Klöckner tritt ab: Die einstige CDU-Hochburg Rheinland-Pfalz ist restlos geschleift

Julia Klöckner will nicht mehr für den CDU-Vorsitz in Rheinland-Pfalz kandidieren, nachdem sie kein Direktmandat gewann. Die Frage nach dem Nachfolger offenbart, dass die einstige CDU-Hochburg nur noch eine Ruine ist. Ein Fingerzeig dafür, wie es der Union im Bund als Opposition ergehen könnte.

IMAGO / Political-Moments
Julia Klöckner Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft

42 Jahre war die CDU in Rheinland-Pfalz ununterbrochen an der Macht. Der Landesverband hat in dieser Zeit einige der größten Köpfe seiner Partei hervorgebracht, darunter Helmut Kohl. Doch das sind Geschichten von alten Männern – oft von Toten. Die Hochburg ist geschleift und liegt zu Füßen der neuen SPD-Generation. Die hat am Sonntag acht von 15 Direktmandanten im Land geholt und gegen die CDU mit abgerundet 29 zu 25 Prozent gewonnen. Vor vier Jahren war es nur ein Direktmandat und die SPD lag zehn Prozentpunkte hinter der CDU.

Auch Julia Klöckner hat ihr Direktmandat verloren. So wird zumindest oft berichtet. Aber das ist nicht präzise. Denn eigentlich hatte sie es nie. Vor vier Jahren gewann Antje Lezius (61) den Wahlkreis Bad Kreuznach/Birkenfeld für die CDU. Eine eher unpolitische Kümmererin, die vor Ort hoch beliebt ist. Auf Druck Klöckners musste sie „freiwillig“ auf eine weitere Kandidatur verzichten. Die Landeschefin wollte so ihre 2018 erworbene Stellung als Bundesministerin für Landwirtschaft untermauern. Damit ist sie gescheitert.

Als Spitzenkandidatin der Landesliste ist Klöckner dennoch in den Bundestag eingezogen. Doch den Landesvorsitz will sie abgeben, wie sie am Montagabend dem Präsidium mitgeteilt hat. Mit der Niederlage soll das nichts zu tun haben. Den Schritt habe sie in der Familie schon vorher besprochen.

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Favorit für die Nachfolge ist Christian Baldauf (54), der Fraktionsvorsitzende im Landtag. Er war im März Spitzenkandidat bei der Landtagswahl und fuhr das historisch schlechteste Ergebnis des Landesverbandes ein. Nachdem der Verband bei der Bundestagswahl genauso abgesoffen ist wie bei der Landtagswahl, sieht sich Baldauf jetzt offenbar rehabilitiert. Im Bundespräsidium gehörte er zu den ersten, die eine Neuausrichtung der Partei verlangten. Vereint er aber die Vorsitze in Partei und Fraktion in seiner Person, ist klar, dass 2026 entweder der Wahlverlierer Baldauf kandidiert oder ein anderer, der nur wenig Zeit hatte sich zu profilieren. In der eher unpolitischen rheinland-pfälzischen Medienlandschaft eine ohnehin schwierige Aufgabe.

Baldauf gilt zudem als Zögerer. Sein Wahlkampf im Frühjahr war der eines Frutariers, der hofft, dass ihm die reife Frucht in den Schoß fällt, ohne dass er jemandem wehtun muss. 2010 verzichtete er auf den Führungsanspruch in der CDU, um der Hoffnungsträgerin Klöckner den Weg freizumachen. Nachdem sie zweimal gescheitert war, wartete er, dass diesmal sie ihm den Platz frei macht. Das tat die Bundesministerin für Landwirtschaft aber nur teilweise, überließ ihm nur die Kandidatur, aber behielt den Landesvorsitz.  

Baldauf wäre nicht gerade ein leuchtendes Fanal für einen Neuanfang. Doch hinter ihm ist auch nicht viel Talent gediehen. Einen medialen Hype erlebt gerade Ellen Demuth (39). Die Landtagsabgeordnete wagte sich am Montag aus der Deckung und forderte Armin Laschet über Twitter auf, Konsequenzen aus der Niederlage zu ziehen. Das bescherte ihr zwar bundesweite Schlagzeilen. Doch am Abend distanzierte sich sogar Norbert Röttgen in der Sendung „Brennpunkt“ von Demuth – dabei war sie seine Kampagnen-Managerin, als er versuchte, Bundesvorsitzender zu werden. 

Als Kompromisskandidat könnte Patrick Schnieder (53) gelten. Der Bundestagsabgeordnete hat sein Direktmandat verteidigt und als Generalsekretär bereits Verantwortung im Landesverband getragen. Gerne gehandelt wird Marlon Bröhr (47). Der Landrat aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis gilt als Parteirebell. Ob er aber bereit ist, zu springen und ob er dann das Establishment der Partei hinter sich versammeln kann, ist offen. 

Strategien und Posten statt Positionen
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Das Personal ist nur das eine Problem der CDU Rheinland-Pfalz – das andere ist die inhaltliche Beliebigkeit. Allein Baldauf hat schon nahezu jede Rolle probiert: vom größten Gegner des rot-grünen Ausbaus der Windenergie bis hin zum selbst erklärten Klimaschützer. Wobei er – ähnlich wie Klöckner – gerne vom jeweils größten Thema der Stunde zum nächsten springt. Kritiker nennen das Wirrwarr, in der Partei heißt die Strategie „Bauchladen“. Der Unterschied zwischen Wirrwarr und Bauchladen: der Name.

30 Jahre in der Opposition bringen ein Problem mit sich: Beamte, die von der CDU in ihre Position gebracht wurden, gehen in Pension. Keiner aus der CDU rückt nach. Damit geht der Partei allmählich ihr Bezug zur Regierungswirklichkeit verloren. Zu welchen Phantastereien das mit der Zeit führen kann, macht die SPD in Bayern vor. 

Auf den Nachfolger Klöckners kommen folglich mehrere Aufgaben zu: Die Partei zu einen und so aufzustellen, dass sie der Wahlkampfmaschine SPD Rheinland-Pfalz etwas entgegensetzen kann. Dazu muss sie aus der inhaltlichen Beliebigkeit geführt werden. Und der oder die neue Vorsitzende muss sich in einer Medienlandschaft profilieren, die sich gegenüber Ministerpräsidentin Malu Dreyer gerne devot zeigt. 

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Kommentare ( 77 )

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zweisteinke
2 Jahre her

Wieder ein Beweis für die Schwachsinnigkeit diese sog. Wahlsystems. Immer und immer wieder kommen Gestalten über völlig undemakratisch ausgeklügelte „Listenplätze“ an die Futtertröge, die niemals irgendeine Mehrheit hatten. Wie kann denn der Pleps, der angeblich der Souverän ist, seinen Wahlwillen durchsetzen, wenn durch die Hintertür doch wieder alle Versager in die Laberbude einziehen, die seit Jahrzehnten immer wieder beweisen, daß sie es nicht können.

doncorleone46
2 Jahre her

Dümpelparteien haben wir genug. Um auf einem adäquaten Niveau zu überleben, brauchen wir Regierungen mit Visionen und Innovationskraft und keine Glaubensgemeinschaften wie die Klimasekten.

Thorsten
2 Jahre her

Die Stimmenwanderung zu FDP, AfD und SPD ist selbst verschuldet. Die CDU hat immer zugeschaut, wenn Merkel die CDU politisch „verkauft“ hat.
Nun ist der Preis fällig.

Kuno.2
2 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Der Stimmenzuwachs der FDP geht auch auf den Stimmenverlust bei der AfD zurück. Das nennt man Wählerwanderung.

StefanK
2 Jahre her

Die CDU hat unter der Klöckner-Ära komplett abgewirtschaftet. Die Partei ist inhaltlich und personell völlig ausgeblutet. Da ist nichts mehr. Natürlich muß Klöckner weg. Aber auch neben ihr und unter ihr gibt es kein vernünftiges Personal. Es sind nur noch Abnicker, Nichtskönner oder Opportunisten vorhanden. Leute, die nur noch an ihr hauptamtliches Politikmandat denken und alles danach ausrichten. Da sind Namen zu nennen wie Torsten Welling, Ellen Demuth oder Johannes Steiniger. Dazu diese Anbiederung an die Grünen wie zum Beispiel beim Klimawahn. Oder der Corona-Impffanatismus der CDU Rheinland-Pfalz, die dabei sogar noch die SPD-Landesregierung toppt. Es gibt nichts zu beschönigen:… Mehr

Britsch
2 Jahre her
Antworten an  StefanK

Praktisch die ganze CDU ist kaputt
In der Gewißheit dies erreicht zu haben kann die „große“ Vorsitzende “ Chefin“ der CDU beruhigt abtreten.
Es ist vollbracht!

Waehler 21
2 Jahre her
Antworten an  StefanK

Wer nur Chorknaben/in um sich versammelt hat es mit der Führung leicht. Da jedwede konstruktive Kritik von den Beförderungswilligen niedergebrüllt wird.
Aber diese Leute können nur Loblieder und am 1. ihr Gehalt abholen.

Th. Radl
2 Jahre her

Zu fragen, ob es daran liegt, zu glauben, dass Frauen alles besser (zumindest aber mindestens genausogut) können, sei ein Irrtum, ist wahrscheinlich unfair! Das hat mit dem Frauenthema genauso wenig zu tun wie Angiftungen wegen der Unfähigkeit, einen fehlerfreien Lebenslauf zu schreiben. Eine erfolgreiche Kandidatin wegzuschubsen, um selber den Erfolg an deren Stelle abzugreifen, wie mit dem Direktmandat im den Wahlkreis Bad Kreuznach/Birkenfeld beschrieben, gibt es unter Männern ja schließlich genau in derselben Manier zuhauf. Das macht immer einen etwas unanständigen Eindruck und da zudem im Wahlkreis durchaus immer auch ein bisschen Personenwahl mit reinspielt, wird das vom Wähler gerne… Mehr

HavemannmitMerkelBesuch
2 Jahre her

….und das alles, während die „stärkste Kraft“ Deutschlands – die SPD – mit ihrem Kanzlerkandidaten in einen der schlimmsten Korruptions- und Spendenskandale seit Kohl – CUM-EX – verwickelt und offensichtlich involviert ist!!! Wie dumm und steuerbar über Propaganda, die auch immer die Lüge der Unterlassung und Ignoranz beinhaltet, ist der deutsche DummMichelWähler eigentlich noch? Und wie steuerbar ist eine Verfolgungsbehörde, die Schlag auf seltsamerweise genau eine Woche nach der Bundestagswahl erst, statt bereits in den Wochen oder Monaten zuvor obwohl Kahrs bereits 2020 von allen Ämtern zurück trat, Durchsuchungen bei den Hamburger Verantwortlichen SPD Leuten und Behörden durchführt??? Ein Schelm… Mehr

Schlaubauer
2 Jahre her

RLP wäre doch so einfach für die CDU. Einfach konservative Politik machen.

Sonny
2 Jahre her

Die cdu lebt auf einem anderen Stern. Sie sind umgeben von schleimigen Höflingen, Opportunisten und Anbiederern. Menschen mit gesundem Menschenverstand jedenfalls sind weitestgehend von der unsäglichen merkel aussortiert worden. Eine Hofpresse, die jahrelang gehuldigt hat, während die Bevölkerung ächzt und die Wohlstandsgesellschaft bis auf einige, wenige Ausnahmen immer weiter verarmt. Nun kommt vorerst die 1. Rate der Quittung. Viele weitere werden folgen. Aber das Alles dauert viel zu lange, bis sich die Vernünftigen wieder eine Bresche geschlagen haben. Für uns hier steht fest: Zu unseren Lebzeiten wird es kein „Auf“ für Deutschland mehr geben. Die Presse wird wieder verschleiern, denunzieren… Mehr

Peter G.
2 Jahre her
Antworten an  Sonny

Leider allzu wahr. Mein Wunsch war daher ein Wahlergebnis mit einer Kanzlerin Baerbock an der Spitze einer gründominierten Regierung. Das hätte den (verdienten) Leidensweg der Deutschen erheblich abgekürzt.

Nibelung
2 Jahre her

Es gibt einen Spruch, die Ratten verlassen das sinkende Schiff und das trifft nun bei Teilen der Schwarzen zu, die sich unter Merkel gemütlich einrichteten und somit zu diesem Ergebnis mit beigetragen haben, weil sie zu feige waren nicht zu widersprochen und nun ihre Pfründe verlieren, was die logische Folge eigenen Versagens ist. Hier wird nun Fahnenflucht betrieben, was nach der Niederlage genau das aussagt, was man von solchen Leuten schon immer gedacht hat und sich nun in deren Verhalten bestätigt und wo waren sie denn, wenn es um die Verteidigung der Bürgerinteressen ging, gerade auch bei der Bauernschaft und… Mehr

Waehler 21
2 Jahre her
Antworten an  Nibelung

Solange die Bürger im Panik-Modus gehalten werden können, sooo lange wird sich nichts ändern.
Wer Klimafragen.org mitgezeichnet hat, musste wieder lernen ,dass die Politik sich nicht mit Argumenten auseinander setzt, sondern nur mit Strömungen die sie lenken kann.

Wolfbert
2 Jahre her

Anbiederung (alternativ ein anderes Wort mit „A“ am Anfang), Opportunismus und Beliebigkeit zahlen sich a la longue nicht aus. Besser sich auf substantielle, dauerhafte Werte besinnen und seine Stammwähler nicht vergrätzen – anstatt wieder mal die Floskel zu strapazieren, man müsse „das Profil der Partei schärfen“ und statt dessen versuchen, dem Zeitgeist die Themen zu klauen. Vielleicht kapiert das die Union, bevor sie endgültig an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Dazu müssten die Verantwortlichen mal im Archiv die Wahlprogramme von 1998 oder 2002 rauskramen. Da steht viel über Wirtschaft, Leistung, Verantwortung und Föderalismus – und wenig von Windrädern, Willkommenskultur und Weltklima drin.… Mehr