Die Christlich Sozialistische Union hat einen Parteitag abgehalten

Die Angst sitzt der CSU in den Knochen, im nächsten Jahr bei den Wahlen in Bayern eine Klatsche zu erleiden, ärger noch als Markus Söder, der von den Delegierten des Parteitages abgewatscht wurde. Friedrich Merz erneuert auf dem CSU-Parteitag den Treueeid gegenüber der SPD und zeigt in seiner Rede: Er kann nicht einmal Ideologie, er kann nur Phrase.

picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Der Ort, an dem die inzwischen Ewiggestrigen sich vor den Zumutungen der Gegenwart und vor allem der Zukunft verstecken, geradezu unterschlüpfen, liegt hinter der Brandmauer. Seitdem die Union mit den Grünen, der SPD und sogar mit den Linken Quartier bezogen hat, wirken die Unionsparteien und ihr mediokres Führungspersonal abgelebt, alt, ein Wunder, dass sie nicht wie auf einem Parteitag der Grünen in den achtziger Jahren zu stricken beginnen. Christlich ist die Partei nur noch im folkloristischen Bereich, sozial nur noch im sozialistischen Bereich der Blockparteien von „unserer Demokratie“, dafür sind sie ganz Union, ganz Merz-Union, ganz Von-der-Leyen-Union.

Und die Angst sitzt der CSU in den Knochen, dass sie im nächsten Jahr in den Kommunalwahlen in Bayern eine Klatsche von der AfD erleidet, ärger noch als Markus Söder, der von den Delegierten des Parteitages abgewatscht wurde. Bei seiner Wiederwahl erhielt er nur 83,6 Prozent der Stimmen, was für einen anderen Parteivorsitzenden einer anderen Partei ein hervorragendes Ergebnis ist, gilt für Söder, dessen schlechtes Ergebnis das auch darstellt, als Watsche – und für einen CSU-Vorsitzenden ohnehin. Die Enttäuschung nach der Verkündung des Wahlergebnisses war, Söder anzumerken.

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Aber er musste es schon bei seiner als länger empfundenen Rede, als sie tatsächlich dauerte, gemerkt haben, dass seine Pointen nicht zündeten und die Delegierten allzu oft nur pflichtschuldig klatschten. Vielleicht erreicht man auch mit Sätzen wie „Wir sind die helle Seite der Macht, wir sind die Beschützer Bayerns“ nur die Delegierten, die sich noch an den Spielfilm „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ erinnern können, der 1983 in die Kinos kam.

Unter Söders Populismus hat die CSU an Profil verloren, sie ist jetzt eine Irgendwie-Partei. Auf dem Parteitag will Söder plötzlich Freiheit und Demokratie verteidigen. Doch wer soll ihm das nach seinem rabiaten Vorgehen in der Pandemie-Diktatur noch glauben? War es nicht auf dem Parteitag 2020, auf dem Söder „ein Verbot von Neuzulassungen für Diesel und Benziner ab 2035 für eine gute Idee“ gehalten und nachgesetzt hatte, dass er „sehr dafür“ ist, „dass wir uns ein Enddatum setzen, ab dem Zeitpunkt, an dem fossile Verbrenner mit fossilen Kraftstoffen nicht mehr neu zugelassen werden können“?

Jetzt lobt sich Söder dafür, dass das Verbrenner-Aus ab 2035 fällt, wenngleich ihm das noch nicht weit genug geht. Dabei ist nichts passiert. Doch solange Leute wie EVP-Fraktionschef und CSU-Vize Manfred Weber sich dafür feiern, dass „bei Neuzulassungen ab 2035 … nun statt 100 Prozent eine 90-prozentige Reduktion des CO₂-Ausstoßes für die Flottenziele der Automobilhersteller verpflichtend werden“, wird nicht wirklich etwas verändert, sondern nur getrickst und getäuscht. Es ist noch nicht mal ein erster Schritt, wie Söder meint.

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Söder hat Recht, wenn er sagt: „Wir werden angegriffen wie nie. Unser Wohlstandsmodell, unser Sozialstaatsmodell, unser Demokratiemodell. Es ist Zeit, uns zu wehren“, nur sind es die Linken, die Grünen und die SPD, die es unter Schützenhilfe der Union angreifen, die mit einer falschen Energiepolitik das Wirtschaftsmodell zerstören. Symbolträchtiger kann das Bild der Sprengung der Kühltürme von Kernkraftwerken eben auch im bayrischen Gundremmingen dafür nicht sein.

Es ist die Koalition aus SPD und Union, die den Sozialstaat durch Turboeinwanderung und durch die Verweigerung jeder echten Sozialstaatsreform, die Gesundheit, Rente und soziale Absicherung in ihrer Gesamtheit reformiert, zerstört. Und schließlich war es die Union, die in der Pandemie das Demokratiemodell in Richtung Postdemokratie drehte.

Söder dilettiert an einem Ort, wo er es nicht sollte, nämlich in der Geschichte, wenn er davor warnt, „die Fehler von Weimar“ zu wiederholen. Nicht nur die Fehler von Weimar, sondern auch die in der sowjetischen Besatzungszone wiederholt Söder in seinem Brandmauerfuror, in dem er die CSU zur Blockpartei macht in einer Koalition, die von den Rotgrünen bestimmt wird. Außer gebrochenen Wahlversprechen hat die Union bisher nichts erreicht. Der Fehler von Weimar lag unter anderem im Versagen der Präsidialkabinette, in der Abgehobenheit der Elite.

Der BR berichtete gestern am ersten Tag des Parteitages: „Die andauernde Wirtschaftskrise, die Bürokratie, steigende Energiepreise und Lohnkosten – all das hat die Firmen in Deutschland Wettbewerbsfähigkeit gekostet. Die Industrie- und Handelskammern in Bayern registrieren immer mehr Firmen, die Hilfe suchen. Zuletzt beispielsweise von verschiedenen Einzelhändlern in und um Ingolstadt. Weil der Autokonzern Audi in der Krise steckt, halten sich die Menschen in der Region beim Einkaufen zurück, berichtet Volker Schlehe von der IHK für München und Oberbayern.“

Und: „Die prekäre Wirtschaftslage hinterlässt ihre Spuren in Bayern: Die Zahl der Insolvenzen steigt. Gleichzeitig machen viele Betriebe dicht – ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nimmt. Fachleute sind sich sicher: Das Schlimmste steht noch bevor.“

Doch Markus Söder kämpft lieber gegen die AfD wacker und mit groben Ausfällen, wie alle, die von ihren Fehlleistungen ablenken müssen, die sich aus der Verantwortung drücken. Aber vielleicht liegt es nur daran, dass die Delegierten nicht jubeln bei der Rede des Parteichefs, weil sie wissen, dass sich Söder nicht für Inhalte interessiert, sondern, wie man von Weggefährten hört, nur für die Schlagzeile von morgen. Doch jetzt sind es zu viele Schlagzeilen, zu viele Richtungsänderungen, zu viel gelebtes Propellerverhalten.

Am zweiten Tag kam dann pflichtschuldig Friedrich Merz. Merz, der Innenpolitik für unwichtig hält, weil sie mit zu vielen „leidigen Dingen“ wie beispielsweise mit der Auseinandersetzung mit der SPD um die Rentenreform, um die Sozialstaatsreform, um die Staatsfinanzen zusammenhängen, warnte angesichts „tektonische Verschiebung der Machtzentren“ davor, sich in innenpolitischen Debatten zu verzetteln. Merz jedenfalls will lieber durch die Welt jetten, wichtig sein, „Europäer“ sein, anstatt die Probleme in Deutschland zu lösen, die er selbst mit verursacht. Für ihn dürfte die Arbeitsteilung feststehen: er die Außenpolitik, die SPD die Innenpolitik.

Den Treueeid Bas und Klingbeil gegenüber erneuerte er jedenfalls auf dem Parteitag der CSU: „Wir werden das mit diesen Sozialdemokraten machen, und wir werden es auch mit diesen Sozialdemokraten, wir mit denen und die mit uns, hinbekommen.“ Das nennt man babylonische Gefangenschaft. Klar, wie Merz und Co. Deutschland „hinbekommen“, können wir täglich beobachten.

Ansonsten bestand die Rede von Friedrich Merz auf dem Parteitag aus den üblichen Phrasen und auch schlicht aus Unwahrheit. Merz rief nämlich: „Die Zeiten von Ideologie sind vorbei. Wir zeigen, was wir können. Es ist vorbei mit dem, was wir von den Grünen gesehen haben.“ Was ist da vorbei? Ist das EEG abgeschafft? Ist das GEG abgeschafft? Geht der Einstieg in die Kernenergie voran? Wurde die CO2-Bepreisung abgeschafft? Ist das Verbrenner-Aus gefallen? Werden die 11,4 Milliarden Euro nicht für „Klimaprojekte“ in die Welt hinausgeblasen? Was bitte schön ist vorbei?! Merz kann nicht einmal Ideologie, er kann nur Phrase.

Vorbei ist es jeden Tag mehr mit der Union der Wirklichkeitsverweigerer. Die Worte werden größer, der Wohlstand kleiner. Statt für den Frieden zu sorgen, redet man den Krieg herbei. Die Freiheit der Bürger wird jeden Tag mehr von einer dysfunktionalen Alt-Elite aus dem Alltag entfernt und in die Sonntagsrede gesperrt.

Zur Erinnerung: In den letzten 20 Jahren hat die Union nur drei Jahre nicht regiert, 17 schon.

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