Deutsches Gericht stoppt erstmals Zensur durch Facebook

Rechtsanwälte Steinhöfel erwirken einstweilige Verfügung gegen Internetgiganten.

© JOEL SAGET/AFP/Getty Images)

Hamburg/Berlin, 12.04.2018 – Erstmals ist es in Deutschland gelungen, ein gerichtliches Verbot gegen Löschungen und Sperrungen rechtmäßiger Inhalte durch Facebook zu erwirken. Die Hamburger Kanzlei Rechtsanwälte Steinhöfel hat beim Landgericht Berlin eine entsprechende einstweilige Verfügung beantragt und erhalten (Beschluss vom 23.03.2018, 31 O 21/18). Der Fall: Die „Basler Zeitung“ verlinkte am 08.01.2018 den Artikel „Viktor Orban spricht von muslimischer ‚Invasion‘“ auf ihrer Facebook-Seite. Angekündigt mit einem Zitat des ungarischen Regierungschefs: „Viktor Orban wundert sich, wie in einem Land wie Deutschland […] das Chaos, die Anarchie und das illegale Überschreiten von Grenzen als etwas Gutes gefeiert werden konnte’“. Der Nutzer Gabor B. kommentierte: „Die Deutschen verblöden immer mehr. Kein Wunder, werden sie doch von linken Systemmedien mit Fake-News über ‚Facharbeiter’, sinkende Arbeitslosenzahlen oder Trump täglich zugemüllt“.

Dieser Kommentar war kurz danach derjenige mit den meisten „Likes“. Bis er von Facebook wegen eines angeblichen und nicht näher erläuterten Verstoßes gegen deren Gemeinschaftsstandards gelöscht und B. für 30 Tage gesperrt wurde. Joachim Steinhöfel: „Man mag die Einschätzung des Kommentators teilen oder die Äußerung als polemisch und unsachlich erachten. Wichtig ist nur: Der Kommentar ist von der Meinungsfreiheit gedeckt.“

Facebook lenkte auf die Abmahnung von Rechtsanwälte Steinhöfel teilweise ein und hob die Sperre auf, die Löschung aber nicht. Die Anwälte Facebooks teilten mit, dass eine „erneute sorgfältige Überprüfung zu dem Ergebnis (kam), dass die Gemeinschafsstandards korrekt angewendet worden waren und der Inhalt daher nicht wiederhergestellt werden kann.“ In der vom Landgericht Berlin erlassenen einstweiligen Verfügung wird dem Unternehmen nun unter Androhung von Ordnungsgeldern bis zu € 250.000,00 oder Ordnungshaft verboten, den zitierten Kommentar zu löschen oder B. wegen dieses Kommentars zu sperren. Einstweilige Verfügungen werden in der Regel nicht begründet. Das Gericht konnte dem Antrag aber nur stattgeben, wenn es die Rechtsauffassung vertrat, dass a) Nutzer es nicht hinnehmen müssen, dass ihre rechtmäßigen Inhalte aus sozialen Medien gelöscht werden und dass b) der konkret gelöschte Inhalt rechtmäßig und zulässig war.

„Dies ist ein richtungsweisender Beschluss und die erste derartige Gerichtsentscheidung in Deutschland. Endlich haben Nutzer eine Handhabe gegen die intransparenten Machenschaften eines Konzerns, der mit seiner Verantwortung umgeht, als handele er mit gebrauchten Fahrrädern“, sagt Steinhöfel. „Dieses Verfahren berührt eine für die Kommunikation in sozialen Netzwerken sowie für die Teilhabe am Meinungsaustausch in einem Netzwerk mit marktbeherrschender Stellung grundlegende Rechtsfrage: Hat der sich vertrags- und rechtstreu verhaltende Nutzer der Dienste von Facebook oder Twitter eine Löschung seiner Inhalte oder eine darauf fußende Sperre hinzunehmen oder nicht? Der Beschluss ist ein wichtiger Etappensieg für die Meinungsfreiheit.“ Steinhöfel sieht sich zudem in seiner Kritik am umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bestätigt. „Es ist nicht nur verfassungswidrig, es funktioniert auch nicht, sondern dient noch als Brandbeschleuniger der aktuellen willkürlichen Lösch- und Sperrpraxis.“ In den Materialien zu dem Gesetz hieße es zwar: „Niemand muss hinnehmen, dass seine legitimen Äußerungen aus sozialen Netzwerken entfernt werden“. Justizminister Maas habe es aber in fahrlässiger Weise unterlassen, einen solchen Anspruch auch in das Gesetz aufzunehmen, so Steinhöfel.

Der Beschluss wurde am 23.3.2018 vom Landgericht Berlin erlassen und den Rechtsanwälten Steinhöfel am 6.4.2018 zugestellt. Er wird jetzt per Gerichtsvollzieher der Gegenseite zugestellt. Ab Zustellung ist er von Facebook zu beachten. Das Unternehmen kann Rechtsmittel einlegen.

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Kommentare ( 64 )

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64 Comments
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Taschenkrebs
6 Jahre her

– Zum planvollen „deplatforming“ konservativer Profile aus sozialen Medien und wie sich die Löschung einzelner Profile auf den inhaltlichen Wert auch aller anderen mit diesem verbundenen Profile und die Qualität der gesamt vorfindbaren Diskussion auswirkt – Schon vor dem NetzDG wurde in einem Strategiepapier aus den USA von vier dortigen namhaften Medien-Agenturen (Hauptautor David Brock) erörtert, wie nach dem unerwarteten Sieg Trumps weiter verfahren werden solle. Das Papier ist sehr umfangreich, hat vertrauliche Passagen und liegt hier vor. Ein Ansatz war, Trump basierend auf allem verfügbaren Material, das zu dem Zweck zu sichten war, mit medialen Anschuldigungen, Skandalisierungen und Rechtsstreits… Mehr

Nicholas van Rijn
6 Jahre her

Eine Anregung: Vielleicht sollten auch alle, die die Erklärung 2018 unterschreiben, ihre facebook- und twitter-accounts löschen.

Feinbein
6 Jahre her

Es ist schon traurig hier in Deutschland.Da gibt es nach GG die Meinungsfreiheit, die gegebenenfalls gerichtlich eingeschränkt werden kann, falls sie sich auf strafbewehrte Aussagen erstreckt.Jetzt aber wird erstmal die Meinung verboten/gelöscht und man muß gerichtlich seine Meinungsfreiheit einklagen, die nach GG zu den unveräusserlichen Rechten gehört.Welche Schizophrenie, die wir insbesondere dem früheren Justizminister und jetzigem Aussenminister zu verdanken habe!!!Für mich ist Herr Mass einer der schlimmsten und unfähigsten Minister, der nicht Mitglied im Parlament oder gar in der Regierung sein darf!!!

Nicholas van Rijn
6 Jahre her
Antworten an  Feinbein

Wahrscheinlich bin ich einfach zu alt. Aber warum das Löschen eines Postings auf „fakebook“ meine Meinungsfreiheit einschränkt werde ich nicht verstehen. Das ist ja nur ein „Kanal“, oder? Für mich ist das Ganze schon ein bisschen Ablenkungsmanöver. Aber es liegt vielleicht auch daran, weil ich fakebook und zwitscher nie verwendet habe und es auch nicht verstehe, was da so toll ist. Wenn ich mit meinen Mitmenschen meine Meinung austausche, so im persönlichen Gespräch, dann kann mich keiner Hindern, meine Meinung zu sagen!

Hajo
6 Jahre her

Dieser erste Erfolg eines Anwaltes ist sicherlich respektabel, aber trifft nicht den Kern der gesamten Angelegenheit, den das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist illegal und ein Rechtsbruch und niemand kann es zugemutet werden, seine gesetzlich angestammten Rechte per Klage verteidigen zu müssen, die nur zwei Seiten helfen, zum ersten den Regierenden und zum zweiten der verteidigenden Zunft und deshalb muß dieses Gesetz rückgängig gemacht werden und wenn die nicht wollen, dann müssen sie eben bei jeder passenden Gelegenheit über Stimmenverweigerung abgestraft werden, bis sie aufgeben müssen oder Einsicht zeigen. Unsere Gesetzgebung ist in dieser Sache schon lange geregelt, wer sich strafrechtlich äußert kann… Mehr

Karl Gross
6 Jahre her

Da wird sich der Aussenminister freuen.)

Someone
6 Jahre her

…na da bin ich einmal gespannt was Facebook macht. – Entweder wird der Kommentar wieder freigeschaltet, weil dieser längst unter einem Wust von anderen Bemerkungen untergegangen und keine Beachtung mehr findet…

Oder aber genauso wahrscheinlich, Facebook scheisst einfach auf die Einstweilige Verfügung, denn 250.000,– zahlt der Laden locker aus der Portokasse….

nomsm
6 Jahre her
Antworten an  Someone

pro Tag?

Someone
6 Jahre her
Antworten an  nomsm

Wieso pro Tag? – „Ordnungsgelder“ heißt ja nicht täglich…. Auf eine Zahlung lassen die es bestimmt ankommen wenn es sein muss… und auch 4x 250.000,– wäre sicher kein Problem! – Vorher legen die aber Einspruch ein…! – Siehe Text „Das Unternehmen kann Rechtsmittel einlegen.“

– Außerdem, „Einstweilige Verfügungen“ werden oft schnell ausgestellt und der Betroffene guckt kurzfristig in die Röhre, aber im Nachgang „, „Das Unternehmen kann (würde eher sagen „wird“) Rechtsmittel einlegen“, oft auch schnell wieder negiert… – Daher eigentlich nur ein Pyrrhussieg, meine Meinung…

Jutta Schäfer
6 Jahre her

Vielleicht ist der Rechtsstaat noch nicht ganz tot. Er zuckt noch. Weitere Entscheidungen dieser Art gegen Facebook und für die Freiheit der Meinung werden ihn wiederbeleben. Ich hoffe es gibt noch viele davon.
Danke an Herrn Steinhöfel.

baucis
6 Jahre her

Ich gratuliere Herrn Steinhöfel und bin tief dankbar für seinen Einsatz, der der Verteidigung unserer freiheitlichen demokratischen Ordnung dient.

Albert Helmut GERHARD Hoffmann
6 Jahre her

Auch meinen Dank, Herr Steinhöfel. Sie sind ein anders Format, wie dieser Peter Bayern MdB CDU. Dieser Herr schaute bei Studiofriedmann, ganz Dumm aus seiner braunen Wäsche

Anna Athena
6 Jahre her

Gratulationen für Herrn Steinhöfel! Und vielen Dank!