicht. Die Teilnahme an Demos während der Unterrichtszeit sei als unentschuldigtes Fehlen zu werten. Das war bei Friday-for-Future durchaus anders.
Auch der Lehrerverband warnt Schüler, ganz anders als bei den Klimademonstrationen, vor „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ während des Unterrichts.
Da zeigte sich wieder die ganze Hilflosigkeit eines Staates, der seinen Nachwuchs zum Dienst verpflichten will. aber Angst davor hat, dass derselbe Nachwuchs eine eigene Meinung dazu äußern könnte.
Eine Armee ohne Strategie – aber mit Fragebogen
Die Jugendlichen, und nicht nur sie, stellen sehr berichtigte Fragen:
- Wozu 270.000 Soldaten, wenn gleichzeitig Gerät und Material fehlt?
- Wozu 200.000 Reservisten, wenn es für sie weder Kasernen noch Waffen gibt?
- Wozu ein „modernisierter Wehrdienst“, wenn nicht einmal eindeutig definiert ist, wann und wie eine Bedarfswehrpflicht greifen soll?
Die Bundesregierung betreibt keine Verteidigungspolitik. Sie betreibt Sicherheits-Esoterik. Ein bisschen Musterung hier, ein paar Anreize dort. Alles aber mit sehr viel moralischem Pathos.
Man will Strukturen schaffen, ohne eigentlich zu wissen, was man mit ihnen anfangen soll. Hofft aber insgeheim, dass es zumindest dafür helfen möge, dass sich die Umfragewerte etwas stabilisieren.
Vor allem aber offenbart das Gesetz etwas, das niemand aussprechen will. Deutschland hat zwar sehr, sehr viele Bürgergeldbezieher, aber eben keine Pflegekräfte, Lehrer, Polizisten, Handwerker, Arbeiter und Ingenieure. Und, daher auch keine Soldaten.
So eine Armee aufbauen zu wollen, kann durchaus als ambitioniert bezeichnet werden.

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Nun sowas passiert halt in einer Boomer-Rentner „Republik“ ergo „Oligarchie“.
Man sollte sich von den „berechtigten Fragen“ keinesfalls einlullen lassen. Wenn es darum ging, junge Männer in den Krieg zu schicken, mangelte es der Politik noch nie an Kreativität. Und Geld war plötzlich auch immer genügend dafür vorhanden. Wer den Weckruf jetzt noch nicht vernommen hat, sollte sich später nicht beklagen
Die Wehrpflicht muss endgültig abgeschafft werden. Nötig ist eine öko-konservative Politik gemäß Herbert Gruhl.
„Alle Männer ab Jahrgang 2008 werden künftig verpflichtet, sich der Musterung zu stellen.“
Welche Männer? Alle genetischen oder nur die, die sich nicht rechtzeitig dem weiblichen Geschlecht angeschlossen haben?
„Musterung Pflicht, Dienst „freiwillig“. Ein Gesetz wie ein Taschenspielertrick.“ So ist es, weil CDU(/SPD sich vor rot-grünen Anfeindungen der „rot-günen kulturellen Hegemoni“ fürchten. Obwohl das gar nicht zutrifft. Die ärgsten Verfechter einer vollwertigen Wehrpflicht sind die Grünen – Dank Putin. Das hat aber nichts zu bedeuten. Seit 2024 ist die Anzahl der Freiwilligen um 16% angestiegen – Dank Putin Sollte es darauf ankommen wird „freiwillig“ ganz schnell im Mülleimer verschwinden. Darauf läuft es hinaus. „Alle Männer ab Jahrgang 2008 werden künftig verpflichtet, sich der Musterung zu stellen. Das ist ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, ein staatlicher Zugriff auf den… Mehr
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