DAK: Zu viel Zeit vor dem Bildschirm zerstört Leben und Familien

Exzessive Mediennutzung wirkt sich körperlich aus. Das hat eine Studie der DAK herausgefunden. So gelten allein 126.000 Jugendliche als pathologisch film- und seriensüchtig. Das kann schwere Folgen für Leben und Familien haben. Von Charlotte Kirchhof

IMAGO / photothek
Symbolbild

Nackenschmerzen, trockene oder juckende Augen und Schmerzen im Unterarm oder der Hand – das kommt von exzessiver Mediennutzung. Das habe erstmalig eine Studie ergeben, die sich mit körperlichen Folgen einer Mediensucht auseinandergesetzt habe, teilt die DAK-Gesundheit mit. Die Studie befasst sich dabei mit der Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen in drei Bereichen: Gaming (Spielen), Streaming (Filme schauen) und Social Media (soziale Netzwerke). Festgestellt wurde, dass sich knapp 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland in einem dieser Bereiche problematisch verhalten. Das bedeute, dass für sie die Gefahr einer Mediensucht besteht – wenn nicht bereits erreicht.

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Der Trend zur Mediensucht wurde vor allem durch die Corona-Pandemie beeinflusst, meint Dr. Thomas Fischbach. Er ist Präsident des Berufsverbands Kinder- und Jugendärzte und sagt: „Nach der Corona-Pandemie ist eine riskante Mediennutzung bei vielen Kindern und Jugendlichen Alltag.“ Die Zahl an Kindern und Jugendlichen, die abhängig von Computerspielen sind, hat sich demnach von 2019 bis 2022 mehr als verdoppelt. Mittlerweile sind nach Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon 6,3 Prozent, also 330.000 Kinder und Jugendliche von einer krankhaften Gaming-Nutzung mit schweren sozialen Folgen betroffen.

Werktags spielen Kinder und Jugendliche im Durchschnitt fast zwei Stunden lang am Computer. Diese Nutzungszeit ist rund 34 Prozent höher als noch vor der Pandemie. Noch deutlicher ist die Nutzungszeit der sozialen Medien gestiegen: Im vergangenen Jahr liegt sie bei durchschnittlich 164 Minuten am Tag. Ebenso wie die Zahl der Gaming-Abhängigen hat sich die Zahl an Social-Media-Süchtigen während der Pandemie verdoppelt. Ein kleiner Lichtblick: Zumindest streamen Kinder und Jugendliche 2022 knapp eine Stunde weniger als 2021. Nichtsdestotrotz gilt das Streaming-Verhalten von ungefähr 733.000 Kindern und Jugendlichen als riskant und von 126.000 sogar als pathologisch.

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Aus der DAK-Studie geht hervor, dass „das Ausmaß der Gesamtproblematik insbesondere bei der Betrachtung der Schnittmengen deutlich wird“: 58.000 Kinder und Jugendliche sind von dem „riskanten Dreiklang“ aus Gaming-, Streaming- und Social-Media-Sucht betroffen. Diese Medienabhängigkeit hat laut DAK Folgen: Neben den körperlichen Auswirkungen werden Familien zerstört und die Zukunft der Betroffenen bedroht. Der Suchtexperte der Uniklinik Eppendorf, Dr. Rainer Thomasius, sagt, dass „ein Stillstand in der psychosozialen Reifung die Folge ist“. Grund sei, dass persönliche, familiäre und schulische Ziele in den Hintergrund gerieten, sodass alterstypische Entwicklungsaufgaben nicht angemessen gelöst würden.

Sowohl Fischbach als auch Thomasius betonen, dass es „wichtiger denn je ist, die Prävention zu stärken“. Als mögliche Maßnahme nennt Fischbach eine Früherkennung von Mediensucht, beispielsweise durch Mediensuchtscreening in Arztpraxen. Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit, sieht es als „neue Entwicklungsaufgabe von Politik und Gesellschaft, dass Kinder und Jugendliche lernen, die Risiken der Nutzung digitaler Medien einschätzen zu können“. Der Einsatz von Mental Health Coaches in Schulen, den Bundesfamilienministerin Elisabeth Paus (Grüne) vorschlägt, sei ebenfalls ein richtiger Ansatz. Darüber hinaus sollen „Hilfsangebote ausgebaut werden“, so Storm.

Erste Schritte gibt es hier bereits: DAK-Gesundheit hat gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters (DZSKJ) eine Online-Anlaufstelle entwickelt – www.mediensuchthilfe.info. Ab dem 29. März stellt das DZSKJ außerdem eine Telefon-Hotline für Betroffene und ihre Angehörige bereit: 0800 2 800 200.

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Kommentare ( 19 )

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cernunnos
1 Jahr her

Ist doch bei den meisten Leuten unterhalb des Rentenalters nicht viel anders. Man komme den Leuten nur mal mit der Idee, das Handy eine Woche daheim liegen zu lassen. Unmöglich. Ich nehme mich da nicht aus. Sicherlich ist das wegen der Entwicklung eines jungen Menschen noch eine andere Hausnummer. Aber sie sehen es doch auch nicht anders. Allerdings ist das Phänomen nicht ganz neu, diesem Staat ist der eigene Nachwuchs seit Jahrzehnten scheißegal. Was aus sowas wird, kann man eben jetzt im Extrem langsam beobachten. Ich erinnere mich an meine Jugend bzw Kindheit, die „Killerspieldebatte“, die keine war. Würde die… Mehr

Edwin
1 Jahr her

All die Folgeschäden der inszenierten Corona-Pandemie sind so gewollt und geplant worden. Die WHO ist eine gefräßige Krake, ein Parasit, der vom Wirt lebt. Ich schlage vor, die WHO in WIO = World Illness Organisation umzubenennen.

Montesquieu
1 Jahr her

„Als mögliche Maßnahme nennt Fischbach eine Früherkennung von Mediensucht, beispielsweise durch Mediensuchtscreening in Arztpraxen.“

Das in die Hand verschraubte Handy ist doch Folge bestimmter psychokultureller Entwicklungen, die zu benennen man natürlich vermeidet.
Angenehmer ist es, das Phänomen zu individualpathologisieren und Millionen für idiotische „Früherkennungsmaßnahmen“ und vor allem „Therapien“ zu verschwenden.
Auf dem Weg zur Arbeit laufen mir übrigens meistens ausgewachsene Frauen zwischen 20 und 40 über den Weg, denen das Handy vor der Nase klebt. Gerne mit einer Hand am Kinderwagen.

Michael Palusch
1 Jahr her

Diese Heuchelei ist nur noch abstoßend! Die Krankenkassen, stimmten die nicht seit 2020 immer lautstark in den Chor derer mit ein, die Home-Office und Homeschooling als den heiligen Kral der „Pandemiebekämpfung“ feierten? Denen konnte es doch allen nicht schnell genug gehen mit der Digitalisierung des Arbeitslebens, der schulischen und der universitären Ausbildung. Es war doch das Ideal, dass Schüler und Studenten nur noch auf ihre Tablets glotzen sollten, ganz ähnlich wie bei den hier als angebliche Ursache ausgemachten Serienhumbug, und dem, was der Mann oder der Frau hinter der Glasscheibe aufsagte, nur passiv folgen. Was hier als „neue Studie“ durchs… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Michael Palusch
John Beaufort
1 Jahr her

Der Artikel ist ein Anfang, unterschätzt aber – ebenso wie die zitierte Studie – das Problem massiv. Als Lehrer beobachte ich, dass etwa die Hälfte meiner Schüler derart viel Zeit mit ihren Handys verbringen, dass ihr Sozialverhalten völlig gestört ist. Durch den ständigen Informationsfluss wird jede Art von tiefer Konzentration und langwieriger Beschäftigung mit einem Thema unmöglich. Die Fähigkeit zur Impulskontrolle ist völlig dahin. Ein durchschnittlicher 14jähriger kann heute keine 5 Minuten lang mehr ruhig auf einem Stuhl sitzen und zuhören. Auch die Fähigkeit, einen kleinen Text mit fünf Sätzen zu verstehen und dazu zwei Fragen zu beantworten, ist bei… Mehr

Fieselsteinchen
1 Jahr her

So, so! Eine Studie der DAK hat herausgefunden, dass übermäßiger Fernseh- und Handykonsum gesundheitsschädlich ist. Liebe DAK, um zu dieser sagenhaften Erkenntnis zu kommen, braucht man keine teure Studie sondern normalen Menschenverstand! Könnten die DAK-Verantwortlichen eine Studie anfertigen lassen, bei der erfasst wird, wie viel Common Sense den DAK-Mitarbeitern verblieben ist? Wie heißt es so schon seit 2020? “Die Helden auf dem Sofa” – Fernsehwerbespots von einer Regierung, auf ergänzende Attribute verzichte ich aufgrund Justiziabilität trotz Meinungsfreiheit im GG lieber – die Spielplätze erhielten ein Betretungsverbot, Schwimmbäder zu oder nur mit Test und Online-Anmeldung, Eltern im Homeoffice, Kinder zu Hause… Mehr

Irdifu
1 Jahr her

Vor allem entstehen massive Hirnschäden wenn man sich die Zwangsfinanzierten ÖR Propagandasender der Regierung , ARD und ZDF samt ihren zahlreichen Neben und Regionalsendern jeden Abend reinzieht. Bei manch freien Sendern wie RTL ist es nicht anders.
Dagegen gute Information auf YouTube bei Tichy Donnerstags abends, fast täglich bei Achtung Reichelt (Julian Reichelt), Broders Rückspiegel, Reitschuster.de, dem Nachrichten Aufarbeitungskanal „Stimmt“, oder dem Internet Nachrichtensender AUF 1 .
Mit den Alternativen sitzt man heute in der ERSTEN REIHE, und mit den Alternativen sieht man besser.

Last edited 1 Jahr her by Irdifu
NorbertG
1 Jahr her

Bis vor wenigen Jahren war noch der allgemeine Tenor bei Pädagogen und Lehrern: „Kinder und Jugendliche verbringen viel zu viel Zeit vor Bildschirmen“. Seit etwa zwei bis drei Jahren lautet das Credo plötzlich: „Wir müssen die Schulen digitalisieren und unsere Kinder und Jugendlichen zukunftsfähig machen“ und hat mit dieser Begründung für riesige Summen Tablets für die Schüler angeschafft (selbstverständlich müssen es Ipads sein – das Beste ist gerade gut genug für Deutschland, wir haben´s ja). Nun hockt unser Nachwuchs neben der privaten Bildschirmzeit zusätzlich noch mehrere Stunden am Tag vor den Schmierbrettern in der Schule – finde den Fehler !… Mehr

Marcel Seiler
1 Jahr her

„Zu viel Zeit vor dem Bildschirm zerstört Leben und Familien.“

Echt? Es könnte auch umgekehrt sein: Die Entseelung des Familienlebens führt zu mehr Zeit am Bildschirm. Kinder suchen Bindung und Orientierung. Wenn sie die nicht mehr bei lebenden Personen im persönlichen Umfeld, also in der Familie, finden, dann suchen sie ihn sich eben woanders.

Ob es dazu Studien gibt, können mir vielleicht andere Leser sagen. Ich bin es jedenfalls leid, dass immer „die bösen Medien“, „die bösen Drogen“ usw. verantwortlich gemacht werden für das seelische Versagen dieser Gesellschaft.

Fieselsteinchen
1 Jahr her
Antworten an  Marcel Seiler

Digitalisierung gehört leider zu unserem Leben inzwischen dazu, und ich möchte sie in gewissen Teilen auch absolut nicht missen. Die Dosis macht es und dazu gehören vernunftbegabte, verantwortungsvolle, kritisch denkende Bürger = hier Eltern und auf schulischer Ebene richtig gute Konzepte mit engagierten Lehrern. Daran mangelt es aber in beiden Teilen. Eine Stärkung insbesondere von normalen Familienbildern wäre auch im Sinne einer Senkung des allgemeinen Aggressionspotentials, einer Vorbeugung psychischer Erkrankungen und einer adäquaten Gehirnentwicklung wichtig. Aber was will man von den „kleinen Leuten“ erwarten, wenn die Politiker von Lobbyistengruppen getrieben, in eigener Gier, bildungslosen Unfähigkeit und absolutem Machtstreben das Land… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Fieselsteinchen
Manfred_Hbg
1 Jahr her
Antworten an  Fieselsteinchen

Zitat: „Sie sehen die Erwachsenen als „Vorbilder“.“ > Abgesehen davon das ich Ihren Worten soweit nur zustimmen kann, kann ich mit Blick auf obiges Zitat auch nur sagen: wohl wahr, wohl wahr! Man gucke sich z.Bsp nur mal die Debatten im Bundestag an. Da steht dann vorne ein Redner und während diese(r) über was oder welche Partei oder Person auch immer am reden ist, „spielen“ die Abgeordneten und die „Regierungselite“ auf ihren Handys herum. Und das selbst auch dann noch, wenn einer von den „mit dem Handy spielenden Politikern“ von einen Redner direkt angesprochen wird. Dieses Verhalten unserer „Regierungselite“ hat… Mehr

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Mal abgesehen davon, dass ich heute nicht nur bei den Kindern und Jugendlichen mit den Kopf am schütteln bin wenn sie z.Bsp in den Öffis und selbst auch noch beim Treppe gehen den Quassel- und Tippkasten in der Hand haben, sondern selbst auch bei dem Erwachsenen da die auch nicht weniger handysüchtig sind, so hätte mich mit Blick auf den Artikel dann aber auch mal brennend interessiert, was die Autorin denn an Vorschläge hat womit und wo sich die heutigen Kinder und Jugendlichen ansonsten beschäftigen könnten/sollten(außer 7x die Woche einen Sportverein aufzusuchen)??